Ratgeber

Worüber Unternehmen beim Wechsel in die Cloud stolpern

01.06.2018
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Prozesse und Daten - kleine Überraschungen beim Wechsel in die Cloud

Wie sich eine Cloud-Migration auf ganze Prozessketten und das Daten-Handling auswirken kann, erfuhr der amerikanische Textilhersteller John Matouk & Co. Nach dem Umstieg von klassischen ERP- und Produktionssteuerungssystemen auf Cloud-Anwendungen wie Salesforce.com wurde schnell deutlich, dass einige gewohnte Funktionen, beispielsweise der simple Ausdruck eines Fedex-Versandetiketts, nicht mehr verfügbar waren. "Viele Features, die für uns im alten System selbstverständlich waren, gab es in dieser Form nicht mehr", berichtet Stuart Kiely, Vice President Digital Strategy bei dem 90 Jahre alten Traditionsunternehmen. "Am Ende waren wir gezwungen, den kompletten Versand- und Verpackungsprozess neu zu gestalten."

Unerwartet entwickelten sich auch die Kosten für das Handling von Transaktionsdaten. Schon im ersten Monat nach dem Cloud-Umstieg überstiegen sie die budgetierten Werte. John Matouk & Co. generiere große Mengen an kundenbezogenen Daten, so Kiely, darunter Verträge, Aufträge, Leads und vieles mehr. Jede kleine Änderung etwa im Lagerbestand verursache in der Cloud eine kostenpflichtige Transaktion. Solche Kleinigkeiten summierten sich und riefen die Finanzabteilung auf den Plan. Mittlerweile ist Kielys Team dabei, einige Systeme wieder ins Unternehmen zurückzuholen. Auch das erfordere eine minutiöse Planung, berichtet er. Einfach einen Datensatz in der Cloud zu löschen, sei aufgrund der vielen Abhängigkeiten der beteiligten Systeme eine heikle Angelegenheit. Unterm Strich steige auf diese Weise die Datenmenge immer weiter an.

Organisation, Workflows und Lizenzierung

Nicht selten passen auch die Organisationsstrukturen nicht zur Cloud-Strategie. "Wir haben einige Pilotgruppen, die uns auf dem Weg in die Cloud helfen," berichtet Pacific-Life-Manager Vigil. Der größte Teil der Organisation aber bestehe aus strikt getrennten Einheiten, die jeweils unabhängig voneinander arbeiteten: "Es ist ähnlich wie bei Henry Fords erstem Fleißband. Wir arbeiten daran, das aufzubrechen und cross-funktionale Teams zu schaffen, die sich um das Bereitstellen und Pflegen von Anwendungen kümmern."

Überraschend sei für die IT gewesen, welche Komplexität der Schritt in die Amazon-Cloud bringe. Gerade weil das Cloud-Portfolio so viele neue Möglichkeiten biete, sei es unabdingbar, Prozesse zur Kontrolle und Visualisierung einzuziehen. So nutze Pacific Life inzwischen etwa ein spezielles Network Security-Tool, das der internen IT einen besseren Überblick über die Workloads in der AWS-Cloud gebe und auf Störungen hinweise.

Eine weitere Herausforderung war es für den Versicherer herauszufinden, ob bestehende Enterprise-Lizenzverträge überhaupt noch gelten. "Für unsere Vertragsspezialisten war es extrem aufwändig zu prüfen, welche Lizenzen nur für einen On-Premise-Betrieb gelten und in welchen Fällen wir neue Lizenzen erwerben müssen." Besonders komplex habe sich diese Aufgabe bei den genutzten Microsoft-Systemen gestaltet.

Cloud Migration - die Veränderung beginnt in den Köpfen

Last, but not least funktioniert eine Cloud-Strategie nur, wenn sich die Mitarbeiter darauf einlassen. Viele IT-Kollegen fürchteten einen Kontrollverlust, berichtet Cloud-Manager Salari von Pacific Life. "Sie konnten sich schlicht nicht vorstellen, wie die neue Cloud-Umgebung aussehen wird." Der meiste Widerstand sei von denjenigen gekommen, die die AWS-Konsole noch nie gesehen hätten. In diesem Fall habe man auf Weiterbildung und den Einsatz von Drittanbieter-Tools gesetzt. Vigil: "Nachdem wir ihnen erstmal die Konsole und den Umgang mit den Verwaltungs-Tools gezeigt hatten, konnten wir viele Ängste abbauen". Die betroffenen Kollegen seien heute zwar immer noch keine echten Cloud-Fans, aber auch keine Widerständler mehr.

Mit Material von IDG News Service