E-Learning, digitale Skills, Selbstlernkompetenz

Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter für das 21. Jahrhundert fit machen

20.12.2019
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Karen Funk ist freie IT-Fachjournalistin und Autorin. Bis Mai 2024 war sie Redakteurin beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Zudem leitete sie 17 Jahre lang den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT und für digitale Bildung ein. 2024 erschien ihr Buch "Hack the world a better place: So gestalten Unternehmen die Zukunft", das sie mit Julia Freudenberg, Geschäftsführerin der Hacker School, zum Thema Corporate Volunteering geschrieben hat.
Müssen wir in Zukunft alle programmieren können und über KI Bescheid wissen? Diese und andere Fragen zu den Skills der Zukunft trieb die Teilnehmer der Konferenz "Lernen im 21. Jahrhundert" um, zu der die COMPUTERWOCHE in den Airport Business Park am Münchner Flughafen geladen hatte.

Rund 150 Personaler sowie Fach- und Führungskräfte waren Ende des Jahres auf der Konferenz "Lernen im 21. Jahrhundert" zusammengekommen, um sich zu digitalen Kompetenzen schlau zu machen, neue Lerntechnologien auszuprobieren und sich auszutauschen.

"Lassen Sie sich nicht verrückt machen, Sie müssen nicht alles über KI wissen," beruhigte Professor Klaus Kreulich, Vizepräsident der Hochschule München und gemeinsam mit der COMPUTERWOCHE Initiator der Konferenz, das Fachpublikum. Er präzisierte: "Es reicht, wenn Sie KI gemäß Ihrer Rolle verstehen." Entwickler sollten sich beispielsweise mit programmiertechnischen Schnittstellen auskennen, Projektmanager KI-Kompetenz im Team sicherstellen, CIOs für das Zusammenspiel der IT-Systemlandschaft mit KI-Lösungen sorgen und CEOs wissen, dass mit KI Prognosen erstellt und Entscheidungsgrundlagen geschaffen werden können.

Was müssen Mitarbeiter also künftig können, und was sollen Unternehmen tun? Kreulich plädiert für einen Mix aus dem richtigen Mindset und digitalem Fachwissen. Mitarbeiter bräuchten zum einen digitale Affinität und die Fähigkeit, den Wandel zu verstehen und mitzugestalten. Zum anderen benötigten sie Kompetenz rund um digitale Geschäftsmodelle und -prozesse sowie ausreichende Kenntnis von Digitaltechnologien, um diese zu verstehen, zu evaluieren, zu betreiben und gegebenenfalls zu entwickeln.

Zertifikate wirken

Den Unternehmen empfahl Kreulich, individuelle, auf die Funktionen und Aufgaben der Mitarbeiter zugeschnittene Lernpfade zu entwickeln. Zugleich sollten sie neue Lernmethoden (digital, gemeinsames Lernen, von Startups lernen etc.) berücksichtigen. "Am Ende geben Sie den Mitarbeitern ein Zertifikat", empfahl Kreulich. So ließen sich Anreize schaffen und Wertschätzung zeigen.

Dass viele Betriebe mit ihren Weiterbildungsmaßnahmen noch zu stark in klassischen Karrieremustern dächten und zu wenig in Lernmodellen, bemängelte Philipp Ramin, CEO und Co-Founder des Innovationszentrums für Industrie 4.0 in Regensburg. Es gehe darum, zuerst das Aufgabenspektrum der Mitarbeiter zu betrachten, um dann zu definieren, welche Skills dafür notwendig seien. Erst dann lasse sich digitale Kompetenz definieren. "Dafür brauchen wir starke HR-Verantwortliche, die nicht nur die Auftragserfüller für die Fachabteilungen sind, sondern vorangehen", postulierte Ramin. Unternehmen sollten eine Kompetenz- und Lernarchitektur entwickeln mit einer detaillierten Methodik.

Wie die Generation Z die "Alten" mitnimmt

Konkrete Beispiele, wie digitale Kultur im Unternehmen gelebt werden kann, brachte Hubert Hoffmann mit. Der CIO und CDO von MSC Germany mit Sitz in Hamburg ist nicht nur für die IT, sondern auch für die Ausbildung der 80 bis 90 Azubis bei der Container-, Kreuz- und Fährschiffreederei MSC in Deutschland zuständig. Darunter sind viele Vertreter der Generation Z, die man laut Hoffmann erst einmal "an den Haken bekommen", also für eine maritime Ausbildung begeistern müsse. "Der Ausbilder ist ein Coach", versteht Hoffmann seine Rolle. Hoffmann sprach zum Thema: "Digitale Kultur geht nur, wenn alle zusammenhalten. Die Jungen begeistern, damit sie die Alten mitnehmen". Er führte aus, wie er zunächst nur sieben Azubis von den neuen digitalen Lerninhalten überzeugt. Diese begeistern dann die übrigen 80, und schließlich stecken die Azubis auch die altgedienten Mitarbeiter an und nehmen sie mit. Dass Zertifikate wichtig sind, bestätigte auch Hoffmann: "Die Azubis sind ganz verrückt danach." Ausbildungsnachweise zu ergattern ist deshalb Teil der "Azubi Journey" bei MSC. Für ihre gute Ausbildungsarbeit wurde die Reederei vom Wirtschaftsmagazin "Capital" mit dem Prädikat "Bester Ausbilder" ausgezeichnet. "Auch Preise helfen, den Nachwuchs für das Unternehmen zu begeistern", sagte Hoffmann.

Eigenverantwortliches Lernen

Eine HR-Verantwortliche, die vorangeht, ist Inga Dransfeld-Haase. Sie ist nicht nur Personalverantwortliche der Nordzucker AG, sie engagiert sich auch als Präsidentin beim Bundesverband der Personalmanager. "Es geht nicht mehr um Jobs, sondern um Kompetenzen", sagte Dransfeld-Haase. Viele Weiterbildungsangebote müssten neu gedacht werden. Auch eigenverantwortliches Lernen sei gezielt zu adressieren und von den Unternehmen zu fördern. Dafür brauche es neue Wege, scheuten doch viele Mitarbeiter den zusätzlichen Lernaufwand. Mitarbeiter und Führungskräfte müssten das Lernpensum und die aufzuwendende Zeit gemeinsam definieren.

Lernen mit Virtual und Extended Reality

Lernaufwand hatte ein anderer Redner definitiv nicht gescheut, denn sein Motto lautete "It's cool to be clever!" Der Gründer Jonathan Sierck vom Startup vonMorgen beschrieb in einem mitreißenden Vortrag, wie sehr ihn Wissen beflügelt habe. Nach seiner aktiven Schullaufbahn habe er viele Bücher gelesen und gemerkt, wie gut man werden könne, wenn man sich richtig reinkniet. In Zeiten permanenter Ablenkung und Überforderung sei für ihn die Konzentrationsfähigkeit der wichtigste Skill. So sei er auf Virtual Reality (VR) und Extended Reality (XR) gekommen: seine Firma bietet VR- und XR-Services im Education-Bereich und für Employer-Branding-Kampagnen. XR biete einen 100prozentigen Fokus ohne Ablenkung, sei gehirngerecht, stärke das Erinnerungsvermögen und spare viel Zeit und Ressourcen.

Unlearning hierarchy

Und wie muss Führung heute aussehen? Dieser Frage widmete sich Daniel Vonier, Global Vice President Vision & Strategy Talent/Leadership/Learning bei SAP. Er berichtete davon, wie der Softwareriese Führung und Organisation zukunftsfähig aufstelle. Kern einer Initiative ist es demnach, Einfluss und Führung zwischen Leadern und Team-Mitgliedern so zu verteilen, dass beide Seiten "empowered" sind. Ein anstrengender Prozess, der sich aber lohne. Laut Vonier sind alle Bereiche, die den Wandel durchlaufen haben, heute näher am Kunden, arbeiten effektiver und tun sich leicht, Mitarbeiter zu gewinnen. In diesem Prozess sei kontextuelles Lernen und Team-Lernen wichtig, nicht so sehr das individuelle Lernen, sagte Vonier.

Bei der COMPUTERWOCHE-Konferenz "Lernen im 21. Jahrhundert" ging es um die Skills der Zukunft. Auf dem Jahrmarkt der Ideen stellten verschiedene Unternehmen ihre IT-gestützten Weiterbildungsmaßnahmen aus.
Bei der COMPUTERWOCHE-Konferenz "Lernen im 21. Jahrhundert" ging es um die Skills der Zukunft. Auf dem Jahrmarkt der Ideen stellten verschiedene Unternehmen ihre IT-gestützten Weiterbildungsmaßnahmen aus.
Foto: zaozaa19 - shutterstock.com

Großen Erfolg hatte seinen Angaben zufolge auch ein Achtsamkeitsprojekt, an dem bereits über 10.000 SAPler teilgenommen haben. 10.000 weitere stünden auf der Warteliste. Die Kennzahlen dazu lassen sich sehen: Das Engagement der Mitarbeiter und ihre Bindung an das Unternehmen seien gestiegen, während der Krankenstand zurückging.

Selbstgesteuert lernen

Auch Volker Maiborn, ebenso wie der Personaldienstleister Hays und die Gemeinde Hallbergmoos Partner der Konferenz, beschäftigt das Thema Weiterbildung und Befähigung der Mitarbeiter seit eh und je. Der Gesellschafter und Geschäftsführer der IT-Beratung MaibornWolff budgetiert pro Jahr ein Monatsgehalt je Mitarbeiter für Fortbildungsmaßnahmen und richtet sich nach vier Prinzipien, die seiner Meinung nach wirksame Lernangebote ausmachen: Sie müssen selbstgesteuert, personalisiert, situationsbezogen und alltagsintegriert sein.

Selbststeuerung brauche jedoch Orientierung: Daher bietet MaibornWolff "Netzpläne", die wie eine U-Bahn-Karte verschiedene Ausbildungs- und Weiterbildungsstrecken auch visualisiert liefern. ­Pläne gibt es etwa zu Software Engineering, Digital Consulting, Social Skills und Leadership. Die Lernangebote selbst sind ein Mix aus analogen und digitalen Modulen. Dabei experimentiert man mit neuen Tools und Plattformen. Alle Maßnahmen stehen im Einklang mit den Unternehmenswerten.

Marktplatz der Ideen

IT-gestützte Weiterbildungsmaßnahmen zum Anfassen gab es auf dem Marktplatz der Ideen, wo sich vier Aussteller mit ihren Lösungen präsentierten:

  • Das Innovationszentrum für Industrie 4.0 aus Regensburg demonstrierte E-Learning von der Lernarchitektur bis zum Lern-Nugget.

  • Im Learning Lab "Digital Technologies" der Hochschule München erfuhren die Teilnehmer in einem Hands-on-Workshop, wie digitale Technologien spielerisch vermittelt und auch technikferne Mitarbeiter an IT-Themen herangeführt werden.

  • Whatzlife stellte seine Mobile-Education-Plattform "Whatzlearn" vor, mit der Mitarbeitern nach dem Muster von "Quizduell" spielerisch Lerninhalte vermittelt werden.

  • Bei vonMorgen konnten die Teilnehmer VR Education und Employer Branding Angebote miterleben.