Deutsche Unternehmen digitalisieren langsam, aber stetig. Eine aktuelle Studie von Experton geht davon aus, dass deutsche Firmen bis 2020 rund 36 Milliarden Euro für ihre Digitalisierungsstrategien ausgeben werden. Davon sollen 56,8 Prozent auf Beratung und Dienstleistungen entfallen, der Rest auf Produkte und Lösungen. Ein wichtiger Bestandteil von Digitalisierungsstrategien ist das bessere Nutzen vorhandener sowie das Generieren neuer Datenpools mithilfe analytischen Methoden. Die Beispiele der Siemens AG sowie des Fitness-Unternehmens Injoy zeigen, wie unterschiedlich die Herangehensweisen sein können.
Digitalisierung: Siemens setzt auf internes KI-Know-how
Siemens sieht sich schon lange auf dem Weg der Digitalisierung. "Wir arbeiten bereits seit rund 20 Jahren daran, unsere Prozesse mit digitaler Intelligenz anzureichern", sagt Dr. Norbert Gaus, Executive VP und Head of Research and Technology Center bei der Siemens AG. Begonnen habe der Weg mit dem Einsatz digitaler Technologien wie CAD (Computer Aided Design) oder CAE (Computer Aided Engineering) in Design und Entwicklung.
Inzwischen erzeugen immer mehr Sensoren in Geräten immer mehr Daten. In jeder Gas- oder Windturbine etwa stecken mehr als 1000 - früher waren es vielleicht einige Dutzend. Zudem steht laut Gaus endlich Software zur Verfügung, die diese Datenmassen verarbeiten und sie mit weiteren Daten verbinden könne, in denen das in der Firma vorhandene geschäftliche und fachliche Wissen, etwa zur Parametrierung und Kalibrierung komplizierter Aggregate, kristallisiert ist. Aus den darauf fußenden Analysen entstehen entscheidungsrelevante Informationen, die beispielsweise in Betrieb, Wartung und Support vollkommen neue Geschäftsmodelle ermöglichen.
- IoT-Produkte und -Strategien der Hersteller
Im Zukunftsmarkt des Internet of Things (IoT) bringt sich nahezu jeder große IT-Hersteller in Stellung. Manchmal ist der Marktzugang nachvollziehbar, manchmal werden auch Nebelkerzen geworfen und vorhandene Produkte umdefiniert. Wir geben einen Überblick über die Strategien der wichtigsten Player. - Microsoft
Wie über 200 andere Unternehmen war der Softwarekonzern bis vor kurzem Mitglied in der von Qualcomm initiierten Allianz AllSeen und wechselte kürzlich in die neu formierte Open Connectivity Foundation. Deren Ziel ist die Entwicklung einer einzelnen Spezifikation oder zumindest eines gemeinsamen Sets an Protokollen und Projekten für alle Typen von IoT-Geräten. - Microsoft
Auf Client-Seite fungiert Windows 10 IoT Core als mögliches Betriebssystem für industrielle Geräte. Das Beispiel zeigt ein Roboter-Kit. - Microsoft
Als Cloud-Plattform stellt Microsoft die Azure IoT-Suite bereit. Diese enthält bereits einige vorkonfigurierte Lösungen für gängige Internet-of-Things-Szenarien. Mit dem Zukauf des italienischen IoT-Startups Solair wird das Portfolio erweitert. - Amazon
Das Portfolio erstreckt sich mit AWS Greengrass bis in den Edge-Bereich. So können IoT-Devices auf lokale Ereignisse reagieren, lokal auf die von ihnen erzeugten Daten wirken können, während die Cloud weiterhin für Verwaltung, Analyse und dauerhafte Speicherung verwendet wird. - IBM
Im März 2015 hat Big Blue mitgeteilt, über die nächsten vier Jahre rund drei Milliarden Dollar in den Aufbau einer IoT-Division zu investieren. Sie soll innerhalb des Unternehmensbereichs IBM Analytics angesiedelt sein. IBM will hier neue Produkte und Services entwickeln. Im Zuge dessen wurde auch die "IBM IoT Cloud Open Platform for Industries" angekündigt, auf der Kunden und Partner branchenspezifisch IoT-Lösungen designen und umsetzen können. - Intel
Obwohl sich Intel mit seinen Ein-Prozessor-Computern "Galileo" und "Edison" im Bereich der Endgeräte für das Zeitalter von Wearables und IoT schon gut gerüstet sieht, will das Unternehmen mehr vom Kuchen. "Das Internet of Things ist ein End-to-End-Thema", sagte Doug Fisher, Vice President und General Manager von Intels Software and Services Group, zur Bekanntgabe der IoT-Strategie vor einem halben Jahr. Deren Kernbestandteil ist demnach ein Gateway-Referenzdesign, das Daten von Sensoren und anderen vernetzten IoT-Geräten sammeln, verarbeiten und übersetzen kann. - Intel
Im Zentrum der IoT-Strategie des Chipherstellers steht eine neue Generation des "Intel IoT Gateway". Auf Basis der IoT Plattform bietet Intel eine Roadmap für integrierte Hard- und Software Lösungen. Sie umfasst unter anderem API-Management, Software-Services, Data Analytics, Cloud-Konnektivität, intelligente Gateways sowie eine Produktlinie skalierbarer Prozessoren mit Intel Architektur. Ein weiterer maßgeblicher Bestandteil der Roadmap ist IT-Sicherheit. - SAP
Bei der SAP IoT-Plattform "HANA Cloud Platform for IoT" handelt es sich um eine IoT-Ausführung der HANA Cloud Platform, die um Software für das Verbinden und Managen von Devices sowie Datenintegration und -analyse erweitert wurde. Die Edition ist integriert mit SAPs bereits vorgestellten IoT-Lösungen "SAP Predictive Maintenance and Service", "SAP Connected Logistics" und "Connected Manufacturing". - Hewlett-Packard
HP hat Ende Februar 2015 seine "HP Internet of Things Platform" präsentiert. Das Unternehmen richtet sich damit an "Communications Service Providers", die in die Lage versetzt werden sollen, "Smart Device Ecosystems" zu schaffen - also in ihren Netzen große Mengen an vernetzten Produkten und Endgeräten zu verwalten und die entstehenden Daten zu analysieren. - PTC
Mit der Übernahme von ThingWorx konnte der amerikanische Softwareanbieter PTC zu Beginn vergangenen Jahres zum Kreis der vielversprechendsten Internet-of-Things-Anbieter aufschließen. Das Unternehmen bietet mit "ThingWorx" eine Plattform für die Entwicklung und Inbetriebnahme von IoT-Anwendungen in Unternehmen an.
Doch bei der Technik ist nicht Schluss. "Datenbasierte Geschäftsmodelle betreffen jeden im Unternehmen", sagt Gaus. Wartungstechniker müssten mit Sensoren, Logs und den zugehörigen Dateien umgehen, die Rechtsabteilung müsse neuartige Vertragswerke entwickeln, Vertriebsmitarbeiter völlig neuartige, attraktive Angebote und so weiter: "Dieser Kulturwandel gehört zu den größten Herausforderungen." Mitarbeiter müssten dabei nicht nur flächendeckend umdenken, sondern bräuchten auch ganz neue Kompetenzen. Dafür bediene man sich der Trias aus Schulung, Akquise neuer Mitarbeiter und Kooperationen, wo das eigene Wissen nicht ausreiche.
Doch auch technologisch sei noch viel im Fluss. Von der kompletten Durchgängigkeit vom Entwurf bis zur Entsorgung sei man in der Praxis an vielen Stellen weit entfernt. Aktuelle Produkte seien zwar allesamt von Anfang an auf ein digitales Geschäftsmodell zugeschnitten und besäßen zum Beispiel die nötigen Schnittstellen und Sensoren, um für datenbasierende Geschäftsmodelle nötige Daten zu liefern, so der Manager. "Wir betreuen aber auch Systeme mit Standzeiten bis zu 30 Jahren und müssen sie auf den digitalen Weg mitnehmen."
An solchen Systemen könne man zum Beispiel außen Sensoren anbringen, die das messen, was in modernen Systemen interne Sensoren erledigen. "Für die Nachrüstung von Altgeräten brauchen wir noch intelligentere Komponenten und Lösungen", sagt Gaus. Kompliziert sei dies auch deshalb, weil man viele Kunden, die über einen Vertriebspartner gekauft hätten, gar nicht kenne und sie somit nicht direkt zur Nachrüstung ihres Equipments bewegen könne.
Den Umgang mit Daten und den Rechten daran sieht er dagegen weniger problematisch: "Beim Engineering, wo es darum geht, einen digitalen Zwilling des bestehenden Produkts zu bauen, muss man ohnehin im Interesse aller Beteiligten für Datendurchgängigkeit über die gesamte Produktionskette sorgen." In Betrieb, Wartung und Support komme es hingegen darauf an, was der Kunde wolle. Die entsprechenden Rechte an den Daten würden dann in die Verträge geschrieben. Gaus: "Wer will, dass wir ein Gerät warten, wird uns auch den Zugriff auf entsprechende Daten gestatten."
Dass Siemens sich schon vor Jahren von Telefonie und Netzwerktechnik getrennt habe, sei auf dem Weg zum digitalisierten Unternehmen kein Hindernis. Viel mehr zählten die 20 Jahre Erfahrung auf Gebieten wie Künstliche Intelligenz und neuronale Netze sowie das fachliche und geschäftliche Know-how aus den Geschäftsfeldern. Beides zusammen befähige Siemens heute, eigene Lösungen für die Kernfunktionen zu schreiben, während man Standardprodukte für Aufgaben wie Vernetzung, Integration, Modellierung, Analytics und Präsentation benutze.
Wieviele Mitarbeiter sich mit Programmieraufgaben beschäftigen, mag Gaus nicht sagen, genauso wenig, wieviel Siemens genau in die Digitalisierung des Unternehmens investiert. Klar sei aber: "Der Löwenanteil unseres Forschungs- und Entwicklungsetats fließt inzwischen in solche Projekte." Sicher ist wohl auch, dass es für Siemens keinen definierten Endpunkt der Reise ins Digitale gibt - schließlich hat auch die Technologieentwicklung immer wieder Überraschendes zu bieten.