"Machen Sie sich auf eine Invasion der virtuellen Assistenten gefasst", prophezeite das Beratungshaus Gartner letzten Sommer. Die Adaption von softwaregestützten Helfern, von einfachen Chatbots bis hin zu sprechenden virtuellen Assistenten wie Siri und Alexa, schreitet seit Jahren voran. Nach dem ursprünglichen Hype und einigen spektakulären Fehlversuchen sind Virtual Agents in der Realität der Unternehmen angekommen. Doch wie gut sind sie wirklich?
Antworten auf diese und andere Fragen lieferte die diesjährige Knowledge 21, die Anwenderkonferenz von ServiceNow, deren Sessions noch eine ganze Weile nach dem offiziellen Termin (11. bis 20. Mai 2021) verfügbar sein werden. Firmen wie Levi Strauss, Dell oder Heineken berichteten über die eigenen Erfahrungen mit der Implementation von Virtual Agents in den Bereichen IT-Service und Personalwesen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Das sind keine kleinen Projekte, und das liegt nicht nur an der Größe und Internationalität dieser Firmen. Denn es geht nicht einfach um die Inbetriebnahme einer neuen Software, sondern auch um den Wandel vieler interner Abläufe. Eingriffe in die Kommunikation mit den eigenen Mitarbeitenden bedingen Veränderungen auf mehreren Ebenen.
Aber um auch das vorwegzunehmen: Es lohnt sich.
Die IT-Organisation von Heineken kann nun die Anliegen ihrer Kollegen doppelt so schnell voraussehen und sich darauf einstellen;
die IT von Levi Strauss erreichte mit ihrem IT-Service erstmals einen Zufriedenheitswert von satten 100 Prozent, und
die Personalabteilung von Dell konnte fast die Hälfte der Anfragen auf Virtual Agents auslagern und gleichzeitig den Zufriedenheitswert der Mitarbeitenden auf 96 Prozent steigern.
Wie haben sie das gemacht?
Begonnen hat das Projekt bei Levi Strauss mit dem Festlegen der Ziele. "Wir wollten möglichst viele Anfragen von Virtual Agents bearbeiten lassen, indem wir es den Mitarbeitenden erleichtern, die Möglichkeiten unseres Intranets und unseres Service-Portals zu nutzen", sagt Dave Hellman, Director IT Service Management bei Levi Strauss & Co.
Danach ging es an die Vorbereitung. "Wir identifizierten die verschiedenen Anwendungsfälle, gingen in den Dialog mit allen Beteiligten und Partnern und bereiteten unser Support-Personal vor", sagt Hellman. Die Now Platform lieferte die Datenbasis dazu. "Mit ServiceNow hat man sehr viele Daten über Vorfälle und Service-Anfragen zur Verfügung; das gleicht dann dem Abschreiben aus dem Lehrbuch bei einer Prüfung. Und sie machen einen sehr guten Job darin, einem die richtigen Themen in die Hände zu legen. Als wir mit dem Service live gingen, kamen 90 Prozent der Service-Themen out-of-the-box. Unsere eigene Arbeit hielt sich sehr in Grenzen."
Bei der Implementation lag der Schwerpunkt in der Integration der Virtual Agents an den richtigen Stellen. Dave Hellman und sein Team integrierten die Agents dort, wo sich die Mitarbeitenden aufhalten oder nach Hilfe suchen, nämlich in Microsoft Teams, im Intranet und im globalen Service-Portal. "Unser Motto lautet: 'Wir wollen IT einfach machen'. Also versuchen wir den Leuten in der Umgebung zu helfen, in der sie sich wohlfühlen", so Hellman.
Seine Bilanz nach den ersten vier Monaten fällt mehr als positiv aus: Über die Hälfte aller Anfragen werden nun via Virtual Agents abgewickelt. "Das ist großartig, aber wenn man mit dem Management spricht, sind handfestere Argumente nötig", sagt Hellman. "Was besser wirkt: Alle unsere Service Level Agreements schalteten in den letzten Monaten auf Grün, die Mitarbeiterzufriedenheit mit unserem Service sprang auf 100 Prozent, und das Support-Personal hat jetzt Zeit für wichtigere Aufgaben."
Wie diese Aufgaben aussehen? "Wir werten die Daten aus und können besser proaktiv arbeiten", sagt Hellman. "Wenn wir beispielsweise sehen, dass im Unternehmen Großprojekte anlaufen, wissen wir, dass es diesbezüglich viele Anfragen geben wird. Also kümmern wir uns um diese Teams, schauen, dass sie ihre Wissensbasis rechtzeitig aufbauen, und bereiten die Virtual Agents auf die Fragen vor, die wahrscheinlich auftauchen werden. Dadurch können wir noch mehr Anfragen auf die Virtual Agents auslagern, während gleichzeitig unser Service besser wird."
Das alles war erst der Anfang
Hellman betont, dass nicht nur die Daten, sondern auch das Feedback der Belegschaft enorm wichtig ist für den Ausbau und die Verbesserung des Services. Denn schließlich hat er mit seinen Virtual Agents noch einiges vor. Angesichts der Internationalität des Bekleidungsherstellers will er als Nächstes die Virtual Agents für dynamische Übersetzungen fit machen, damit die Mitarbeitenden weltweit in ihrer jeweiligen Sprache mit dem IT-Service kommunizieren können, auch wenn ein Chatbot dazwischengeschaltet ist. Und da Virtual Agents sich im Bereich IT-Service so gut bewährt haben, sollen sie demnächst auch in den Dienst der Personalabteilung gestellt werden.
Letzteres hat Dell für seine zentrale Personalverwaltung bereits getan - mit durchschlagendem Erfolg. In den ersten drei Monaten haben 23.000 verschiedene Nutzer aus 49 Ländern die virtuellen Assistenten in Anspruch genommen. Davon stammt ein überproportional hoher Teil aus der Riege der Führungskräfte, nämlich 16 Prozent. Fast die Hälfte (47 Prozent) aller Anfragen konnte über die Virtual Agents abgewickelt werden, ohne eine Weiterleitung an eine*n HR-Mitarbeiter*in.
Unter den Mitarbeitenden, die ihre Anliegen ausschließlich über die Virtual Agents gelöst haben, lag die Zufriedenheit mit dem Service der Personalabteilung bei 78 Prozent. Um einiges höher ist die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, die vom Virtual Agent erfolgreich an eine*n HR-Mitarbeiter*in weitergeleitet wurden, nämlich bei 97 Prozent. Das dürfte mitunter daran liegen, dass die Mitarbeiter*innen der Personalabteilung sich nun mehr Zeit für die Anliegen einzelner Kollegen nehmen können, da sie nur die Hälfte der Anrufe persönlich entgegennehmen müssen.
Die allgemeine Zufriedenheitsrate mit der Personalabteilung liegt aktuell bei sagenhaften 96 Prozent. Sowohl diese Kennzahl als auch die Auslagerungsrate von 47 Prozent übertrifft bei Weitem die Erwartungen von Erin Defay, Director für HR Digital Employee Experience bei Dell in den USA. Bei ihrem Vortrag auf der Knowledge-21-Konferenz ist ihr die Erleichterung deutlich anzumerken. "Es gab im Vorfeld Diskussionen, wie es sich wohl für Mitarbeiter anfühlen würde, wenn sie es jetzt zuerst mit einem Chatbot zu tun haben, statt wie bislang gewohnt direkt mit einem HR-Kollegen zu sprechen. Was wir heute sehen, ist: Es gibt keine erkennbaren negativen Auswirkungen."
Wie Erin Defay und ihre Kollegen das zehnmonatige Projekt aufgesetzt haben, nach welchen Maßgaben sie ihre Ziele und Vorgehensweise abgesteckt haben und wie sie ihr Projekt weiterentwickeln, erfahren Sie am besten von ihr persönlich über ihren Vortrag auf der Knowledge 21.