Hasta la vista, Homo sapiens

Zukunft der Arbeit

14.03.2016
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Einziges Produktionsmittel: Kapital

In einem "FAZ"-Artikel weist der Sprecher des Chaos Computer Club (CCC), Frank Rieger, auf einen weiteren bedenkenswerten Aspekt der Veränderungen hin, die sich im Zuge von Digitalisierung, Automatisierung und durch den Einsatz von Robotik und KI ergeben. Rieger schreibt, betrachte man "die Automatisierungseffekte auf gesellschaftlicher Ebene, entsteht ein Bild, das die Grundannahmen der Demokratien in Frage stellt. Das einzig verbleibende relevante Produktionsmittel ist Kapital." Das aber habe Folgen: "Wer in moderne Maschinen und Software investieren kann, streicht im derzeitigen System den Mehrwert aus deren Produktivität ein."

Daraus allerdings ergibt sich, was nicht mehr im Interesse der Kapitalgeber liegen dürfte: "Je weniger Menschen an der Wertschöpfung finanziell beteiligt sind, desto weniger können sie noch die Waren kaufen, welche die Maschinen produzieren."

Wer die Roboter besitzt ...

In der Forrester-Research-Untersuchung "The Future of Jobs 2025: Working side by side with robots" beschwichtigen die Analysten die Warner nur scheinbar, wenn sie schreiben: Automation werde Jobs ersetzen und neue kreieren. Denn dann heißt es: "Zwar wird Automation bis zum Jahr 2025 in den USA zu einem Nettoverlust von 9,1 Millionen Arbeitsplätzen führen, das aber ist bei Weitem nicht so viel wie die 69 Millionen, die einige Experten vorhersehen." Auch Forrester erwartet also von Digitalisierung und Automatisierung massive Arbeitsplatzverluste.

Was Keynes schon wusste

Man muss das alles übringens nicht zwingend negativ sehen, man kann es auch als gesellschaftliche Aufgabe betrachten. Bereits 1930 prognostizierte der Ökonom John Maynard Keynes, dass innerhalb von 100 Jahren Technik und deren Entwicklungen zu einer Arbeitswoche von lediglich 15 Stunden führen werde. Die ganze übrige Zeit könnte der Mensch zu seiner Freizeitgestaltung verwenden. Die Frage ist dann nur, wie dieser Müßiggang finanziert werden kann. Interessanterweise tauchte Anfang 2016 in diesem Zusammenhang ausgerechnet auf dem World Economic Forum in Davos - nicht gerade ein Konvent linksradikaler Umstürzler - wieder die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf.

Ein Vorschlag, den auch Joe Schoendorf in gewisser Weise vertritt. Er wurde als Wagniskapitalgeber im Silicon Valley mit seiner Firma Accel Partners schwerreich - und er plädiert für eine andere Einkommensverteilung. Schoendorf ist der Meinung, dass die digitale Revolution Facebook, Google, Uber und all die anderen Internet-Konzerne reich machen, dabei aber Millionen von Arbeitsplätzen kosten wird. Wenn künstliche Intelligenz, verbaut in Robotern, einen Großteil der menschlichen Arbeiten erledigen wird, sei die Aufspaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer vorhersehbar.

Und was können sie jetzt wirklich?

Beim Blick auf die Einsatzgebiete, die heute schon von KI, Robotern und Computersystemen erledigt werden, wird klar, wie nah die Zukunft an die Gegenwart gerückt ist.

Im chinesischen Harbin etwa werden Gäste in einem Restaurant bereits seit 2013 von fahrenden Robotern bedient. Roboter bereiten auch die Mahlzeiten zu. Das Watson-System von IBM wertet am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York Abertausende von Studien aus, sichtet Röntgenbilder von Krebspatienten und stellt Diagnosen zu Krankheitsbildern. Außerdem schlägt Watson Behandlungsoptionen vor. Auch am Heidelberger Krebsforschungszentrum ist Watson im Einsatz.

Watson versteht zudem Sprache, kann also als Call-Center-Agent genutzt werden - etwa als Anlageberater. Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re setzt Watson zur Schadensbegutachtung und Risikobewertung ein. Die Software bearbeitet auch E-Mails von Kunden, ordnet sie bestimmten Klassen zu (etwa Beschwerdebriefe) - und beantwortet sie teilweise selbst.

Computersysteme schreiben aber auch Pressenachrichten. In den USA beispielsweise nutzen einige der großen Zeitungshäuser für die zahlenorientierte Sportberichterstattung Softwaresysteme, die die Wochenendergebnisse in Kurzberichten verarbeiten. Die in Hamburg ansässige Content Fleet (CF) GmbH schreibt pro Monat bis zu 14.000 Geschichten. Die Software von CF analysiert zudem rund 400 Millionen Artikel, Bilder und Videos in Echtzeit und generiert hieraus Themen, die bislang noch gar nicht in den Fokus von Medienschaffenden geraten sind. Die deutsche Agentur Aexea wiederum hat ebenfalls eine Software entwickelt, die automatisiert Texte erstellen kann. Aexea arbeitet mit Unternehmen wie der Deutschen Telekom oder dem Medienhaus Axel Springer zusammen. Aexeas Chef Saim Alkan wirbt mit dem Spruch "Let us do the writing for you".

An der University von Utah wiederum entwickelten Wissenschaftler einen Algorithmus, der sich Gespräche zwischen Ehepartnern anhört und diese dann auf den Zustand ihrer Beziehung hinweisen kann. Das System stellt etwa fest, ob die Stimmen Emotionen ausdrücken, indem sie flattern oder verweint und brüchig klingen, vielleicht aber auch kräftig und selbstbewusst. In 79 Prozent aller Fälle lag der Computer in seiner Prognose richtig und schnitt damit sogar besser ab als Paartherapeuten.

Auffällig ist übrigens, dass Menschen sich - anders, als man vielleicht erwarten würde - eher einem Computer anvertrauen als einem Menschen. Jonathan Gratch am Institute for Creative Technologies in Los Angeles hat das mit "Ellie" ausprobiert. Ellie arbeitet als "Psychologin", hört Menschen zu, fragt sofort nach, wenn ihr etwas auffällt, bemerkt nervöse Ticks ihres Gesprächspartners. Gratch hat mit Ellie gearbeitet, weil er wissen wollte, wie Menschen auf solch ein nichthumanes Wesen reagieren. Fazit: Menschen, die in Ellie nichts anderes sahen als das, was sie war, offenbarten sich bereitwilliger auch bei sehr persönlichen Themen als gegenüber Menschen.

Das in San Francisco beheimatete Startup Momentum Machines wiederum hat einen Roboter entwickelt, der für den Einsatz in Burgerketten geeignet ist. Er kann Gehacktes zu einem typischen Burger formen, diesen je nach Kundenwunsch grillen (medium oder well-done) und mit weiteren Zutaten wie Tomaten, Zwiebeln etc. belegen.

Die Skype-Gründer Janus Friis und Ahti Heinla haben einen kleinen Roboter auf Rädern entwickelt, der Lebensmittel zum Kunden bringt. Der digitale Tütenträger ist mit GPS-Sensor und Kamera ausgerüstet, schafft rund sieben Kilometer pro Stunde und trägt neun Kilogramm Gewicht. Andere Systeme wurden programmiert, um vorherzusagen, wie Patentrecht-Streitigkeiten vor dem Supreme Court ausgehen könnten. Meist liegen sie mit ihrer Rechtseinschätzung besser als Fachjuristen. Das in New York und San Franzisko beheimatete Startup Kensho hat sich wiederum auf Finanzanalysen spezialisiert. Seine Algorithmen sind in der Lage vorherzusehen, was an der Börse mit Aktien von Tech-Unternehmen passiert, wenn in der Öffentlichkeit massivere Diskussionen wegen Datenschutzproblemen aufkommen.

Google: Champion in Sachen KI

Dass Google längst viel mehr als der Suchmaschinenanbieter ist, zeigen Forschungen des Google X Lab in Mountain View. Hier sollen Nanopartikel entwickelt werden, die in den Blutkreislauf eingespeist werden, wo sie sich auf die Suche nach Molekülen und Proteinen begeben oder nach verdächtigen Zellen Ausschau halten. Informationen darüber werden dann an intelligente Armbänder und ähnliche Geräte gesendet. So will Google ein medizinisches Frühwarnsystem entwickeln.

Googles selbstlernende DeepMind-Software, Googles mittlerweile erstaunlich gut funktionierendes "Voice"-System, Googles selbstfahrendes Auto, die laufenden "BigDog"-Roboter der Konzerntochter Bos-ton Dynamics - all diese Beispiele zeigen, wie wichtig dem Unternehmen das Thema künstliche Intelligenz mittlerweile ist. Vor allem aber zeigen sie, dass die automatisierte Zukunft längst begonnen hat.