Wahlprogramm FDP 2021

Zwischen digitalen Freiheitszonen und Datenschutz

18.08.2021
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die COMPUTERWOCHE klopft die Wahlprogramme der Parteien auf ihre Ansätze und Vorhaben rund um die Digitalisierung ab. Der Markt wird’s schon richten – an diesem Credo will die FDP auch in Sachen Digitalisierung nicht rütteln.
Nach der letzten Wahl wollte er nicht mitregieren. Jetzt gibt es nach Meinung von FDP-Chef Christian Lindner viel zu tun. Mal sehen, ob er diesmal mit anpackt - oder wieder kneift.
Nach der letzten Wahl wollte er nicht mitregieren. Jetzt gibt es nach Meinung von FDP-Chef Christian Lindner viel zu tun. Mal sehen, ob er diesmal mit anpackt - oder wieder kneift.
Foto: Thomas Stockhausen - shutterstock.com

Deutschland braucht einen Neustart, fordert die FDP schon auf der Titelseite ihres Programms "Nie gab es mehr zu tun." für die Bundestagswahl 2021. Deutschland müsse moderner, digitaler und freier werden. Die Politik der vergangenen Jahre habe den Staat satt und träge gemacht. Gerade die Coronakrise habe dies schonungslos offengelegt. "Während andere Staaten ihre Verwaltung digitalisiert haben, haben wir an Formularen und Zettelwirtschaft festgehalten", heißt es auf den ersten Seiten. "Während andere Staaten ihr Gesundheitssystem digitalisiert haben, haben sich unsere Gesundheitsämter gegenseitig Faxe geschickt. Hochqualifizierte Beamtinnen und Beamte haben Listen abgetippt, statt mit Hilfe moderner digitaler Technologien effektiv Infektionsketten nachzuverfolgen."

So sehen die Digitalstrategien der anderen Parteien zur Bundestagswahl 2021 aus:

Das soll sich nach dem Willen der Freien Demokraten grundlegend ändern. Die Partei will sich im Wahlkampf als Vorreiter der Modernisierung positionieren. "Gründen wir Deutschland neu", geben die FDP-Politiker als Losung aus. Die Digitalisierung soll der roten Faden sein, an dem sich diese Modernisierung entlanghangelt.

Innovation braucht freien Wettbewerb

Grundsätzlich plädiert die FDP dafür, staatliche Eingriffe in die Wirtschaft weitgehend zurückzufahren und die Entwicklung den Gesetzen des Marktes zu überlassen. Die politische Förderung von "nationalen Champions" lehnt die Partei entschieden ab. Das konzentriere die Marktmacht auf etablierte und große Unternehmen, behindere echten Wettbewerb und Innovation und schade damit letztendlich Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Zukunftsfähigkeit des Standortes. Gerade junge und mittelständische Unternehmen bräuchten bessere Wettbewerbsbedingungen, vor allem im Bereich der Digitalwirtschaft.

Das geht so weit, dass die Partei regelrechte digitale Freiheitszonen einrichten möchte. "Um die Entstehung von Clustern insbesondere bei IT-Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz und Blockchain zu begünstigen, wollen wir bestimmte Regionen als digitale Freiheitszonen ausweisen. Dort sollen weniger Regularien gelten", heißt es Wahlprogramm. Steuerliche Forschungsförderung, bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups und weniger Bürokratie sollen Firmengründungen erleichtern.

Das gilt auch für die europäische Perspektive. Die Liberalen plädieren für einen europäischen digitalen Binnenmarkt. Geschäftsmodelle sollen europaweit einfacher skalierbar, regulierungsbedingte Barrieren abgebaut werden. Europa soll digital unabhängig werden, ohne jedoch in einen digitalen Protektionismus zu verfallen.

Eine Ausnahme in Sachen Kontrolle macht die FDP bei den großen Internet-Konzernen. "Solche Gatekeeper-Unternehmen, die als Betreiber einer Suchmaschine, als soziales Netzwerk oder als dominierende Handelsplattform die Wettbewerbsbedingungen kleiner oder mittlerer Unternehmen entscheidend beeinflussen können, müssen einer speziellen Regulierung unterworfen werden", steht im FDP-Programm. Die Regulierung soll verhindern, dass Gatekeeper den Wettbewerb verzerren, indem sie sich beispielsweise bei Suchergebnissen selbst begünstigen, die Interoperabilität mit Angeboten anderer Unternehmen einschränken oder die Geschäftsdaten ihrer Partnerinnen und Partner in unlauterer Weise zum eigenen Vorteil nutzen. Eine solche Kontrolle global agierender Konzerne könne jedoch nicht allein auf Ebene nationalen Rechts funktionieren. Die FDP unterstützt daher die Pläne der EU für einen "Digital Markets Act".

So sehen die Digitalstrategien der anderen Parteien zur Bundestagswahl 2021 aus:

Mehr Kapital für Startups - vor allem privates

Um Startups und deren Innovationen zu fördern, will die FDP die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital verbessern. Forschung und Entwicklung soll steuerlich stärker gefördert werden. "Dadurch schaffen wir bessere Bedingungen für Start-ups und geben Innovationen eine Chance." Auch hier soll der Staat offenbar möglichst wenig eingreifen. Zwar wollen die Freien Demokraten den Zukunftsfonds (Dachfonds) zur Start-up-Finanzierung deutlich ausbauen. Das heißt jedoch nicht nur, mehr staatliche Mittel bereitzustellen. Stattdessen will man die Investition in Wagniskapital für private Kapitalgeber attraktiver gestalten.

Insbesondere Gründerinnen will die FDP beim Zugang zu Wagniskapital unterstützen. Dazu fordert die Partei, einen Venture-Capital-Fonds in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft einzurichten. Der Fonds soll unter anderem gewährleisten, dass Frauen den gleichen Zugang zu Wagniskapital bekommen wie ihre männlichen Kollegen. Außerdem soll dieses Netzwerk für Investorinnen mit weiblichen "Business Angels" gezielt Frauen bei ihren Gründungsvorhaben unterstützen.

Um Innovationen staatlich zu fördern, wollen die Liberalen eine Deutsche Transfergemeinschaft (DTG) gründen. Sie soll unabhängig agieren und Projekte unter Beteiligung einer Hochschule oder eines Unternehmens aus der Wirtschaft oder der Zivilgesellschaft unterstützen. Die DTG wäre ein One-Stop-Shop, der Transfer-Know-how bündelt und kostenneutral durch bislang auf mehrere Ministerien verteilte Transferfördergelder finanziert wäre, so die Vorstellung der FDP. Software- und Hightech-Unternehmen sowie Start-ups würden so in ihrer Leistungs- und Innovationskraft gestärkt.

Allerdings will die FDP für die staatliche Förderung auch Ergebnisse sehen. Die Mittelfreigabe für Bundesprogramme soll stärker an deren Zielerreichung gebunden werden. Werde dieser Nachweis nicht ausreichend erbracht, sollen die frei werdenden Mittel in einem wettbewerblichen Verfahren an die anderen Akteure verteilt werden, die bei ihrer Zielerreichung erfolgreicher waren. Die Liberalen kritisieren, dass für die vielen Milliarden Euro teuren Strategien der Bundesregierung (KI, Hightech, FONA und weitere) bislang Zielhierarchien und Erfolgsindikatoren fehlten. "Wir wollen Fortschritte messen und aus vielen Einzelstrategien eine echte Innovationsstrategie machen", so der Plan der Liberalen.

Digitalpolitik neu justieren

Die digitale Transformation ist eine der größten Chancen und Herausforderungen unserer Zeit, sagen die FDP-Politiker. "Deshalb wollen wir Deutschlands Digitalpolitik neu ausrichten. Denn bisher ist sie unkoordiniert, ziellos und chaotisch." Ordnung schaffen soll ein Ministerium für digitale Transformation. In diesem Ministerium sollen Kompetenzen gebündelt werden, steht im Programm. Welche das sein sollen, das steht nicht in dem Papier. Genauso wenig, wie die Verknüpfung mit anderen Regierungsressorts aussehen soll.

Kümmern soll sich die Politik um einen schnelleren und besseren Netzausbau. Bis zum Jahr 2025 ist der bundesweite Aufbau von 5G-Netzen abzuschließen, fordern die Liberalen. Dafür brauche es unter anderem ein starkes und zeitnahes Controlling durch den Bund. Den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen will die FDP mit Gigabit-Gutscheinen für Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen vorantreiben. Dabei gehe es darum, Anreize für Investitionen in den Gigabit-Netzausbau zu schaffen.

Genauer hinschauen wollen die Liberalen auch bei Cybersicherheit, denn diese sei "die Achillesferse des Informationszeitalters", heißt es im Wahlprogramm. Die FDP fordert ein wirksames Schwachstellenmanagement und das Recht auf Verschlüsselung. Dafür will die Partei der Branche Security-by-Design verordnen und die Hersteller dazu verpflichten, für die gesamte Nutzungsdauer eines Produkts Updates bereitzustellen. Unternehmen, die umfangreichen Einflussmöglichkeiten autoritärer Regime unterliegen, sollen nach dem Willen der Liberalen beim Ausbau kritischer Infrastruktur wie dem 5G-Netz nicht beteiligt werden. Digitale Vergeltungsschläge (Hackbacks) im Kampf gegen Hacker lehnt die Partei allerdings ab, da sie die Gefahr eines digitalen Wettrüstens bergen und nicht die Cyberkriminellen, sondern zivile Opfer treffen würden.

Grundsätzlich wünschen sich die Liberalen mehr Souveränität in Europa. Die EU soll in Zukunft ihre eigenen Interessen und Werte besser durchsetzen und in wichtigen Bereichen wie der Digital-Technologie weniger abhängig und verwundbar werden. Deutschland soll zudem nach dem Vorbild von Dänemark und Frankreich sogenannte "Innovationsbotschafter" aus den zuständigen Bundesministerien in die Ballungszentren der IT- und High-Tech-Industrie entsenden. "Wir wollen, dass Deutschland diplomatisch aktiv dazu beiträgt, die Beziehungen und Netzwerke zwischen Technologieunternehmen und Start-ups sowie Gründern und Entwicklern in der Bundesrepublik und in Zentren wie dem Silicon Valley, Taiwan, Tel Aviv, Singapur, Shenzhen und Daejeon auszubauen", schreibt die Parteil im Wahlprogramm.

Ein wichtiger Punkt für die FDP ist die Netzneutralität. Alle Datenpakete im Internet müssen gleichberechtigt sein, um sicherzustellen, dass keine Meinung diskriminiert wird und neue Unternehmungen Marktzugang erhalten. Zugleich sollen aber auch neue qualitätsgesicherte Dienste möglich sein, wie "Network Slicing" für zeitkritische Anwendungen - beispielsweise für medizinische Teleoperationen oder beim autonomen Fahren.

Grundsätzlich offen sind die Liberalen gegenüber Kryptowährungen. Zwar solle das Bargeld als Zahlungsmittel erhalten bleiben, schon allein um ohne staatliche Kontrolle Geld aufbewahren und der Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank ein Schnippchen schlagen zu können. "Wir begrüßen zudem alternative Tauschmittel wie Kryptowährungen auf Blockchain sowie anderen Basen und wollen die Schaffung eines verlässlichen rechtlichen Rahmens fördern und weiterentwickeln", heißt es im Wahlprogramm.

Datenschutz und Datennutz - ein schwieriger Spagat

Groß auf die Fahnen schreiben sich die Liberalen den Datenschutz. Personenbezogene Daten dürften grundsätzlich nur nach Zustimmung oder auf einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage verarbeitet werden. Es müsse klar sein, zu welchem Zweck und von wem Daten verwendet werden. Gleichzeitig soll aber auch der technische und bürokratische Aufwand, für Datenschutz zu sorgen, verringert werden - gerade für kleinere und mittelgroße Unternehmen. Dafür sollen die IT-Anbieter stärker in die Pflicht genommen werden. "Schon bei der Konstruktion von Hard- und Software müssen der Datenschutz von Herstellerinnen und Herstellern mitgedacht und die Ausübung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erleichtert werden", fordert die FDP. Wie das umgesetzt werden kann, bleibt offen.

Unklar bleibt auch, wie der Spagat zwischen dem Prinzip der Selbstbestimmung über Daten auf der einen und der Datenwirtschaft inklusive -wettbewerb auf der anderen Seite zu schaffen ist. Nutzerinnen und Nutzer sollen der FDP zufolge auch ein Nutzungsrecht an Daten erhalten, an deren Erzeugung sie mitgewirkt haben. Andererseits sollen Unternehmen nicht-personenbezogene Daten sammeln, aufbereiten und monetarisieren dürfen. Eine generelle Datenteilungspflicht lehnen die Liberalen deshalb auch ab.

Klare Absage an Überwachung

Eine klare Absage erteilt die FDP sämtlichen Überwachungsambitionen des Staates. Im Zuge des Einsatzes von "Staatstrojanern", der Quellentelekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und der Online-Durchsuchung müsse sichergestellt ist, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung der Menschen geschützt ist. Sei das nicht der Fall, habe der Einsatz zu unterbleiben. Auch die anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten und personenbezogener Daten lehnen die Freien Demokraten ab. Eine solche Vorratsdatenspeicherung stelle alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht. Nur im konkreten Verdachtsfall dürften bestimmte Daten auf richterliche Anordnung gesichert werden.

Darüber hinaus pochen die Liberalen für ein Recht auf Anonymität. Den Einsatz der automatisierten Gesichtserkennung lehnt die Partei ab. Durch den Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung im öffentlichen Raum drohe eine Totalüberwachung. Das Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum soll auch für den digitalen öffentlichen Raum gelten.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) will die FDP abschaffen. Dieses setze bisher einseitig einen Anreiz zur Löschung von Inhalten und lege die Entscheidung über die Grenzen der Meinungsfreiheit allein in die Hände sozialer Netzwerke. Stattdessen soll es künftig einen Regulierungsmix geben, der den Schutz der Meinungsfreiheit gewährleistet. Die Liberalen wollen sich für eine effektivere Verfolgung von Straftaten im Netz einsetzen. Doch dies sei primär Aufgabe des Staates.

Abgeschafft werden soll auch das Leistungsschutzrecht für Presseverlegerinnen und Presseverleger. Das Verhältnis zwischen Kunstfreiheit und dem Schutz geistigen Eigentums müsse im digitalen Zeitalter neu gedacht werden. Zwar gelte es, Werke in ihren wirtschaftlichen und ideellen Rechten zu schützen, um eine lebendige Kultur- und Kreativwirtschaft sicherzustellen. "Den Einsatz von Uploadfiltern lehnen wir als immense Gefahr für Meinungs- und Kunstfreiheit im Netz jedoch weiterhin ab", steht im FDP-Programm.

Nicht abschaffen, aber umbauen wollen die Liberalen das Urheberrecht. Dieses hinke der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung hinterher und bremse Innovationen aus. Beispielsweise soll es eine Bagatellklausel für private Nutzungen geben, die keine wirtschaftlichen Folgen haben - wie viele inzwischen alltägliche Nutzungen wie Memes und Remixes.

Bildungsoffensive mit Digitalpakt 2.0

Die FDP fordert eine Offensive für die Bildung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Kinder müssten frühzeitig Bildung in diesen Fächern erhalten, Pädagoginnen und Pädagogen für experimentelles und forschendes Lernen schon in Kitas ausgebildet werden. Außerdem soll es ein gezieltes Maßnahmenpaket für die Förderung von Mädchen und Frauen im MINT-Bereich geben. Darüber hinaus fordern die Freien Demokraten die bundesweite Einführung der Schulfächer Wirtschaft und Informatik.

Um die Qualität der Bildung hierzulande zu verbessern, will die FDP den Digitalpakt neu aufsetzen. Bis Ende 2020 seien im Digitalpakt Schule erst knapp 1,4 Milliarden Euro abgeflossen, obwohl insgesamt sieben Milliarden Euro zur Verfügung stünden. Im Rahmen eines "Digitalpakt 2.0" soll neben der Technik vor allem auch in IT-Administratorinnen und IT-Administratoren, Dienstgeräte für Lehrkräfte, digitales Lernmaterial sowie Fortbildungen investiert werden. Außerdem plädieren die Liberalen für die Weiterentwicklung von Learning Analytics. Künstliche Intelligenz biete eine Möglichkeit, Lehre und Lernen stärker zu individualisieren. Die Auswertung von Daten über Lernende verbessert das Lernen und die Lernumgebung, heißt es im Wahlprogramm.

Im Hochschulbereich fordert die FDP neben mehr Investitionen in digitale Lehrangebote auch die Gründung einer European Digital University (EDU). In vorrangig digitalen Lehrformaten soll diese Dachorganisation in europäischer Trägerschaft Menschen in ganz Europa einen ortsunabhängigen Zugang zu Lehrangeboten erlauben. Grenzen der Bildungsmobilität sollen überwunden und Menschen unabhängig von ihrer persönlichen Lebenssituation, ihrer sozialen und geographischen Lage die Teilnahme an Lehre und akademischer Weiterbildung ermöglicht werden. Die EDU soll dafür die digitalen E-Learning-Angebote der beteiligten staatlichen und privaten Hochschulen aller EU-Mitgliedstaaten zusammenfassen.

Verwaltung modernisieren mit agilen Methoden

Der Staat muss unkomplizierter werden, fordern die Liberalen. Sämtliche Bürgerservices online erledigen zu können, dürfe keine Zukunftsutopie bleiben. Dafür braucht es allerdings einen tiefergehenden Strukturwandel. Die FDP spricht von einer umfassenden Föderalismus- und Verwaltungsreform, um einen modernen und handlungsfähigen Staat zu schaffen. "Es geht nicht nur um die Digitalisierung von Prozessen, sondern vor allem um einen Mentalitätswandel." Die Liberalen setzen dabei auf einen agilen Ansatz, um das Megaprojekt der Verwaltungsmodernisierung zu stemmen. Arbeitsfähige Ergebnisse sollen vor starren Strategien priorisiert werden.

Für Bürgerinnen und Bürger sollen alle notwendigen Amtsgänge virtuell und barrierefrei möglich sein. Für die virtuelle Verwaltung soll der FDP zufolge das One-Only-Prinzip gelten. Das heißt: Daten müssen der Verwaltung nur einmal mitgeteilt werden und nicht mehr jeder Behörde einzeln. Die Liberalen träumen von einer einheitlichen digitalen Plattform, auf der alle Menschen über ein Bürgerkonto Zugang haben sollen. Hier sollen sich alle möglichen Verwaltungsvorgänge erledigen lassen, wie beispielsweise einen Bauantrag digital einreichen und genehmigen zu lassen. Wenn Behörden auf Daten zugreifen, werde das geloggt sowie die oder der Betreffende darüber informiert. Bürgerinnen und Bürger sollen das Recht bekommen, den Grund für jeden Zugriff auf ihre Daten zu erfahren.

Um das deutsche E-Government zu modernisieren, wollen die Liberalen verstärkt auf technologische Innovation setzen. Mit Hilfe von KI, Augmented und Virtual Reality soll die Verwaltung zum "Virtual Government" werden. Wie das aber genau funktionieren soll, bleibt offen.

Auch die Justiz soll mit Hilfe digitaler Methoden effizienter und moderner werden. In einem Digitalpakt für die Justiz soll sich der Bund daran beteiligen, die technische Ausstattung der Justiz in den Ländern deutlich zu verbessern, fordert die FDP. So sollen zum Beispiel virtuelle Verhandlungen möglich werden. Geringfügige Forderungen sollen in einem vollständig digitalen, kostengünstigen und schnellen Verfahren geltend gemacht werden können. Auch in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens spielt die Digitalisierung lauft FDP-Wahlprogramm eine Rolle. Allerdings bleiben die Liberalen an diesen Stellen meist sehr generisch und wenig konkret:

  • Gesundheit: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen soll nach dem Willen der Liberalen durch klare und transparente Rahmenbedingungen vorangebracht werden. Dazu brauche es offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit. Die Vernetzung zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen müsse digital ausgestaltet werden. Nur so sei eine schnelle Verfügbarkeit der Patientinnen- und Patientendaten sicherzustellen. "Digitale Infrastruktur und robotische Assistenzsysteme wollen wir hier gezielt fördern", steht im Programm der FDP.

  • Verkehr: Im Verkehr spielt die Digitalisierung in den Plänen der Liberalen nur eine untergeordnete Rolle. Vage heißt es hier, dass mit mehr Digitalisierung mehr Personen und Güter auf die Schiene gebracht werden sollen. Sprunginnovationen wie das autonome Fahren, das Hochgeschwindigkeitssystem Hyperloop, Drohnen oder Flugtaxis sollen gezielt gefördert. Ansonsten regiert in Sachen Mobilitätskonzept der Status Quo: Kein Tempolimit, kein Ende des Verbrennungsmotors und weniger Nachtflugverbote.

  • Energie: Helfen soll die Digitalisierung auch bei der Energiewende. Die Verbesserung der Energieeffizienz, die Flexibilisierung des Verbrauchs und der Tarife sowie die Sicherstellung der System- und Versorgungssicherheit könne nur durch konsequente Digitalisierung gelingen. Die Liberalen wollen den Wandel von einer zentralen zu einer dezentralen Energieversorgung weiter vorantreiben. "Wir möchten den Rollout intelligenter Messsysteme ("Smart Meter") vereinfachen - als Voraussetzung für "Smart Grids" und für Automatisierung durch künstliche Intelligenz", heißt es im Programm. Auch im privaten Bereich gebe es durch die Digitalisierung enorme Energieeffizienzpotentiale - zum Beispiel bei der Wärme- und Beleuchtungssteuerung.

  • Digitale Landwirtschaft: "Smart Farming" sehen die Liberalen als ein Werkzeug, das Landwirtinnen und Landwirten dabei hilft, ihre Betriebe zu optimieren, um Tierwohl, Umwelt- und Arbeitsabläufe zu modernisieren. "Wir wollen eine moderne Agrarpolitik, die nicht gängelt, sondern Lösungen forciert und Einkommen steigert."

Home-Office - die Arbeitgeber sagen, wo es langgeht

In Sachen Home-Office und mobiles Arbeiten sollen der FDP zufolge die Arbeitgeber das letzte Wort haben. Zwar sollten diese die Anträge von Beschäftigten auf mobiles Arbeiten und Home-Office prüfen und mit der oder dem Beschäftigten erörtern. Schon so ein Erörterungsanspruch würde den Kulturwandel und die Akzeptanz für mobiles Arbeiten fördern, behaupten die Parteiverantwortlichen. Jedoch könnten betriebliche Belange gegen eine Vereinbarung zur mobilen Arbeit sprechen. Zudem müssten bestehende Vereinbarungen anlassbezogen widerrufen werden können. Nicht so recht will dazu passen, dass die Liberalen gleich im folgenden Absatz ihres Wahlprogramms eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie fordern.

E-Sports will die FDP als Sport anerkennen und entsprechende Angebote fördern. Die Verbindung aus sportlicher Betätigung, technischer Innovation und Digitalisierung eröffne für viele Menschen unterschiedlicher Altersklassen neue Möglichkeiten. Daher soll die Innovationswirkung der Games-Branche genutzt werden, um die Integration und Vernetzung mit dem organisierten Sport zu fördern und die Nutzung möglicher positiver Effekte in den Bereichen Prävention und Gesundheit weiter voranzutreiben.

Grundsätzlich will die FDP Bürgerinnen und Bürger in Deutschland dabei unterstützen, ihre digitalen Kompetenzen und Fertigkeiten auszubauen. So geschult sollen die Menschen Fake News und Desinformation besser erkennen und ausfiltern können. Auch Menschen im Ruhestand sollen sich unbürokratisch weiterbilden können. Alten- oder Seniorenwohnheimen bräuchten Zugang zum schnellen Internet. Um digitale Teilhabe für alle Altersgruppen und eine intuitive Bedienbarkeit für alle Internetnutzenden gleichermaßen zu ermöglichen, will die FDP öffentliche Stellen verpflichten, ihre digitalen Angebote standardmäßig barrierearm und idealerweise barrierefrei anzubieten.