Geht es um den Arbeitsplatz der Zukunft, kommt man um Immanuel Kant nur schwer herum: "Wenn wir die Ziele wollen, wollen wir auch die Mittel", soll der Philosoph einmal gesagt haben - bezogen auf die Neuzeit und die unternehmerischen Ziele wollen Mitarbeiter eine funktionierende IT-Ausstattung, mit der sich alle Aufgaben möglichst reibungslos erledigen lassen. So flexibel wie nötig und so effizient wie möglich, vom Heim über das Office bis zum Büro beim Kunden oder im Großraumabteil der Bahn. Und ein bisschen Statusgefühl wäre auch nicht schlecht.
Angesichts der vielen Facetten des Themas wie Security, Individualisierung, Standardisierung, Refresh-Zyklen, Kosten, Arbeitsformen, Kultur, Business-Anforderungen, ByoD, Rollen und Consumer-IT stehen vielen Firmen vor dem Dilemma, ein diffuses Phänomen greifen zu müssen. Kein Wunder, dass dies ein bisschen dauern kann: "Die Forscher des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) entwickeln derzeit im Rahmen des Projektes 'Office 21' einen Arbeitsplatz, der den sich wandelnden Anforderungen entspricht", schrieb die COMPUTERWOCHE im Herbst 2006. Und vor zehn Jahren prognostizierte Gartner: "Die IT hat viele Business-Prozesse automatisiert. Künftig geht es in Unternehmen aber nicht mehr in erster Linie um Automatisierung, sondern um die Unterstützung von Prozessen, die sich nicht automatisieren lassen."
Ein Thema, viele Dilemmata: Zuhause unterwegs, mobil angebunden, flexibel standardisiert, kosteneffizienter Status, modern und erprobt. "Es ist eine umfassende Aufgabe, Mitarbeitern alle benötigten Applikationen und Services an einem zentralen Ort in Form eines Workspace bereitzustellen", beschreibt Claus Fieber-Held die Herausforderung, Vice President beim Software-Unternehmen ASG Technologies. Hierbei gelte es, eine gute Balance zwischen Personalisierung und Standardisierung zu finden. "Da es immer komplizierter wird, IT-Systeme zu verwalten, liegt die Lösung in einem modernen IT-Arbeitsplatz inklusive kontrolliertem Self-Service-Bereich, der den Mitarbeitern Anwendungen und Dienste nach Bedarf bereitstellt."
Für Constantin Klein, Team Lead Microsoft Consulting beim Dienstleister Freudenberg IT, ist der Arbeitsplatz der Zukunft von vier zentralen Zutaten geprägt: Technologie, Strategie, Anpassung der Unternehmenskultur sowie Veränderung der Rolle der klassischen Unternehmens-IT. "Das macht es nicht einfach, und eine Initiative verspricht nur mit entsprechender Vision und Unterstützung der Unternehmensleitung auch Erfolg."
Dann sei es Aufgabe der internen IT, dieses Ziel unter Einbeziehung des Feedbacks aus den Fachbereichen umzusetzen. Seiner Einschätzung nach profitierten an erster Stelle die Mitarbeiter und die Fachbereiche von der Entwicklung: "Entlang individueller Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter wird insbesondere der effizientere Austausch und die Zusammenarbeit in flexiblen Teams gefördert", so Klein.
Ähnlich urteilt Tim Mois, Geschäftsführer des Cloud-Telefonie-Anbieters Sipgate. "Nicht mehr an einen bestimmten Standort gebunden zu sein und die Arbeit durch moderne Techniken flexibel seinem Leben anzupassen - das war in der Form bisher nicht möglich, eröffnet viele Chancen für moderne Beschäftigungskonzepte und macht Unternehmen so zu attraktiven Arbeitgebern." Dies alles muss nicht zwangsläufig als zusätzlicher Aufwand in der IT auflaufen, denn auch Mois propagiert den Self-Service: "Im Idealfall übernimmt jeder Mitarbeiter einen Teil der Verantwortung, die besten Tools und Produkte zu finden, die ihren Arbeitsplatz zum Arbeitsplatz der Zukunft machen - egal, aus welchem Bereich sie kommen."
Wie ASG-Manager Fieber-Held erläutert, nutzen Unternehmen heute oft einen hybriden Ansatz, um IT-Teams, Geschäftsbereiche und einzelne Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, die Technologie nach ihren Bedürfnissen anzupassen und zu steuern. "Dabei hat die IT die übergreifende Kontrolle inne." Je nach Funktion des Mitarbeiters innerhalb der Firma lassen sich Plattformen mit eigenem Branding, Content, relevanten Services und Daten anpassen und freischalten. "Mittlerweile personalisieren Endanwender Applikationen und Dienste durch Self-Services und gestalten sich so ein wirklich individuelles Benutzererlebnis." Mit einer zentralen Lösung könnten Mitarbeiter via Single Sign-on (SSO) auf alle Arten von Services zugreifen. "So bieten Unternehmen eine kontrollierte Flexibilität und lösen den Widerspruch zwischen Standardisierung und Personalisierung auf."
"Vom Arbeitsplatz der Zukunft profitieren vor allem die Mitarbeiter und die Unternehmen als Ganze", sagt Marco Meier, Vertriebsleiter der Firma BroadSoft, die Lösungen in den Bereichen Unified Communications und Collaboration anbietet. Digitale Zusammenarbeit fördere den Wissensaustausch und die Innovationskraft in Unternehmen, Arbeitnehmer könnten dank mobiler Arbeit Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen. Gleichzeitig ließen sich Projekte schneller abwickeln und somit effizienter durchführen. "Um dieses Potenzial auszuschöpfen", so Meier, "müssen Unternehmen das technologische Fundament schaffen."
Wobei auch ihm klar ist, dass die großen Veränderungen bei den Mitarbeitern stattfinden - schließlich ist nicht jeder ein Digital Native. "Die Menschen sollten auf jeden Fall möglichst früh in den Veränderungsprozess eingebunden werden - dann nehmen sie Neuerungen mit mehr Offenheit an und erkennen die Vorteile neuer Technologien." Auch wenn aktuelle Collaboration-Tools intuitiv zu bedienen sind, sollten Unternehmen Schulungen anbieten, fordert BroadSoft-Manager Meier. "Dies baut mögliche Berührungsängste ab und erhöht die Bereitschaft für Veränderungen." Und schließlich gehe es darum, die neuen Werkzeuge wie Cloud-Lösungen, mobile Technologien, File-Sharing-Tools oder Messaging-Dienste auch anzuwenden, um besser zusammenzuarbeiten, Abläufe zu optimieren, die Produktivität zu erhöhen und Kosten zu senken.
Auf die Akzeptanz der Endanwender zielt ebenfalls ASG-Manager Fieber-Held: "Unabdingbar dafür ist es, den Mitarbeiter als Kunden zu begreifen." Da sich der Arbeitsplatz und die Bedürfnisse weiterentwickeln, rücken die Mitarbeiter immer stärker ins Epizentrum. Um ihre Produktivität, das Engagement und die Flexibilität zu gewährleisten, würden sie immer häufiger in den Prozess zum Arbeitsplatz der Zukunft mit einbezogen. "Es wird zunehmend wichtiger, Menschen mit den benötigten Informationen und passenden Werkzeugen zu versorgen - und das in Echtzeit, um schnell fundierte Entscheidungen treffen zu können."
Auch Constantin Klein, Team Lead Microsoft Consulting beim Provider Freudenberg IT, wirbt für die Einbeziehung der Mitarbeiter: "Dies kann im Rahmen von Workshops oder durch Auswahl von Testgruppen und 'Early Adopters' geschehen." Hier sei das Ziel, möglichst frühzeitig wertvolles Feedback zu gewinnen, um dieses in die Umsetzung einfließen lassen zu können. Für Sipgate-Geschäftsführer Mois gilt bei der Einbindung das Motto "so früh und intensiv wie nur möglich - schließlich wissen Mitarbeiter selbst oft am besten, wo es hakt und wo es Optimierungspotential gibt". Diejenigen auszuklammern, die letztlich mit den Neuerungen arbeiten, könne schwerwiegende Folgen haben. "Miteinander zu reden und den Prozess so transparent wie möglich zu gestalten, ist an dieser Stelle essenziell."
Der Arbeitsplatz der Zukunft ist kein technisches Ziel, sondern ein Weg in ein neues Paradigma der Flexibilität und Mobilität. Daher lässt sich eine Lösung auch nicht im Handstreich erzielen. Wer auf seine Mitarbeiter hört, ist in jedem Fall ein großes Stück vorangekommen. Diese sollten es mit Immanuel Kant halten: "Der Ziellose erleidet sein Schicksal - der Zielbewusste gestaltet es."
Paneldiskussion auf der "Zukunft Personal"
IDG hat im Sommer 2017 eine umfassende Studie zum Arbeitsplatz der Zukunft durchgeführt. Deren Ergebnisse werden im Rahmen einer Paneldiskussion auf der "Zukunft Personal" im September in Köln präsentiert. Sie finden uns im
Trendforum Digital Culture
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Mittwoch, 20. September 2017, von 16.30 - 17.30 Uhr