Per Zufall zu McKinsey
Stimmt es, dass Sie nach dem Studium nur zufällig bei McKinsey gelandet sind?
Claudia Nemat: Absolut. Ich hatte damals den Plan, weiter in der Physik bleiben, weil das ein spannendes Fach ist. Aber damals gab es am Institut für theoretische Physik einen Workshop von McKinsey und ich habe einfach mal aus Neugierde dran teilgenommen. Und so ergab dann eins das andere.
In deutschen Unternehmen fehlt es oft an weiblichen Rollenvorbildern für weibliche Top-Talente! Wer hat Ihnen den Rücken in der Männerfirma Telekom gestärkt?
Claudia Nemat: Zum einen alleine schon meine Ausbildung. Im Studium war ich am Institut für theoretische Physik damals die einzige Frau. Dann war ich 17 Jahre lang bei McKinsey, wurde eine der jüngsten Partner, habe international den Technologie-Sektor geleitet und während meiner beruflichen Laufbahn in sehr vielen verschiedenen Ländern wie USA und Brasilien gearbeitet. Ich glaube, Menschen mit so einer Vergangenheit, egal ob Männer oder Frauen, haben wahrscheinlich ein ganz gutes Rüstzeug, um später in einem Vorstand arbeiten zu können. Dazu kam, dass die Deutsche Telekom ja damals auch mein Klient war, insofern wusste ich, auf welche Menschen ich zählen kann - das hat natürlich auch geholfen.
In der Tech-Szene gibt es immer noch zu wenige Frauen. Die Abbrecherquote in MINT-Fächern ist hoch, die gläserne Decke in den Firmen hartnäckig. Brauchen Frauen denn besondere Eigenschaften, um sich auch dort durchsetzen zu können?
Claudia Nemat: Keine anderen als Männer, sondern sie müssen es sich schlicht und ergreifend einfach nur genauso viel zutrauen wie die Männer. In den MINT-Fächern braucht man die Haltung: Ich will es jetzt wissen und der Sache auf den Grund gehen. Wenn man so ein Mensch ist, dann ist ein MINT-Studium eine gute Wahl. Dass es so wenige Frauen wagen, hat meines Erachtens hierzulande noch mit der Prägung in der Schule zu tun. Da wird leider oft der Eindruck vermittelt, dass das doch nix für Mädchen sein. Das sind leider sehr tief sitzende Rollenvorurteile. Es hat sich zwar schon viel geändert, aber ich befürchte, das Problem ist immer noch nicht ganz aus der Welt.
Sie haben einmal gesagt, dass Frauen von manchen kämpferischen Ritualen von Männern lernen können - müssen wir uns jetzt archaisches Verhalten antrainieren und weibliche Machos sein?
Claudia Nemat: Um Gottes Willen nein, wir brauchen keine Pavian-Felsen. Aber bei vielen Männern ist es doch so, dass sie sich vortrefflich und hart in der Sache streiten können und danach ganz fröhlich zusammen ein Bier trinken gehen. Weil sie Auseinandersetzungen so spielerisch nehmen wie einen Wettkampf. Wenn junge Frauen sich davon etwas abschauen könnten, wäre das durchaus gut. Wenn sich aber jetzt alle Frauen verhielten wie Männer oder alle Männer wie Frauen, dann hätten wir ja eine Monokultur - das kann kein erstrebenswertes Ziel sein.
Frau Nemat, wir danken Ihnen für das Gespräch!