Pure-Storage-CEO im Interview

"Wir sind ganz anders als Dell und HPE"

19.05.2022
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Einst als riskant und kostspielig bewertet, zahlt sich der Flash-Fokus von Pure Storage zunehmend aus. Die COMPUTERWOCHE hatte die Gelegenheit, mit CEO Charles Giancarlo zu sprechen.
Charles Giancarlo, CEO Pure Storage
Charles Giancarlo, CEO Pure Storage
Foto: Pure Storage

In einigen Bereichen der IT wurden die Investitionen im Zuge der Corona-Pandemie ja stark zurückgefahren. Wie sieht es mit den Investitionen in Storage-Equipment aus?

Charles Giancarlo: Nun, das ist schon interessant. Was das Thema Storage angeht, hat die Pandemie, wenn überhaupt, zu größeren Investitionen geführt. Und dies aus mehreren Gründen, einer davon war natürlich die Schaffung einer Infrastruktur, damit jeder zu Hause arbeiten konnte. Dadurch haben sich die Anforderungen nicht nur in Unternehmen, sondern auch in TK-Firmen stark verändert. Und zweitens sahen Unternehmen, dass andere Firmen, die mehr investiert hatten, besser vorbereitet waren und die Vorteile besser nutzen konnten. Sie sagten sich dann: OK, wir müssen uns stärker auf die digitale Transformation konzentrieren als zuvor. Insgesamt hat sich unser Geschäft also weiter beschleunigt, in unserem vierten Quartal 2021/22, das im Februar endete, sind wir etwa im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gewachsen.

Schnelles Recovery sticht Backup

Spielte bei den steigenden Umsätzen auch das wachsende Cybersicherheitsrisiko eine Rolle?

Giancarlo: Ja sicher, diese Bedrohung hat zusätzlich zu einer wachsenden Nachfrage nach unseren Lösungen geführt. Unsere Produkte sind ja High-Performance-Produkte und werden, weil sie teuer sind, für die primären Workloads gekauft. Die Datensicherung hingegen erfolgt traditionell immer auf billigem Speicher. Aber unsere Kunden erkannten, dass die Sicherung selbst nicht so wichtig ist wie die Wiederherstellung der Daten. Wenn man zwar ein Backup hat, aber es zwei Tage zur Wiederherstellung dauert, dann ist man für eine lange Zeit aus dem Geschäft und das ist sehr teuer. Das Gleiche gilt, wenn man ein Backup macht und dieses auch durch Ransomware verschlüsselt wird.

Dagegen helfen Ihre Lösungen?

Giancarlo: Ja, unsere Produkte können nicht nur Daten sichern, wir haben auch etwas, das wir Safe Mode nennen, damit kann der Inhalt nicht überschrieben werden. Selbst Ransomware ist nicht in der Lage, die gespeicherten Daten zu verändern, aber das Recovery ist, weil es ein High-Performance-Produkt ist, innerhalb einer Stunde erledigt. Daher stellt Rapid Recovery, wie wir es nennen, um es vom Backup zu unterscheiden, ein wachsendes Geschäft für uns dar.

Storage ist Hightech, nicht Commodity

Wen sehen Sie als Konkurrenten an und wie unterscheidet sich Pure Storage?

Giancarlo: Unsere Konkurrenten, auf die unser Vertriebsteam täglich trifft, sind Unternehmen wie Dell und HP. Aber wir sind ein ganz anderes Unternehmen als Dell und HPE. Wir konkurrieren nicht auf dem gleichen Level, weil wir das Thema Storage anders betrachten: Für uns sind Datenspeicherung und Datenmanagement nicht Commodity, sondern Hightech. Diese Sichtweise hat einen völlig anderen Effekt auf die Art und Weise, wie wir vermarkten und uns als Unternehmen aufstellen.

Wir planen zum Beispiel in diesem Jahr rund 20 Prozent unseres Umsatzes für Forschung und Entwicklung auszugeben, während unsere wichtigsten Wettbewerber weniger als fünf Prozent investieren. Weniger als fünf Prozent und dabei ist es mit fünf Prozent bereits schwer, die Lichter am Brennen zu halten.

Mit Pure as a Service haben Sie ein interessantes Konzept entworfen, um Cloud-ähnliche Angebote und Funktionen in das lokale Rechenzentrum zu bringen. Ist Storage as a Service ein Versuch, das Enterprise-Hardware-Geschäft so lange wie möglich am Leben zu erhalten, oder steckt mehr dahinter?

Giancarlo: Das ist eine interessante Sichtweise, aber nein, wir verfolgen damit ein sehr einfaches Konzept. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das Cloud-Betriebsmodell die von Entwicklern bevorzugte Art und Weise ist. Die Cloud erleichtert ihre Arbeit in zweierlei Hinsicht: Erstens kann ein Entwickler in die Cloud gehen, die erforderliche Infrastruktur definieren und bekommt sie innerhalb von ein paar Minuten bereitgestellt. Er oder sie kann also die gewünschte Rechenleistung, das gewünschte Netzwerk, die gewünschte Art der Datenspeicherung und die Software definieren und alles steht bereit. Zweitens zahlen Sie in der Cloud nur für das, was Sie nutzen. Sie müssen nicht eine Menge Equipment kaufen, installieren, verkabeln und im Endeffekt nutzen Sie dann nur einen Teil davon, haben aber für das Ganze bezahlt.

Wir wollen diese Vorteile der Cloud ins Unternehmen bringen, denn aktuell bietet die Enterprise IT diese Möglichkeiten nicht. Sie muss das Equipment kaufen, es installieren, die Entwickler müssen warten, bis alles fertig ist - und sie muss für alles im Voraus bezahlen.

Okay, das geht dann gleichzeitig auch in Richtung der neuen Self-Service-Storage-Plattform Pure Fusion und der für Kybernetes entwickelten Database-as-a-Service-Plattform Portworx Data Services - diese Lösungen sind also miteinander verbunden.

Giancarlo: Ja, Portworx auf der Container- und Fusion auf der traditionellen Seite, also VMware-Type- oder Bare-Metal-Type-Oberflächen.

Flash: Gut für's Geschäft und für die Umwelt

Anderes Thema: Pure Storage hat vor einigen Wochen seinen ersten ESG-Report veröffentlicht. Worum geht es da konkret?

Giancarlo: Nun, es gibt natürlich einen Teil, da geht es um die Einhaltung bestimmter Vorschriften, man muss seinen CO2-Fußabdruck offenlegen, zeigen, was man in Sachen Diversity tut, wie sich die Belegschaft zusammensetzt und wie das Unternehmen geführt wird. Worauf wir dabei am meisten stolz sind, ist unser ökologischer Fußabdruck. Dazu muss man wissen, dass sich die verkauften Produkte für die meisten Unternehmen am stärksten auf den CO2-Footprint auswirken. Das gilt selbst für Software, denn auch Softwareprodukte verbrauchen Energie, wenn der Kunde sie benutzt.

Wir waren schon immer stolz darauf, dass wir mit unseren Produkten gerade im Vergleich zu Magnetspeicher weniger Platz, Strom und Kühlung benötigen als andere Storage-Hersteller. Als wir den ESG-Bericht anfertigten, haben wir einen unabhängigen Prüfer damit beauftragt, den Energieverbrauch unserer All-Flash-Produkte zu messen und mit dem von Produkten anderer Hersteller zu vergleichen. Uns war klar, dass wir weniger verbrauchen, aber nur 20 Prozent des Stroms der Konkurrenz, das bedeutet de facto, wir verbrauchen fünfmal weniger.

Immergrüner Speicher

Okay, das ist dann auch gut für Ihre Bilanz...

Giancarlo: Es ist gut für unsere Bilanz, es ist aber auch gut für die Umwelt, zumal wir wegen unseres Evergreen-Modells auch weniger Elektroschrott produzieren.

Um was geht es dabei?

Giancarlo: Das Evergreen-Modell ist eines der Dinge, für die wir am bekanntesten sind. Typisch für das Geschäft mit Hardware ist, dass man sie nach fünf bis sechs Jahren ausmustern und durch ein neues Gerät ersetzen muss. Bei der Datenspeicherung bedeutet dies außerdem, dass Sie alle Daten von den alten auf die neuen Geräte übertragen müssen. Dazu muss man in der Regel beide Geräte einige Wochen oder Monate lang parallel laufen lassen, um die Daten zu verschieben, erst dann kann man das alte Gerät herausnehmen. Für den Kunden bedeutet das: Ich habe diese Geräte gekauft, und jetzt muss ich sie alle noch einmal neu kaufen.

Bei uns läuft das anders: Wir verkaufen ein Produkt ein einziges Mal, danach gibt es ein Abonnement, aber das Produkt wird nie komplett ausgetauscht.

Also eine Art Abo-Modell...

Giancarlo: Mehr als das: Wir ersetzen im Laufe der Jahre Stück für Stück. Als Resultat sieht ein Produkt, das wir vor zehn Jahren verkauft haben, heute so aus wie ein Produkt, das wir letzte Woche verkauft haben. Es wird ständig aktualisiert und wir zwingen den Kunden nie, seine Anwendungsumgebung abzuschalten. Der Prozess ist auch nicht so störend, so dass der Kunde ohne Unterbrechung weiterarbeiten kann, und das ist sehr wichtig.

Über die Jahre ist es für den Kunden zudem günstiger, denn er muss nicht dasselbe Gerät immer wieder neu kaufen. So entsteht weniger Elektroschrott, weil wir erstens die Einzelteile austauschen, anstatt das gesamte Gerät zu ersetzen. Zweitens recyclen wir Geräte, wenn wir sie zurücknehmen, in unserem Pure-as-a-Service-Programm. Erreichen sie dann das Ende ihrer Lebensdauer, haben wir ein Recyclingprogramm, mit dem wir die Edelmetalle und die anderen wertvollen Komponenten recyceln.

Wie groß ist dieses Abonnementgeschäft inzwischen bei Pure Storage?

Giancarlo: Es macht ein Drittel unseres Umsatzes aus, fast alle Kunden haben auch das Evergreen-Abonnement abgeschlossen, so dass wir ständig das Produkt auf den neuesten Stand bringen. Sie können aber auch Pure-as-a-Service-Modell nutzen, bei dem wir das Produkt besitzen und aktuell halten, aber es steht bei ihnen und sie zahlen nur für das, was sie auch in der Cloud nutzen würden.

Viele Manager denken, der einfachste Weg, die CO2-Ziele zu erreichen, ist in die Cloud zu gehen,weil sich dann jemand anderes darum kümmert. Ähnlich wie bei Security.

Giancarlo: Nun, es ist ein interessantes Modell. Es ist abzuwarten, ob die Cloud aus energetischer Sicht wirklich effizienter ist, als wenn man es selbst macht. Ich glaube, niemand hat es je nachgemessen, aber in der Cloud wird noch viel mit Festplatten gearbeitet. Es sind fast alles Festplatten, die viel Energie verbrauchen. Außerdem gibt es in der Cloud viele Computer, die im Leerlauf sind und Energie verbrauchen, obwohl sie nicht benutzt werden. Am Ende des Tages ist es immer besser, weniger Energie zu verbrauchen, egal, ob der Strom aus Solaranlagen kommt oder CO2-Zertifikate gekauft werden.

Aber Sie haben noch keine Untersuchung angestoßen, in der Ihre Lösungen mit Cloud-Lösungen verglichen werden.

Giancarlo: Nein, aber das ist eine sehr gute Idee.

Die Flash-Durchdringung schreitet voran

Wenn Sie in die Zukunft blicken, was tut sich im Storage-Bereich in den nächsten zwei bis fünf Jahren?

Giancarlo: Nun, da gibt es mehrere Dinge: Ich denke, dass man in den nächsten fünf Jahren sehen wird, wie Flash im Vergleich zur Magnetspeicher wirklich wächst. Ein Grund dafür ist der geringere Platzbedarf und die viel bessere Energieeffizienz: Als ich vorhin die fünffach bessere Energieeffizienz erwähnte, war das im Vergleich zu allen anderen Flash-Laufwerken. Verglichen mit Magnetplatten verbrauchen wir weniger als zehn Prozent der Energie, denn Magnetplatten sind sehr verschwenderisch.

Bei Wechsel von Hard Disk auf Flash Speicher spielt aber sicher auch der Preis eine Rolle?

Giancarlo: Ja, wenn es darum geht, Magnetplatten zu ersetzen, muss man differenzieren. Flash hat bereits das oberste Level ersetzt, in dem sehr hohe Leistung gefordert wird. Es gibt aber noch diese große mittlere Level, in dem größtenteils immer noch Festplatten genutzt werden. Wir haben vor etwa zwei Jahren das erste Produkt hergestellt, das in dieser mittleren Stufe konkurriert. Und es wächst sehr stark, aber die Durchdringung hat gerade erst begonnen.

Nach hochperformanten Speicherlösungen wie dem Flaggschiffmodell Pure Flash ArrayXL soll Flash künftig auch im mittleren Segment Magnetplatten ersetzen.
Nach hochperformanten Speicherlösungen wie dem Flaggschiffmodell Pure Flash ArrayXL soll Flash künftig auch im mittleren Segment Magnetplatten ersetzen.
Foto: Pure Storage

Unser Deal mit Meta ist ein gutes Beispiel dafür, denn dabei handelt es sich wirklich um das mittlere Segment der magnetischen Festplatten, die wir ersetzen. Dabei waren wir die Einzigen, die die Anforderungen sowohl preislich als auch was den Platz-, Strom- und Kühlungsbedarf im Rechenzentrum betrifft erfüllen konnten. Das war ein großer Erfolg für uns. Es zeigt, dass Flash beginnt, in das mittlere Segment der Festplatten vorzudringen. Und ja, dabei spielt das Preis-/Leistungsverhältnis sicher eine Rolle.

Der zweite Punkt, den wir bei bei den Entwicklungen im Speicherbereich sehen, ist, dass das Cloud-Betriebsmodell weiter fortschreitet. Ein dritter Punkt ist unser Erfolg mit Portworx, der Container- und Kubernetes-basierte Speicherarchitektur. Wenn Sie daran denken, dass 80 bis 90 Prozent der Neuentwicklungen auf Containern basieren, dann ist das ein wichtiger Zukunftsbereich für uns.