Altman und Murati über GenAI

"Wir werden unglaubliche Dinge schaffen"

24.10.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Wie geht es weiter mit generativer KI? In einem Interview mit dem "Wall Street Journal" beschreiben die OpenAI-Chefs Sam Altman und Mira Murati, was auf die Menschheit zukommen wird.
Zu Gast bei der Tech-Live-Konferenz des Wall Street Journal: Sam Altman, CEO, und Mira Murati, CTO von OpenAI, erklären die schöne neue KI-Welt.
Zu Gast bei der Tech-Live-Konferenz des Wall Street Journal: Sam Altman, CEO, und Mira Murati, CTO von OpenAI, erklären die schöne neue KI-Welt.
Foto: WSJ/YouTube

KI sei das beste Werkzeug, das die Menschheit je geschaffen habe, postulierte OpenAI-CEO Sam Altman gleich zu Beginn. Es werde aber nicht einfach, den gesellschaftlichen Übergang in die neue Welt einer "Artificial General Intelligence" (AGI) zu meistern. Altman und Chief Technology Officer (CTO) Mira Murati meinen damit das Zukunftsstadium, in dem die KI ihrer Einschätzung nach die meisten Aufgaben besser meistern wird, als es heute den Menschen gelingt.

Die ChatGPT-Entwickler waren zu Gast auf der jährlichen Tech-Live-Konferenz des Wall Street Journal (WSJ). Altman sagte, zwei Dinge seien in den kommenden Dekaden für die Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen wichtig: die allgemeine künstliche Intelligenz und billige Energie in ausreichenden Mengen. "Wir glauben fest daran, dass man den Menschen nur bessere Tools in die Hand geben muss. Sie werden dann Dinge tun, die uns in Erstaunen versetzen." AGI werde das beste Werkzeug sein, das die Menschheit jemals geschaffen habe.

"Alles Neue bringt Veränderungen mit sich"

"Mit AGI werden wir alle Arten von Problemen lösen. Wir werden in der Lage sein, uns auf neue, kreative Weise auszudrücken. Wir werden unglaubliche Dinge füreinander, für uns selbst, für die Welt und für die sich entfaltende, neue menschliche Geschichte schaffen." Altman warnte aber auch, dass AGI etwas Neues sei. "Alles Neue bringt Veränderungen mit sich, und die sind nicht immer einfach." Murati prognostizierte, dass eine AGI schon im nächsten Jahrzehnt verfügbar sein werde.

Nach Ansicht der Technikchefin gehen die Diskussionen über KI und ihre vermeintliche Rivalität zur menschlichen Intelligenz in die falsche Richtung. "Wir sprechen oft darüber, wie intelligent ein System ist, ob es ein Bewusstsein hat und fähig zu Empfindungen ist. Mit solchen Begriffen zu arbeiten, ist eigentlich nicht korrekt. Letztendlich beschreiben wir damit die menschliche Intelligenz. Dabei bauen wir etwas ganz anderes auf."

Urheberrecht bleibt schwierig

Angesprochen auf die Urheberrechtsproblematik bei der Nutzung von öffentlichen Internet-Daten für das Training großer Sprachmodelle sagte Altman, OpenAI strebe danach, nur solche Daten zu verwenden, "von denen die Leute begeistert sind, dass wir sie nutzen". Die Herausforderung liege aber darin, dass die Eigentümer der Daten unterschiedliche Vorstellungen davon hätten, was damit geschehen dürfe.

OpenAI experimentiere auf vielfältige Weise, um das Problem zu lösen. "Je intelligenter und leistungsfähiger unsere Modelle werden, desto weniger Trainingsdaten werden wir benötigen. Ich denke, dass sich die Diskussion über Daten aufgrund des technologischen Fortschritts, den wir machen, verändern wird", sagte Altman. Auch werde es kaum einen Wettlauf um die besten Daten geben. Das GPT-Modell sei ja nicht deshalb interessant, weil es mit dem größtmöglichen Wissen glänze. "Es geht vielmehr darum, dass es denkfähig ist. Diese Eigenschaft befindet sich noch in einem frühen Stadium, wird aber immer besser."

KI-Systeme werden persönliche Assistenten - und Freunde

Auf die Frage, ob die Menschen eine emotionale Beziehung zu ihren Bots aufbauen werden, sagte Murati, dass die Bindung sogar bedeutend werde. "Wir bauen ja Systeme, die überall sein werden: in Ihrem Zuhause, in Ihrem Bildungsumfeld, bei der Arbeit und vielleicht auch dort, wo Sie sich amüsieren." Deshalb sei es so wichtig, dass OpenAI keine Fehler mache. "Wir müssen sorgfältig darauf achten, wie wir diese Interaktion gestalten, damit sie anregend ist, Spaß macht, die Produktivität verbessert und die Kreativität fördert", so die Technikchefin.

Als Anbieter müsse OpenAI sicher sein, die Kontrolle über diese Systeme zu behalten. "Wir müssen sie so steuern können, dass sie das tun, was wir wollen, und dass die Ergebnisse zuverlässig sind", sagte Murati. "Je mehr Informationen die Systeme über die Vorliebe der Menschen haben, über die Dinge, die sie mögen oder tun, und je größer die Fähigkeiten der Modelle werden, desto brauchbarer und personalisierter werden sie." Letztlich werde es nicht um ein, sondern um viele personalisierte Systeme für bestimmte Bereiche und Aufgaben gehen.

Sam Altman ist sich sicher: Viele Anbieter werden GenAI weiterentwickeln und Verantwortung übernehmen müssen.
Sam Altman ist sich sicher: Viele Anbieter werden GenAI weiterentwickeln und Verantwortung übernehmen müssen.
Foto: WSJ/YouTube

WSJ-Moderatorin Joanna Stern fragte darauf auch nach der Verantwortung für OpenAI. Altman entgegnete, es werde viele unterschiedliche Anbieter geben. "Wir werden einer von vielen Akteuren sein, die hier anspruchsvolle Systeme bauen. Es wird konkurrierende Produkte geben, die verschiedene Aufgaben erledigen." Die Akzeptanz werde je nach System und gesellschaftlichem Umfeld unterschiedlich ausfallen, auch müssten viele regulatorische Fragen erst noch beantwortet werden.

"Wenn die Welt das will, werden wir es so bekommen"

"Ich habe große Bedenken gegenüber einer Zukunft, in der Menschen mit ihren KI-Systemen enger befreundet sind als mit Menschen. Ich persönlich möchte das nicht. Ich akzeptiere aber, dass andere Leute das wollen, und einige Firmen werden solche Systeme bauen. Wenn die Welt das will und entscheidet, dass es sinnvoll ist, dann werden wir es auch bekommen", so Altman.

Murati betonte, wie wichtig es sei, sich über die Risiken der neuen KI-Welt Gedanken zu machen. "Wir müssen die Möglichkeiten abschätzen und die Technologie so entwickeln, dass die Risiken abgemindert werden." Dazu seien viele Eingriffe nötig, das reiche von den Daten über die Modelle bis hin zu den Werkzeugen im Produkt. "Und dann muss man auch über eine regulatorische und gesellschaftliche Infrastruktur nachdenken, die mit diesen Technologien, die wir aufbauen, mithalten kann."

Vermutlich sei es der praktikabelste Weg, die neuen Technologien vorsichtig einzuführen und langsam mit der Realität in Berührung kommen zu lassen. Man lerne dann zu verstehen, wie sich KI auf bestimmte Anwendungsfälle und Branchen auswirke und könne sich mit den daraus resultierenden Folgen befassen. "Ganz gleich, ob es sich um juristische oder urheberrechtliche Fragen handelt, wir müssen uns damit auseinandersetzen und unsere Fähigkeiten sukzessive weiterentwickeln", so die CTO. Sie glaube nicht, dass diese Technologie in einem "Labor oder einem Vakuum ohne Kontakt mit der realen Welt" eingesetzt werden könne.

Unter Laborbedingungen werden KI-Systeme nicht besser

Altman bestätigte, es sei kaum möglich, eine Technologie im Labor "sicher zu machen". Die Gesellschaft nutze nun mal Dinge auf unterschiedliche Weise und passe sie auf ebenso unterschiedliche Weise an. "Ich denke, je mehr wir KI einsetzen und je mehr KI in der Welt verwendet wird, desto sicherer wird sie." Entscheidungen würden dann wie von selbst kollektiv fallen. Die Menschen fänden heraus, wo die Grenzen der Risikotoleranz verliefen und wo sie sich unnötig Sorgen machten.

Altman und Murati äußerten sich auch zum vielfach geforderten Kenntlichmachen KI-generierter Inhalte. Die Technikchefin sagte, OpenAI habe dafür eine Lösung in Vorbereitung, die zu 99 Prozent fertig sei, aber noch weiter getestet werde. Das Problem sei für Bilder einfacher lösbar als für Texte. Altman ergänzte, dass die Idee, Inhalte mit Wasserzeichen zu versehen, umstritten sei: "Es gibt eine Menge Leute, die wirklich nicht wollen, dass die von ihnen generierten Inhalte mit Wasserzeichen versehen werden."

Das von OpenAI entwickelte System werde nicht für alles geeignet sein. "Vielleicht könnte man es für Bilder und längere Texte verwenden, aber nicht für kurze Texte." Altman sagte: "Aus diesem Grund wollen wir uns an der Diskussion beteiligen. Wir sind bereit, den kollektiven Wünschen der Gesellschaft in diesem Punkt zu folgen. Ich glaube nicht, dass es eine Schwarz-Weiß-Frage ist."

KI gedeiht nicht in einem Labor, sondern nur in der Öffentlichkeit, glaubt Mira Murati.
KI gedeiht nicht in einem Labor, sondern nur in der Öffentlichkeit, glaubt Mira Murati.
Foto: WSJ/YouTube

Die Arbeitswelt profitiert - wenn wir die Weichen richtig stellen

Aus dem Publikum wurde die Frage nach der veränderten Arbeitswelt gestellt und was passieren müsse, damit sich diese für die Menschen verbessere und nicht verschlechtere. Darauf Murati: "Ich stimme Ihnen zu, dass es sich um die ultimative Technologie handelt, die die Ungleichheit verstärken und die Dinge für uns Menschen und die Zivilisation insgesamt viel schlechter machen könnte. Sie könnte aber auch eine Menge Kreativität und Produktivität mit sich bringen und die Welt verbessern. Vielleicht wollen viele Menschen nicht acht Stunden, sondern nur vier Stunden am Tag arbeiten und einen Haufen anderer Dinge tun?"

Altman sagte, er habe keine Angst vor den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Das sei der Fortschritt, die Menschen würden neue und bessere Arbeitsplätze bekommen. "Ich denke, wir müssen uns als Gesellschaft mit der Geschwindigkeit auseinandersetzen, mit der das geschehen wird." Es gehe jetzt darum, den Übergang zu gestalten. (hv)