eco-Verband zuversichtlich

Wird Gaia-X doch noch ein Erfolg?

08.03.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Grundsätzlich werde Gaia-X positiv gesehen, behauptet eine aktuelle Studie des Internetverbands eco. Fakt ist aber auch, dass sich derzeit nur wenige Unternehmen an der europäischen Cloud-Initiative beteiligen.
Noch glimmt ein Hoffnungsschimmer für Gaia-X. Die Beteiligten wollen das Projekt für einen souveränen europäischen Datenraum nicht abschreiben.
Noch glimmt ein Hoffnungsschimmer für Gaia-X. Die Beteiligten wollen das Projekt für einen souveränen europäischen Datenraum nicht abschreiben.
Foto: Per Bengtsson - shutterstock.com

Gaia-X stoße bei Unternehmen auf breite Akzeptanz und werde positiv wahrgenommen, behaupten der eco - Verband der Internetwirtschaft e. V. und die Gaia-X Förderationsdienste (GXFS), die sich dabei auf eine eigene Umfrage stützen. "Es gibt bereits ein großes Verständnis hinsichtlich der Mehrwerte von Gaia-X und der damit verbundenen Chancen, die Datensouveränität zu stärken und die Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern zu reduzieren", so die Auftraggeber der Studie. Befragt wurden von September bis November vergangenen Jahres 184 Personen, allerdings nur solche, die bereits Berührungspunkte mit Gaia-X hatten.

Die Gaia-X-Initiative war im Oktober 2019 vorgestellt worden. Ziel war der Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Cloud-Dateninfrastruktur für Europa. Geplant war ein digitales Ökosystem, das sich durch Offenheit und Transparenz auszeichnen und Unternehmen eine Alternative zu den Cloud-Angeboten der US-Hyperscaler bieten sollte. In Deutschland übernahm das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (heute Klimaschutz) die Schirmherrschaft und Förderung des Projekts.

Doch die mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Initiative kam nie so recht aus den Startlöchern. Statt konkrete Projekte voranzutreiben, wurde zunächst viel darüber diskutiert, inwieweit sich auch US-Anbieter wie AWS, Google oder Microsoft an Gaia-X beteiligen dürften. Für negative Schlagzeilen sorgte Ende 2020 die Nachricht, dass sich offenbar auch der mit CIA-Mitteln finanzierte Anbieter von Überwachungssoftware Palantir dem Vorhaben angeschlossen habe.

Holpriger Start von Gaia-X - hier finden Sie alle Details:

Auch der Aufbau der geplanten Organisationsstrukturen verzögerte sich ein ums andere Mal. Erst im Februar 2021 wurde die Gaia-X-AISBL als Non-Profit-Organisation in Brüssel gegründet. Doch auch danach blieb vieles Stückwerk. Startups beklagten eine überbordende Bürokratie, die eine Beteiligung an Gaia-X fast unmöglich mache. Es fehlten die großen Referenzprojekte, um ein solches Ökosystem groß zu machen, kritisierte Mitte 2021 Telekom-Chef Timotheus Höttges.

Phase der Implementierung steht an

Wenn eco und GFXS richtig liegen, hat sich seitdem wohl einiges geändert. "Jetzt, da die Basis-Komponenten von Gaia-X und der Federation Services für alle einsichtig sind, steht die Phase der Implementierung an, die durch einen intensiven Community-Aufbau zu begleiten ist", macht Andreas Weiss, Geschäftsbereichsleiter digitale Geschäftsmodelle beim Internetverband eco, in Optimismus.

Jetzt müsse es mit der Implementierung von Gaia-X losgehen, mahnt Andreas Weiss, Geschäftsbereichsleiter digitale Geschäftsmodelle beim Internetverband eco
Jetzt müsse es mit der Implementierung von Gaia-X losgehen, mahnt Andreas Weiss, Geschäftsbereichsleiter digitale Geschäftsmodelle beim Internetverband eco
Foto: eco

Die Umfrageergebnisse zeigen jedoch, dass die Defizite weiter offenkundig sind. Die derzeit im Gaia-X Umfeld entwickelten Produkte und Services seien derzeit nicht marktfähig, stellen 70,3 Prozent der Befragten fest. Für rund jeden zweiten Teilnehmer wächst Gaia-X zu langsam. Nicht einmal jeder Fünfte (19,1 Prozent) stimmt der Aussage zu "Gaia-X wächst ausreichend schnell, um für unser Unternehmen/unsere Organisation interessant zu sein."

"Gaia-X bleibt ein Mysterium"

"Gaia-X bleibt für viele ein Mysterium", muss Weiss denn auch in seinem Vorwort zu den Umfrageergebnissen bekennen. Missverständnisse zum Leistungsversprechen hätten falsche Erwartungen geweckt. Gaia-X gebe es nicht an der Theke zu kaufen und es sei auch kein fertiges Softwareprodukt, das nach einem schnellen Download läuft. Die Initiative erfordere vielmehr eine Investition seitens der Firmen, die aus dem Konzept Wert schöpfen und ihr Unternehmen zukunftsfähig positionieren wollten, so der eco-Vertreter. Man müsse als Gaia-X Community weiter Überzeugungsarbeit leisten, hieß es.

Interview: Gaia-X - im Konzeptstadium stecken geblieben

Die vielen offenen Fragen lassen allerdings Zweifel an der grundlegenden Konzeption des Vorhabens aufkommen. Die Urheber der Umfrage müssen einräumen, dass viele Unternehmen mit dem Konzept der Dezentralität nicht viel anzufangen wüssten und auch Fragen zur Umsetzung offen seien. Auch der initiale Aufwand, sich in der Gaia-X Community zu engagieren, werde noch von vielen Akteuren als zu hoch empfunden.

Ausstattung des Datenraums bleibt unscharf

Den Studienautoren zufolge wird in der Öffentlichkeit viel darüber diskutiert, welche Rolle US-amerikanische Cloud-Provider bei Gaia-X spielen. Die Initiative stehe im Ruf, ein rein politisches Projekt zu sein, das für Unternehmen wenig Nutzen bringt. "Nahezu vergessen wird dabei, dass Gaia-X kein klassischer Hyperscaler ist, sondern im Sinne des europäischen Gedankens einen für alle offenen und dezentralen Raum bilden soll", heißt es in der Studie. "Ein Raum, in dem Unternehmen unter Einhaltung bestimmter (europäischer) Werte und Regeln, innovative, vor allem datenbasierte Services und Produkte entwickeln können." Aus diesem Raum würden außereuropäische Unternehmen nicht ausgeschlossen, solange sie die Regeln einhielten. Bei alldem bleibt allerdings immer noch unscharf, was es mit diesem Datenraum auf sich hat und wie er ausgestaltet sein soll.

Immerhin scheint trotz all der offenen Fragen der Kredit der Unternehmung noch nicht verspielt zu sein. 62,5 Prozent der Befragten geben an, eine "Gaia-X-Compliance" schaffe ausreichend Vertrauen für eine Kooperation mit anderen Unternehmen oder Organisationen. Dafür sorgten Regeln, deren Einhaltung nachvollziehbar kontrolliert würden. Auch die Kooperation zwischen Akteuren unterschiedlichster Größen in Gaia-X wird positiv wahrgenommen. Zwei Drittel der Befragten bestätigen, dass im derzeitigen Entwicklungsstand Anforderungen an Chancengleichheit erfüllt seien. Dass es bei Gaia-X um Mehrwerte durch Kooperationen statt um Wettbewerb geht, sagen 70,2 Prozent.