Als Senior Vice President und Chief Information Officer leitet Cynthia Stoddard seit 2016 die weltweiten Teams für IT und Cloud Operations bei Adobe. Für die mehrfach mit dem CIO-100-Award und anderen Preisen ausgezeichnete Branchenveteranin ist der Grafiksoftwareanbieter bereits die zweite IT-Company ihrer Karriere.
Bevor Stoddard zu Adobe kam, war sie CIO bei NetApp. Davor hatte sie eine Reihe von Führungspositionen im Bereich IT und Technik bei "normalen" Unternehmen inne, darunter Safeway Inc. und APL Limited. Die CIO-Redaktion hatte auf einem Adobe-Event die Gelegenheit, mit der IT-Entscheiderin zu sprechen.
Kunde Null für das eigene Produkt
Frau Stoddard, Sie hatten CIO-Positionen in mehreren Unternehmen inne - sowohl auf IT-Anbieterseite als auch auf der Seite der IT-Kunden. Was ist der Unterschied?
Cynthia Stoddard: Zunächst einmal gibt es eine Menge Ähnlichkeiten, da viele der Probleme die gleichen sind: Man muss sich um Effizienz bemühen, etwa was die Geschäftsprozesse angeht und eine ganze Reihe anderer Dinge. Was in einem IT-Unternehmen, und Adobe ist mein zweites, anders ist: Fast jeder Softwareentwickler ist selbst ein Experte auf diesem Gebiet. Außerdem haben wir auch unsere eigenen Produkte, die wir verwenden. Wenn Lösungen entwickelt werden, wissen sie: Das wird Teil ihres Werkzeugkastens.
Und sie wissen, dass sie mit den Technikorganisationen zusammenarbeiten müssen, um eine gewisse Vertrauenswürdigkeit für die IT zu schaffen. Entwickler sind nämlich gerne kreativ, wenn es darum geht, ihre eigenen Werkzeuge zu entwickeln, um Produkte und dergleichen zu bauen. Wenn man also eine enge Beziehung zu ihnen aufbaut, kann man ihnen zeigen, wie die vorgeschlagenen Tools tatsächlich funktionieren.
Die andere Besonderheit in Hinblick auf ein Tech-Unternehmen: Man ist Kunde Null für das Produkt. Wir können nämlich die Produkte so nutzen, wie es ein Unternehmenskunde tun würde. In einigen Fällen werden die Lösungen auch für alle Adobe-Mitarbeiter freigegeben, so dass wir hier also auch als Endkunden, als Verbraucher agieren. Auf diese Weise erhalten unsere Entwickler sehr früh ein Produkt-Feedback, das sie sonst nicht bekommen würden, was die Beziehung mit der Technikabteilung besonders macht.
Aber schränkt es Sie nicht in Ihren Produktentscheidungen ein, was die Wahlfreiheit angeht?
Cynthia Stoddard: Nein, das würde ich nicht sagen. Wir schauen uns unsere Produkte an, wir schauen nach außen, aber ich kann mir kein Beispiel vorstellen, bei dem wir ein Fremdprodukt anstelle unseres eigenen Produkts gewählt hätten.
Wir wählen unsere Produkte nämlich in Hinblick auf das aus, was wir tun müssen und versuchen nicht, mit Gewalt ein Produkt von Adobe zum Einsatz zu bringen. Das würde zu Problemen führen, wenn es darum geht, Geschäftsprozesse zu optimieren und darum, den Kunden die Nutzung unserer Produkte zu beschreiben.
Sie haben Ähnlichkeiten erwähnt, etwa den Fokus jedes Unternehmens auf Effizienz. Was bei Nicht-IT-Unternehmen nicht immer selbstverständlich scheint, ist ein Management, das versteht, dass man bestimmte IT-Investitionen tätigen muss.
Cynthia Stoddard: Ich glaube, das Verständnis ist schon da. In vielen Unternehmen, auch in unserem, geht es darum, effizient zu sein. Wir haben zu diesem Zweck versucht, Softwarekategorien zu schaffen, etwa Marketing, Datenbank oder Infrastruktur und so weiter. Dann schauen wir uns die verwendeten Produkte an und sagen, welche wir in dieser bestimmten Kategorie ausgewählt haben.
Sie müssen wissen: Ein großer Teil des Überhangs ist darauf zurückzuführen, dass die Leute in den Abteilungen verschiedene Punktlösungen eingeführt haben, die anschließend gewachsen sind und sich nun überlappen. Wir versuchen, die Produkte auszuwählen, die für die einzelnen Geschäftsprozesse am besten geeignet sind, um sie dann zu konsolidieren. Aber alles basiert auf dem Bedarf, den wir innerhalb der Organisation haben, und darauf, wie wir die geschäftlichen Anforderungen erfüllen.
Bei Ihren sehr IT-affinen Anwendern haben Sie bestimmt eine Menge Schatten-IT. Wie gehen Sie damit um?
Cynthia Stoddard: Ich denke, jede Organisation hat ein gewisses Maß an Schatten-IT - wobei unsere nicht wirklich im Schatten ist: Wir wissen darüber Bescheid und in einigen Fällen kennen wir die Vorteile der Lösungen. Meine Philosophie ist es, den Menschen die Mittel an die Hand zu geben, die sie für ihre Arbeit brauchen. Wir wollen nicht, dass die IT sie ausbremst.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In der Datenanalyse sind wir für alle Daten im Unternehmen verantwortlich. Dabei haben wir versucht, verschiedene Personas zu entwickeln. Wir haben also einen extrem anspruchsvollen Nutzer, dann sozusagen als Mittelding jemanden, der Dashboards nutzen und eigene Ansichten erstellen möchte. Und wir haben Benutzer, für die es ausreicht, den Bildschirm anzuschalten und jeden Morgen die neuesten Zahlen zu erhalten.
Wir haben unsere Datenanalyse-Kapazitäten wirklich so aufgebaut, dass technisch affine Benutzer in der Lage sind, Daten auszuwählen, ihren eigenen Data Mart zu erstellen und ihre eigenen Analysen selbst durchzuführen. Das könnte man als Schatten-IT bezeichnen, denn sie machen alle möglichen Dinge damit - aber innerhalb der Sicherheitsrichtlinien, mit allen Tools, die für sie freigegeben wurden.
Gibt es diesen Persona-Ansatz auch in anderen Bereichen?
Cynthia Stoddard: Ja, beispielsweise auch bei der Zusammenarbeit. Schon vor der Pandemie hatte die Technikabteilung andere Anforderungen an Collaboration-Tools als die Finanzabteilung. Und wenn Sie sich unsere Laptop-Konfigurationen ansehen, bieten wir auch hier eine Vielzahl von Konfigurationen an. Denn wir wissen, dass Softwareingenieure, vor allem solche, die mit Videoanwendungen und in der Entwicklung arbeiten, etwas anderes brauchen als Mitarbeiter, die nur eine Excel-Tabelle bearbeiten.
Der Notfallplan aus der Schublade
Während der Pandemie und danach mussten Sie sich bestimmt auch mit Remote und Hybrid Work auseinandersetzen. Was sind Ihre Best Practices in diesem Bereich?
Cynthia Stoddard: Also Hybrid Work - das war interessant. An einem Wochenende mussten wir das gesamte Unternehmen auf Hybrid Work umstellen. Und wenn ich zurückblicke, denke ich, wir hatten einen sehr reibungslosen Wechsel. Es gab keine Probleme, die Leute haben einfach weitergearbeitet.
Die Lektion, die wir dabei gelernt haben, war, dass wir uns richtig vorbereiten und für die Zukunft planen müssen. Ungefähr zwei Jahre vor der Pandemie gab es nämlich in Kalifornien eine Menge Waldbrände. Das ging so weit, dass ganze Städte und Gebiete komplett abgeriegelt wurden.
Damals fragte ich mein Team: 'Was passiert, wenn wir nicht mehr ins Hauptquartier nach San José kommen können?' Wir haben also schon zwei Jahre vor der Pandemie unsere Infrastruktur analysiert und einige Schwachstellen identifiziert, die wir dann korrigiert haben. Und wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass wir eine Zugangsmethode brauchen, um mit den Mitarbeitern in Kontakt zu bleiben.
Wir mussten den Plan damals nie in die Tat umsetzen, er lag einfach zwei Jahre lang herum - bis die Pandemie kam. Wir haben ihn dann wieder aufgegriffen, einige Lücken gestopft und zwei Wochen später über ein Wochenende auf Hybrid Work umgestellt.
Ich denke also, die wesentliche Lektion ist, realistisch zu bleiben. Man muss immer auf der Hut sein und darüber nachdenken, was in Zukunft vielleicht schief gehen könnte und ob man an diese Szenarien gedacht hat. Man wird nie an alles denken. Aber wenn man sich auf das Wesentliche besinnt, dann hat man die Möglichkeit, zu reagieren.
Die andere Lektion aus der Pandemie ist, dass man den Menschen Raum geben sollte, innovativ zu sein, über neue Ideen nachzudenken und zu experimentieren.
Wie werden diese Erkenntnisse nun fortgeführt?
Cynthia Stoddard: Wir überlegen nun, wie wir einige der Vorteile beibehalten können, die uns die Pandemie gebracht hat, etwa Telefon- und Videokonferenzen und hybride Meetings in den Konferenzräumen. In unserem Büro in San Jose haben wir dafür zwei Labore, das eine heißt Labor 82 und das andere wird Garage genannt.
Das Labor 82 gab es schon vor Covid, dort testen wir nun neue Technologien, die mit der Pandemie zu tun haben. Es ist ein offenes Lab, Sie können sich als Mitarbeiter anmelden und den Raum nutzen, wissen dabei aber, dass Ihre Arbeit gesehen wird und Sie möglicherweise auch um Feedback gebeten werden.
Wir sind also in der Lage festzustellen, ob unsere Mitarbeiter bestimmte Tools tatsächlich einsetzen werden. Im Moment nutzen wir das Labor und die Garage für Hybrid Work - etwa, um zu verstehen, wie wir besser kommunizieren, neue Kameratechnologien nutzen oder verschiedene Präsentations-Tools remote und vor Ort einsetzen können. Es geht also wieder darum, für die Zukunft gewappnet zu sein.
Wir arbeiten auch sehr eng mit einer Gruppe zusammen, die sich mit der Gestaltung von Konferenzräumen befasst, den verschiedenen Konfigurationen der Tische und solche Dinge.
Cloud als Teil der Adobe-DNA
Ist bei Adobe alles in der Cloud oder betreiben Sie noch Rechenzentren?
Cynthia Stoddard: Wir haben immer noch Rechenzentren, die wir für unsere Managed-Service-Kunden betreiben. Aber wenn ich mir mein Portfolio ansehe, würde ich sagen, dass wahrscheinlich 95 bis 98 Prozent davon in der Cloud oder als SaaS-Anwendungen betrieben werden.
Als ich vor knapp sieben Jahren bei Adobe anfing, hatten wir viel mehr On-Premises. Wir haben daher eine Strategie entwickelt, um Cloud-ähnliche Eigenschaften in unsere DNA zu bekommen. Dies sollte dem Team bei der Migration von Anwendungen in die Cloud helfen. Um von einer On-Premises-Anwendung zu einer vollständigen Cloud-Anwendung überzugehen, müssen Sie darüber nachdenken, wie Sie die Anwendungen hosten, die Sicherheit gewährleisten und Ihren Entwicklungslebenszyklus mit CI/CD abbilden. Das alles waren Schritte auf dem Weg, den wir mit meiner Organisation in unserer Architekturgruppe gegangen sind.
Wir haben also eine Application Cloud Journey vorgegeben und die Leute dafür belohnt, dass sie dem Weg gefolgt sind. Das hat es uns wesentlich erleichtert, unsere Workloads zu verlagern.
Um auf die Pandemie zurückzukommen - ein Teil des Notfallplans war auch die Cloud, nämlich als wir darüber nachdachten, was passieren würde, wenn wir die Workloads von einer Region in eine andere verlagern müssen. Wir kamen zum Schluss, dass es uns dabei enorm helfen würde, wenn sich die Anwendungen in der Cloud befinden. Also ja, es ist jetzt in unserer DNA verankert, dass die Cloud gut und sicher ist.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Softwareentwicklern, die ja bei Adobe auch Anwender sind? Leiten Sie auch diese Abteilung?
Cynthia Stoddard: Nein. Ich bin für alle unsere Anwendungen zuständig, auch für die Infrastruktur. Ich habe auch eine Service-Management-Gruppe, die sicherstellt, dass alle Clouds - auch die Adobe-eigenen, wie Document Cloud, Creative Cloud und Experience Cloud - in Betrieb sind und bleiben. Wir arbeiten also sehr eng mit den technischen Teams zusammen, um die Zuverlässigkeit der Dienste zu gewährleisten.
Die Engineering-Teams arbeiten in einer Dev-Ops-Umgebung, und die Dev-Ops-Leute sind diejenigen, die mit meiner Service-Management-Gruppe zusammenarbeiten. Dann habe ich noch das, was wir Cloud Operations nennen, das Team, das unsere Rechenzentren und alle Beziehungen zu unseren Cloud-Anbietern managt.
Wie kann das in der Organisation dazu beitragen, die Geschäftsanforderungen besser zu erfüllen?
Cynthia Stoddard: Ich denke, dass es wichtig ist, eine Komponente für Geschäftsbeziehungen zu haben. Die Technologie ist ein Enabler, aber ich glaube, es ist wirklich wichtig, dass man sich als ersten Schritt den Geschäftsprozess ansieht und versteht, was die Pain Points des Unternehmens sind. Was ist das Ziel und wie sehen die Vorgaben aus? Man braucht also Leute mit technischem Mindset. Um zu wissen, was möglich ist - aber auch um zu verstehen, wie wir Technologie nutzen können, um Geschäftsprozesse zu ermöglichen. Ich bin davon überzeugt, dass es im Kern darauf ankommt, die Ziele des Business zu verstehen.