Erfolgsfaktoren für Cloud-native im Unternehmen

Wolke braucht grüne Wiese

23.12.2019
Von 
Florian Stocker ist Inhaber der Kommunikationsagentur "Medienstürmer".
Für Unternehmen ist es reizvoll, ihre Anwendungen nur noch für die Cloud zu entwickeln. Oft wird dabei jedoch vergessen, dass ein Cloud-native-Ansatz auch nach einer vollständigen Veränderung der eigenen Organisation verlangt. Experten empfehlen, hier komplett neue Strukturen aufzubauen, um die nötige Dynamik zu erreichen.
Die Entscheidung für Cloud-native wird langfristig für jedes Unternehmen zum Thema. Trotzdem sollten keine vorschnellen Entscheidungen getroffen werden.
Die Entscheidung für Cloud-native wird langfristig für jedes Unternehmen zum Thema. Trotzdem sollten keine vorschnellen Entscheidungen getroffen werden.
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IT ist wichtiger denn je - internes IT-Know-how ist unwichtiger denn je. Dieses Paradox taugt durchaus als - überspitzte - Zusammenfassung der Diskussion, die in deutschen Unternehmen und unter IT-Dienstleistern geführt wird, wenn das Thema Cloud-native zur Sprache kommt. Warum noch hohe Investitionen in eigene IT-Infrastrukturen stecken, wenn externe PaaS-Lösungen viel komfortabler und flexibler zu haben sind? Allein die Möglichkeiten des Softwaremarktes sorgen so für einen Preiswettbewerbs- und letztlich Veränderungsdruck, dem sich Unternehmen nur schwer entziehen können.

Beim Computerwoche-Round-Table diskutierten die Experten darüber, welche Veränderungen Unternehmen für einen Cloud-native-Ansatz anstoßen müssen - und wie sie anschließend davon profitieren.
Beim Computerwoche-Round-Table diskutierten die Experten darüber, welche Veränderungen Unternehmen für einen Cloud-native-Ansatz anstoßen müssen - und wie sie anschließend davon profitieren.
Foto: Michaela Handrek-Rehle

Die Fähigkeit zur schnellen Anpassung ist in der Digitalisierung einer der wichtigsten Faktoren für die Steigerung von Wachstum und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Technologien wie Container oder Kubernetes ermöglichen ein hohes Maß an Automatisierung, Flexibilität und Skalierbarkeit, um Anwendungen in hoher Frequenz und mit immer kürzerer Time-to-Market bereitzustellen. Release-Zyklen, die bisher gerne mal ein Vierteljahr dauerten, umfassen in der entsprechenden Infrastruktur nicht mal mehr einen Tag.

Informationen zu den Partner-Paketen der Cloud-native Studie

Diese Dynamik weckt Begehrlichkeiten: Die Unternehmensführung will an den Chancen des Softwaremarktes partizipieren. Darüber hinaus steigt der externe Druck: Wer seine IT nicht modernisiert und zumindest Teile seiner Infrastruktur in die Cloud bringt, dem drohen je nach Branche teils gravierende Wettbewerbsnachteile.

Der Druck auf Unternehmen steigt

Heinz Bruhn, Director Solutions Cloud & Managed Services bei Rackspace, verortet die Branche kurz vor der Aufbruchsstimmung, wie er im Rahmen der IDG-Round-Table-Diskussion zum Thema "Cloud-native" betont: "Cloud-native bedeutet mehr Freiheit, die gleichzeitig mit gestiegenen Ängsten bei den Unternehmen einhergeht - auf prozessualer, auf technologischer und nicht zuletzt auf organisatorischer Ebene. Um diese zu adressieren, braucht es die Bereitschaft der Geschäftsführung, auf jeder dieser Ebenen die notwendigen Veränderungen anzustoßen. Wir merken, dass hier langsam die nötigen Schritte ergriffen werden, auch weil vonseiten des Marktes der Druck weiter steigt: Unternehmen stehen letztendlich vor der Wahl: Entweder ich springe auf den aktuellen Technologietrend Cloud-native auf, oder ich bin raus!"

Aufspringen wollen recht viele, wie auch die anderen Diskussionsteilnehmer des Round Table immer wieder feststellten, doch es fehle an der nötigen Konsequenz. Berüchtigt ist vor allem der Typus CEO, der Sätze wie "Wir machen jetzt Cloud" formuliert und per Dekret zur Migration der gesamten bestehenden Architektur auffordert. Diese "Lift and Shift"-Mentalität sehen viele in der Round-Table-Diskussion als erstes Vorzeichen eines Scheiterns. Viel zu unterschiedlich seien die Fragestellungen, Arbeitsabläufe und sogar Kulturen in der Cloud im Vergleich zu traditionellen Umgebungen.

Für Matthias Kranz von Red Hat ist es daher wichtig, schon früh die Sinnfrage zu stellen: "In der Diskussion mit Kunden treten wir häufig ganz bewusst einen Schritt zurück und fragen: Warum soll es überhaupt die Cloud sein? Auf der Basis dieser Frage gilt es dann, eine klare Strategie zu formulieren und nicht einfach ,Lift and Shift' zu betreiben. Das gilt auch und vor allem für die kulturelle Ebene: Gerade in großen Unternehmen führt eine allzu schnelle Migration zu Unsicherheit und auch zu Widerstand. Erst wenn der Nutzen klar wird, verschwinden die Ängste."

Die Verlagerung geschäftskritischer Prozesse in die Cloud muss zwingend mit einem gewissen kulturellen Wandel einhergehen, der der Entwicklung (und dem Betrieb) die nötige Autonomie und Produktivität ermöglicht.

Mehr Unabhängigkeit für den Entwickler

Dass Technologie zwar durchaus positive Anstöße liefern kann, die tatsächliche Transformation aber auf organisatorischer Ebene stattfinden muss. zeigt etwa das Beispiel Kubernetes: Die deklarative, API-gesteuerte Infrastruktur von Kubernetes schafft eine bisher nie da gewesene Unabhängigkeit für Entwicklerteams, unabhängig zu arbeiten und sich auf ihre Geschäftsziele zu konzentrieren. Diese neue Dynamik und Flexibilität wirkt sich wiederum auf andere Abteilungen aus. Ein positiver Erfolgszyklus entsteht, der - wenn die richtigen organisatorischen Voraussetzungen bestehen - im Idealfall das gesamte Unternehmen erfasst.

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"In einer Cloud-native-Umgebung muss sich die Unternehmenskultur vollständig ändern. Die Art und Weise, wie dort Probleme gelöst werden, unterscheidet sich komplett von ,traditionellen' Herangehensweisen und ist viel weniger technologisch. Technologie kann ein Teil der Lösung sein, aber niemals DIE Lösung selbst", betont Robin Parr, Geschäftsführer des Entwicklungshauses Neos IT.

Wie weitreichend diese Änderung sein muss, weiß er aus eigenen Projekten: "Alle Erfolgsprojekte aus diesem Bereich hätten wir niemals innerhalb einer bestehenden Organisation beziehungsweise in einer Konzernstruktur umsetzen können. Es musste immer ein ,echter' Greenfield-Ansatz sein, da Innovationen sonst niemals in der nötigen Geschwindigkeit erreicht werden können."

Cloud-native braucht DevOps

Cloud-native-Technologien wie Kubernetes, Microservices oder Serverless-Funktionen werden vor allem wegen ihres Multi-Cloud-Charakters über automatisierte CI-/CD-Pipelines verwaltet. Das bedeutet: Wer Cloud-native haben will, braucht DevOps. Erst das Zusammenwachsen von Entwicklung und Betrieb schafft die Dynamik, die nötig ist, um die technologischen Möglichkeiten überhaupt zu nutzen.

Während DevOps nicht zwingend eine Cloud-native-Umgebung braucht, ist dies also umgekehrt sehr wohl der Fall. Für Robin Parr verhält es sich sogar so, dass Cloud-native einen direkten Einfluss darauf ausübt, wie DevOps konkret im Unternehmen gelebt wird: "Während Entwicklung und Betrieb in traditionellen Umgebungen möglichst nah zusammenwachsen, existiert diese Trennung bei Cloud-native schon gar nicht mehr: ,Dev' und ,Ops' sind dort ein und dieselbe Person."

Am Ende der Round-Table-Diskussion blieb festzuhalten: Die Entscheidung für Cloud-native wird langfristig für jedes Unternehmen zum Thema. Trotzdem sollten keine vorschnellen Entscheidungen getroffen werden. CEOs sollten sich bewusst sein, dass sie ihre Organisation fundamental umbauen und eine komplett neue Kultur implementieren müssen - erst auf der grünen Wiese, dann im gesamten Unternehmen. (mb)