Contact Center as a Service

Zoom will Five9 kaufen

19.07.2021
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Zoom baut das Portfolio rund um seine Videokonferenzlösungen aus. Mit den Contact-Center-as-a-Service-Lösungen von Five9 will der Anbieter vor allem bei Enterprise-Kunden punkten.
Zoom investiert Milliarden in Zukäufe und den Ausbau seines Portfolios.
Zoom investiert Milliarden in Zukäufe und den Ausbau seines Portfolios.
Foto: Sundry Photography - shutterstock.com

Der Video-Konferenzanbieter Zoom will für 14,7 Milliarden Dollar Five9 übernehmen. Das Übernahmeobjekt entwickelt und vermarktet Cloud-Lösungen für Contact Center as a Service (CCaaS). Dabei handelt es sich um eine Suite verschiedener Applikationen, mit deren Hilfe Unternehmen Kontakte und Interaktionen mit ihren Kunden über verschiedene Kanäle organisieren und abwickeln können. Zoom will die Five9-Software in das eigene Kommunikationsportfolio integrieren und damit seinen Kunden eine neue Plattform für deren Kundenbindungsaktivitäten bieten.

Five9 soll laut Hersteller das Zoom-eigene Cloud-Telefonieangebot ergänzen. Auf diesem Geschäftsfeld baut sich der Kommunikationsspezialist seit einiger Zeit ein zweites Standbein neben dem Bereich Videokonferenzen auf. Die Zoom-Verantwortlichen wollen mit der Akquisition ihr Standing im Geschäft mit Enterprise-Kunden stärken. Sie schätzen das weltweite Volumen für Contact-Center-Lösungen mittelfristig auf etwa 24 Milliarden Dollar jährlich.

Zoom baut seine Plattform weiter aus

"Wir sind ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, unsere Plattform auszubauen", sagte Eric S. Yuan, Chief Executive Officer (CEO) und Gründer von Zoom. Unternehmen kommunizierten mit ihren Kunden in erster Linie über das Contact Center. "Wir glauben, dass wir mit dieser Akquisition eine führende Customer-Engagement-Plattform schaffen können, die dazu beitragen wird, die Art und Weise, wie Unternehmen mit ihren Kunden in Kontakt treten, neu zu definieren."

Viele Unternehmen würden Jahr für Jahr viel Geld für ihre Contact Center ausgeben, ohne ihnen dabei aber eine nahtlose Customer Experience bieten zu können, konstatierte Rowan Trollope, CEO von Five9. "Es war schon immer die Mission von Five9, Unternehmen einfacher und effizienter mit ihren Kunden interagieren zu lassen." Durch den Zusammenschluss mit Zoom erhielten die Five9-Kunden Zugang zu Best-of-Breed-Lösungen wie zum Beispiel Zoom Phone.

Zoom erlebte im vergangenen Jahr einen beispielslosen Boom. Das Unternehmen wurde 2011 gegründet und wagte im April 2019 den Gang aufs Börsenparkett. Im Zuge der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Ausweitung von Home-Office in vielen Unternehmen explodierten die Nutzerzahlen. Im April vergangenen Jahres sprach der Anbieter von 300 Millionen Teilnehmern täglich, die Zooms Videokonferenz-Tools nutzten.

Zoom profitiert von Coronakrise

Das machte sich auch in den Bilanzen bemerkbar. Im Geschäftsjahr 2021, das Ende Januar abgeschlossen worden war, verbuchte Zoom Einnahmen in Höhe von rund 2,65 Milliarden Dollar. Das war mehr als drei Mal so viel wie im vorangegangenen Fiskaljahr. Der Gewinn belief sich auf rund 670 Millionen Dollar. Im Geschäftsjahr 2020 hatte das Unternehmen knapp 22 Millionen Dollar verdient. Für das laufende Geschäftsjahr rechnen die Zoom-Verantwortlichen mit Einnahmen in Höhe von fast 3,8 Milliarden Dollar.

Aktuell pendelt der Aktienkurs von Zoom um etwa 360 Dollar. Die Marktkapitalisierung beträgt rund 107 Milliarden Dollar. Seinen Höhepunkt hatte der Anbieter im Oktober 2020 erreicht - mit einem Kurs von fast 560 Dollar und einem Marktwert jenseits der 140-Milliarden-Dollar-Grenze. Mit den ersten Erfolgen im Kampf gegen die Pandemie und den daraus resultierenden Ankündigungen, die Einschränkungen im Leben und Arbeiten der Menschen wieder zu lockern, erhielt die Entwicklung von Zoom einen kleinen Dämpfer.

Ganz so steil verlief die Wachstumskurve von Five9 nicht. Im Geschäftsjahr 2020 verbuchte der CCaaS-Anbieter einen Umsatz von knapp 435 Millionen Dollar, rund ein Drittel mehr als im Vorjahr. Das Unternehmen wirtschaftete defizitär: Das Minus erhöhte sich im Jahresvergleich von 4,6 auf 42,1 Millionen Dollar.

Zoom will den Zukauf komplett in eigenen Aktien bezahlen. Nach Abschluss der Transaktion soll Five9 eine operative Einheit von Zoom bilden. Five9-Chef Trollope wird nach den bisher bekannten Plänen President von Zoom, außerdem bleibt er CEO von Five9 und berichtet an Zoom-Chef Yuan. Die Aufsichtsräte beider Unternehmen haben der Transaktion bereits zugestimmt. Das Board von Five9 empfiehlt den eigenen Aktionären, dem Verkauf zuzustimmen und den Fusionsvertrag anzunehmen. Der Deal soll voraussichtlich in der ersten Hälfte 2022 abgeschlossen werden, sofern die Five9-Aktionäre das Angebot annehmen und die Aufsichtsbehörden die Übernahme genehmigen.