Neuer Mendix-Chef im Gespräch

"Wir wollen die starke Position ausbauen"

22.11.2021
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Mendix, Low-Code-Spezialistin und Siemens-Tochter, nimmt Anfang Dezember einen Führungswechsel vor. Thronfolger Tim Srock erklärt im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE die Hintergründe und blickt in die Zukunft.
Der Wechsel an der Spitze der Siemens-Tochter Mendix dürfte strategische Veränderungen mit sich bringen.
Der Wechsel an der Spitze der Siemens-Tochter Mendix dürfte strategische Veränderungen mit sich bringen.
Foto: Postmodern Studio - shutterstock.com

Zusammen mit der Vorstellung der Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2020/21 hat die Low-Code-Expertin und Siemens-Tochter Mendix die Beförderung von Tim Srock zum neuen CEO bekannt gegeben. Der bisherige Finanzchef soll zum 1. Dezember Derek Roos als CEO ablösen, der nach 16 Jahren die Company verlässt. Srock übernimmt die Führung von Mendix zu einem spannenden Wendepunkt, da das Unternehmen die Stärken von Siemens nutzt, um sein Wachstum zu beschleunigen. In der neuen, digital geprägten Wirtschaft spielt Low Code eine wichtige Rolle, da Unternehmen damit schnell und effektiv neue Anwendungen erstellen können.

Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE begründet Srock seine Ernennung mit der engen Zusammenarbeit mit Derek Roos in den letzten drei Jahren, auch an strategischen Themen, dem Ökosystem, dem Market Place und dem neuen Preismodell. Dadurch habe es sich für ihn ergeben, ein potenzieller Nachfolger zu werden. Klar besäße er einen finanziellen Background, räumt der frühere Siemens-Manager ein, bei Mendix sei er jedoch eher als COO tätig und daher sehr breit aufgestellt.

Dass mit dem Wechsel des CFOs auf den Chefsessel auch strategische Veränderungen bei Mendix anstehen, bestreitet Srock entsprechend: "Wir möchten die starke Position, die wir jetzt innehaben, weiter ausbauen und uns da auch über die Siemens-Marke differenzieren." Srock sieht die Beziehung von Mendix zu seinem früheren Arbeitgeber Siemens als ein klares Alleinstellungsmerkmal - innerhalb der IT-Industrie, aber auch im Low-Code-Bereich. Dabei gebe es jedoch ein klares Commitment von Siemens, die Marke Mendix beizubehalten und weiter auszubauen, gerade weil es eine horizontale Plattform sei.

"New day, same mission" lautet das Motto, das sich der designierte Mendix-CEO Tim Srock für seinen Amtsantritt am 1. Dezember gesetzt hat.
"New day, same mission" lautet das Motto, das sich der designierte Mendix-CEO Tim Srock für seinen Amtsantritt am 1. Dezember gesetzt hat.
Foto: Mendix

"Der Name Siemens hilft uns"

Auf der anderen Seite sei der Name Siemens aber auch sehr nützlich für Mendix, wie der designierte CEO berichtet: "Wir sind vor knapp 20 Monaten nach Asien expandiert und da hilft uns Siemens durch die langjährige Tradition des Konzerns natürlich extrem in puncto Glaubwürdigkeit und Stabilität - gerade jetzt, wo wir noch mehr in die Core-Applikationen möchten. Damit differenzieren wir uns von Wettbewerbern, die vielleicht privat gehalten werden oder durch Private Equity Fonds finanziert sind."

Die gute Position von Mendix im Low-Code-Bereich dokumentieren nicht nur die anhaltend guten Platzierungen in entsprechenden Marktvergleichen von Gartner und Forrester, auch finanziell scheint sich das Unternehmen nach eigenen Angaben gut zu entwickeln. So vermeldet Mendix als Highlights des Geschäftsjahres 2020/21 ein Wachstum von fast 100 Prozent bei den neu abgeschlossenen Verträgen. Insgesamt sei die Company seit der Übernahme des Unternehmens durch Siemens im Oktober 2018 um 300 Prozent gewachsen.

Um hier fortzufahren, schließt es Srock neben dem Aufbau eines eigenen Ökosystems auch nicht aus, eigene Produkte in andere Ökosysteme einzubringen. Es gebe bereits heute schon ein, zwei Beispiele, wo dies sehr erfolgreich praktiziert werde, etwa eine Kooperation mit einem großen Finanzdienstleister in Europa, so Srock: "Der Zugriff auf deren Ökosysteme führt dazu, dass wir viel schneller skalieren können, als wenn wir alles nur organisch im eigenen Mendix-Ökosystem realisieren."

Außerdem habe Mendix Anfang des Jahres ein neues Preismodell auf den Markt gebracht, das helfen soll, weitere Kunden, insbesondere auch im KMU-Bereich, zu gewinnen, berichtet der künftige Firmenchef. Nutzer des kostenlosen Freemium Offering, das nur wenige Use Cases unterstützt, könnten damit einfach zu einem Basis-Angebot, das man für 10 Euro pro Monat und User nutzen kann, wechseln - und das komplett digital per Kreditkarte. "Wir sehen darin eine sehr positive Entwicklung, vor allen Dingen dann auch, wenn es darum geht, das untere Ende des Marktes zu adressieren", so Srock.

Was die Nutzungsspektrum allgemein betrifft, spricht der designierte Mendix-Chef von einem sehr breiten Anwendungsfeld. Dabei sei die einfache Erstellung von mobilen Applikationen eines der Differenzierungsmerkmale gegenüber den Wettbewerb - insbesondere jetzt gerade im Rahmen der Pandemie. Generell reiche das Spektrum aber von internen Effizienzprogrammen bis hin zu Portalen, um mit dem Kunden Kontakt zu treten. Daneben gebe es aber auch schon Anwendungsfälle, wo mit Mendix Kernapplikationen oder Kernprozesse abgebildet würden. Srock verweist als Beispiel auf ein Lighthouse-Projekt bei der niederländischen Post, die ihre komplette Logistikkette für das Paketgeschäft über Mendix abwickelt.

Mendix World als Schaufenster

Um Unternehmen einen Überblick über die Breite der Anwendungsmöglichkeiten zu geben, sieht Srock den Community-Event Mendix World als einen wichtigen Faktor. Außerdem gebe es mit den Kunden selber im Rahmen des Vertriebsprozesses einen Meilenstein namens Solution Workshop, erklärt der Topmanager: "Dort arbeiten wir mit dem Kunden zusammen, um zu verstehen, wie das Unternehmen funktioniert. Anschließend versuchen wir dann gemeinsam mit dem Kunden, Use Cases zu entwickeln, an denen man arbeiten kann."

Ein anderes Thema, das die Siemens-Tochter forciert, ist Srock zufolge das sogenannte App-Factory-Konzept. Hier unterstützt Mendix Kunden dabei, eine App Factory als Center of Exzellenz innerhalb des Unternehmens zu etablieren. Dieses überlegt sich dann, welche Anwendungsfälle es im Rahmen der digitalen Transformation realisieren kann. "Anstatt selbst Use Cases für den Kunden zu implementieren, versuchen wir ihm beizubringen, wie er mit der Mendix-Plattform umgeht, damit er dann selbst innerhalb des Unternehmens Kapazitäten aufbaut", erklärt Srock. "Das ist unsere Philosophie."

Mendix selbst wiederum arbeitet daran, andere IT-Trends wie Künstliche Intelligenz, Machine Learning oder Robotic Process Automation in seine Low-Code-Lösungen einzubinden. Im Rahmen von Mendix World im September wurden dazu bereits die KI- und Machine Learning-Features in bestehenden Lösungen erweitert und verstärkt das Thema Workflow - Stichwort RPA - adressiert. "Das sind definitiv Themen, die wir auf der Agenda haben", erklärt Srock. "Es gibt auch heute schon Anwendungsfälle in Unternehmen, wo Mendix sehr gut mit anderen Lösungen, beispielsweise RPA, zusammenarbeitet. Diese Lösungen sind dabei eher komplementär und keine Konkurrenz, da wir uns im Endeffekt über den Applikation Layer klar differenzieren können."

No Code oder Low Code? Beides

Was die Fragestellung Low Code oder No Code angeht, sieht Srock den Vorteil, dass Mendix über Studio und Studio Pro quasi beide Anwendungsfälle bedienen kann. Tatsächlich sei es bei den meisten Unternehmen nicht ein Entweder oder, sondern ein Und, erklärt er: "Unternehmen können über Mendix Studio mit No-Code-Lösungen starten, also vielleicht ein Business Analyst. Später haben sie dann die Möglichkeit, über die IT weiter zu expandieren, indem sie gewisse Use Cases in das Studio-Pro-Umfeld umziehen und dann auch an komplexeren Anwendungsfällen arbeiten können. Ich glaube, das ist unser wesentlicher Vorteil, dass wir wirklich beide Seiten sauber bedienen und somit das komplette Spektrum in dem Unternehmen adressieren können."