Viele Städte ächzen unter der Last langer Staus sowie gesundheits- und klimaschädlichen Abgasen. Ein effizienter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) mit Bussen und Bahnen gilt als ideale Lösung des Problems. Doch seit der Corona-Pandemie meiden viele aus Angst vor Ansteckung öffentliche Verkehrsmittel. Verkehrsbetriebe stecken deshalb in der Zwickmühle: wie sollen sie es schaffen, wieder mehr Menschen von ihrem Angebot zu überzeugen und die Klimaziele erreichen?
Ein Hackathon machte den Anfang
Die Stadtwerke Gießen (SWG) setzen auf KI, um ihre Busse zügiger durch die Stadt zu lotsen und ihre Fahrgäste auf mögliche Wartezeiten hinzuweisen. Während eines Hackathons im März 2019 visualisierten Entwickler die Stauzeiten der Gießener Busse und legten den Grundstein für das Projekt, das im September desselben Jahres startete. Thomas Rössler, Leiter Informationstechnologien der SWG, gelang es damit, das Thema KI im Unternehmen zu etablieren. Gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Brodtmann Consulting aus Köln entwickelte ein bereichsübergreifendes Projektteam Vectura Analytics.
Die Software ist einfach zu bedienen. Grüne, gelbe und rote Quadrate zeigen für jede Uhrzeit und Haltestelle an, wie voll die Busse wahrscheinlich sein werden. Seit Juni nutzen die Planer das Tool, um die Busflotte möglichst ohne Stau durch die Stadt zu lotsen. Auch die Fahrgäste können sich bald per App über die Auslastung informieren. Für die Analyse wurden rund 10,3 Millionen Datensätze verarbeitet, die seit Dezember 2018 während mehr als 475.000 Fahrten gesammelt wurden. Rössler und sein Projektteam wollen zukünftig mit noch mehr Daten die Prognosen in Echtzeit verbessern.
Projektbudget: rund 600.000 Euro |
Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit
Entscheidend für das Gelingen war für Thomas Rössler der direkte Draht zum Vorstand und das offene Klima im Unternehmen. "Der CIO ist nur Trendscout. Innovative IT-Lösungen entstehen aus einer bereichsübergreifenden Zusammenarbeit." Ein CIO ohne ein hochmotiviertes Projektteam könne wenig bewirken, so Rössler. Seine Aufgabe sei es, eine Umgebung für Innovationen zu schaffen und die richtigen Leute zusammenzubringen. Dazu zählt beispielsweise auch eine Schatten-IT mit definierten Leitplanken, denn das eröffnet IT-affinen Anwendern Spielräume. "So entstehen Lösungen, die gemeinsam weiterentwickelt werden, um Gießen bis 2035 klimaneutral zu machen", hofft der 54-Jährige.
Lessons Learned
|
Mit dem erfolgreichen Projekt öffnete Rössler KI und Big Data die Türen im Unternehmen. "Dieses Leuchtturm-Projekt hat einen Aha-Effekt ausgelöst, einige Mauern eingerissen und chronische Skeptiker überzeugt", freut sich Rössler. Die Software hat Potenzial für andere Städte, die ähnliche Fragen umtreiben. Der benachbarte Rhein-Main-Verkehrsbund ist bereits als Partner mit an Bord. (kf/rs)
Das sagt die Jury:
"Insgesamt eine innovative Organisation mit vielen Facetten und moderner IT-Arbeit" |