Laut aktuellem OECD-Bericht weist Deutschland zwar ein Zuwanderungssaldo auf, gehört also zu den Gewinnern in Sachen Zuwanderung. Allerdings steckt das Recruiting von Experten aus aller Welt im Vergleich zu Ländern wie Kanada, Australien oder Norwegen hierzulande noch in den Kinderschuhen. Das geht aus zwei Untersuchungen des Personaldienstleisters ManpowerGroup hervor. Demnach gilt Deutschland schon jetzt bei zahlreichen internationalen Arbeitgebern als eine Talentquelle, die es sich anzuzapfen lohnt. Besonders auf technisch versierte Fachkräfte haben es Unternehmen weltweit abgesehen.
"Für Deutschland, das jetzt schon über einen Mangel an MINT-Fachkräften klagt, kann diese Entwicklung fatale Folgen haben", warnt Thomas Schonscheck, Recruiting-Experte der ManpowerGroup Deutschland und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Personalvermittlung. Während das Arbeiten im Ausland es für deutsche Fachkräfte zunehmend leichter und attraktiver werde, liege die Messlatte für Experten aus anderen Ländern hier nach wie vor hoch. Dazu Schonscheck: "Die Ansprüche an die Bewerber steigen an, ohne dass die Arbeitgeber im Gegenzug ihre Integrations- und Schulungsmaßnahmen ausbauen - sofern sie überhaupt welche etabliert haben." Die Folge: Im vergangenen Jahr beschäftigte laut der ManpowerGroup-Untersuchung "The Borderless Workforce 2011" nur jedes fünfte deutsche Unternehmen Personal aus dem Ausland und rangiert damit im EU-Vergleich nur im Mittelfeld. Ländern wie Norwegen oder Österreich gelängen die grenzübergreifende Personalsuche sowie die Eingliederung der Fachkräfte deutlich besser. Dies zeige zusätzlich, dass die im OECD-Bericht abgebildete Zuwanderung vor allem konjunkturell bedingt ist.
- Wer sind die Traumarbeitgeber der europäischen IT-Studenten?
Das Personalmarketing-Institut Trandence befragte 340.000 Studenten von 950 Hochschulen in 24 Ländern. - Auf Platz 2 ist Apple geklettert.
Dank cooler Produkte ist der US-amerikanische IT-Hersteller nicht nur beim IT- und Ingenieursnachwuchs, sondern auch unter den Wirtschaftswissenschaftlern sehr beliebt. - Platz 4: Volkswagen
Die Volkswagen-Gruppe wurde 2012 besonders häufig als Traumarbeitgeber genannt und machte zwei Plätze im Vergleich zu 2011 gut. - Platz 5: BMW
Der bayerische Autobauer überzeugt auch in diesem Jahr IT-Studenten in ganz Europa. Zum zweiten Mal hintereinander auf Platz fünf. - Platz 7: Siemens
Siemens-Chef Peter Löscher kann mit einem erneuten siebten Platz zufrieden sein. - Platz 8: EADS
Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS ( im Bild der Airbus A350) behauptet sich unter den Top Ten. - Platz 9: Intel
Der Us-amerikanische Chip-Hersteller Intel hatte auch 2011 schon den neunten Rang belegt. - Platz 10: GlaxoSmithKline
Neu unter den Top Ten des eurpoäischen IT-Nachwuchses ist GlaxoSmithKline, mit 100.000 Mitarbeitern der sechstgrößte Pharmakonzern der Welt. - Platz 11: Porsche
Die VW-Tochter machte im Vergleich zu 2011 vier Plätze wett. - Platz 12: Bosch
Der weltweit größte Automobilzulieferer, der in mehr als 50 Ländern an knapp 260 Standorten 303.000 Mitarbeiter beschäftigt, wird auch beim IT- und Ingenieursnachwuchs beliebter. Er verbesserte sich um fünf Plätze. - Platz 13: Bayer
Um drei Ränge verbesserte sich der Pharma- und Chemiekonzern Bayer. - Platz 14: Daimler
2011 war der schwäbische Autobauer noch auf Platz zehn zu finden.
Mangelhaftes Deutsch als größte Hürde
Die Anstellung ausländischer Mitarbeiter in Deutschland scheitert in der Regel an den nicht ausreichenden Deutschkenntnissen der Bewerber. Mehr als jedes vierte befragte Unternehmen sieht im fehlenden sprachlichen Know-how die größte Hürde, um Positionen mit Fachkräften aus dem Ausland zu besetzen. Im EU-Durchschnitt scheitert die grenzüberschreitende Rekrutierung nur bei 16 Prozent der Unternehmen an Sprachbarrieren. "Hiesige Firmen stufen bereits bei der Einstellung perfekte Deutschkenntnisse genauso hoch ein wie das fachliche Wissen", erklärt Vera Calasan, Vorsitzende der Geschäftsführung der Manpower Group Deutschland. Deshalb scheiterten schätzungsweise 80 Prozent der grenzüberschreitenden Anwerbeversuche deutscher Unternehmen.
EU-Vorreiter bei der Einstellung ausländischer Talente sind Norwegen und Italien. Dort setzt mehr als jeder dritte Arbeitgeber auf die Talentsuche im Ausland. Der Fokus beim Rekrutieren liegt in diesen Ländern auf dem Potenzial der Bewerber. Sie müssen anfangs nicht hundertprozentig in das Jobprofil passen, wenn sie die nötigen Soft Skills mitbringen sowie den Ehrgeiz, bestehende sprachliche und fachliche Lücken schnell zu schließen. "Ob Rekrutierung im In- oder Ausland - deutsche Arbeitgeber sind gefordert, gezielt Bewerber anzusprechen, die mit absehbarem Aufwand geschult werden können", fordert ManpowerGroup-Chefin Calasan. "Wer auf den hundertprozentig passenden Kandidaten wartet, wird die Talentlücke in seinem Unternehmen nie schließen können."
Eingestellt - allein gelassen
Erfolgskritisch ist außerdem, den ausländischen Fachkräften und ihren Familien ein angemessenes Integrationsprogramm zu bieten - was bisher in Deutschland eher die Ausnahme ist. "Nicht selten glauben die Unternehmen, dass der deutsche Staat den Neuankömmlingen schon bei den anstehenden Behördengängen hilft. Und an Unterstützung beim Aufbau sozialer Kontakte denkt hierzulande so mancher Personalchef auch nicht", weiß Schonscheck.
-
Mehr zum Thema: IT-Arbeitsmarkt: Barrieren für ausländische Experten