CRM

Was ist Customer Experience Management?

30.07.2020
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Lesen Sie, was Sie über Customer Experience Management wissen müssen und wie Unternehmen mit dessen Hilfe das Kundenerlebnis optimieren können.

Customer Experience Management (CX Management) ist in den meisten Unternehmen keine Spielwiese für Marketing-Leute mehr, sondern eine ernstzunehmende Disziplin, die die gesamte Organisation betrifft. Wie die Analysten von Gartner in ihrer Studie "How to Manage Customer Experience Metrics" schreiben, haben weltweit bereits mehr als 5.000 Organisationen einen Chief Customer Officer (CCO) eingesetzt oder eine entsprechende Position geschaffen.

Mit Hilfe von Customer Experience Management lässt sich die Kundenerfahrung auf einen neuen Level heben. Hier lesen Sie, was Sie zum Thema wissen müssen.
Mit Hilfe von Customer Experience Management lässt sich die Kundenerfahrung auf einen neuen Level heben. Hier lesen Sie, was Sie zum Thema wissen müssen.
Foto: penguiin - shutterstock.com

Customer Experience Management - eine Definition

Beim Customer Experience Management geht es darum, die Kundenzufriedenheit und -loyalität zu messen, kontinuierlich zu verbessern und bei Warnzeichen frühzeitig gegenzusteuern. Unternehmen können ihre Reputation und die ihrer Marken optimieren und herausfinden, wie Kunden darüber sprechen. Ziel ist es, ein optimales, am besten emotional positiv aufgeladenes Kundenerlebnis zu schaffen, das alle Kundenerfahrungen von der Kaufentscheidung über den Kauf selbst bis hin zum Konsum von Produkt oder Dienstleistung einschließt. Kunden werden Markenbotschafter oder Fans - so lautet das Ziel, das beispielsweise Apple bei vielen iPhone-Usern erreicht.

Zuerst sprangen vor allem Unternehmen aus den Business-to-Consumer-Märkten auf den CX-Management-Zug auf, doch seit ungefähr 2015 sind auch Business-to-Business-Organisationen infiziert. Diese Betriebe haben alle gemeinsam, dass sie Messsysteme eingeführt haben, um die Qualität der Kundenerfahrung zu erfassen und zu steuern. Auch vorher wurde in den meisten Unternehmen gemessen, aber oft nicht systematisch und eher auf der Teamebene. Jetzt geht es darum, eine Verbesserung der Kundenerfahrung in der Breite zu erwirken, sich zu benchmarken und Innovationen im Bereich Customer Experience gezielt voranzubringen.

Was Customer Experience Manager messen

Was wird im Detail gemessen? Zu allererst gibt es diverse Scoring-Modelle, um die Kundenzufriedenheit zu erheben, allen voran der Customer Satisfaction Score (CSAT Score). Hier wird der Kunde direkt um eine Bewertung seiner Zufriedenheit mit einem Produkt oder Service gebeten. Hinzu kommen Metriken, die Produkt- und Servicequalität prüfen und solche, die helfen das Engagement der Mitarbeiter zu bewerten.

Gut messbar sind Aspekte wie wiederkehrende Kunden beziehungsweise wiederholte Bestellungen, pünktliche Lieferung, Rücklaufquoten, Aufwand für Kunden, Problemlösungen schon beim ersten Kundenanruf (First Contact Resolution = FCR), die Bereitschaft der Klientel als Referenzkunden zur Verfügung zu stehen, Abwanderungsquoten oder der vielzitierte Net Promoter Score (NPS). Letzterer berechnet den Saldo zwischen Kunden, die ein Unternehmen weiterempfehlen würden und solchen, die das ablehnen.

Laut Gartner haben große Konzerne mit einem Umsatz von über einer Milliarde Dollar mehr als 100 solcher Customer-Experience-Metriken im Einsatz. Tatsächlich berichten die Marktforscher sogar von einzelnen Betrieben mit mehr als 400 Metriken dieser Art. Das Problem ist aber, dass in den meisten Fällen viele Menschen in verschiedenen Unternehmensbereichen damit arbeiten, so dass auf Grund von Inseln und Kommunikationsdefiziten Inkonsistenzen auftreten.

So kümmert sich beispielsweise jemand im Marketing um Metriken zum Thema Kundenbindung, während im Kundenservice erfasst wird, wie viele Anrufer schon beim ersten Call zufriedengestellt werden konnten. Die Finanzabteilung weiß, wie viele Kunden wiederholt bestellen, die Logistiker kennen die Lieferzeiten.

Eine Herausforderung besteht also darin, die im Unternehmen eingesetzten Metriken zu konsolidieren und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Außerdem müssen Systeme geschaffen werden, um die Kennzahlen zu tracken und zu verwalten. Und schließlich gilt es zu gewichten: Welche Kennzahl ist uns am wichtigsten, weil sie am meisten aussagt beziehungsweise die größte Auswirkung auf unseren Erfolg hat?

Die 5 Kategorien der Customer Experience

Laut Gartner sind es am Ende fünf Kategorien, auf die Unternehmen bei ihren CX-Kennzahlsystemen immer wieder zurückkommen:

  • Kundenzufriedenheit

  • Loyalität/Wechselbereitschaft

  • Reputation/Markenwahrnehmung/Fürsprecher im Markt

  • Qualität

  • Mitarbeiterengagement

Die Kundenzufriedenheit wird mit klassischen Umfragen erhoben, aber auch durch "implizite Metriken" wie etwa Produktbeurteilungen, pünktliche Lieferungen, Menge der Supportanfragen, Menge der First-Call-Lösungsraten oder auch durch Testkäufe (Mystery Shopping). Geht es um Kundenloyalität beziehungsweise Abwanderungsgelüste, werden historische Daten über Zu- und Abgänge herangezogen. Zudem wird analysiert, ob Kunden an Loyality-Programmen teilnehmen, wie oft und wieviel sie kaufen, wie häufig sie mit dem Unternehmen interagieren, welche Verkaufskanäle sie bevorzugen und vieles mehr.

Ob die Kunden das Unternehmen weiterempfehlen würden, hängt unter anderem vom Ruf der Marken und von den Fürsprechern ab - insbesondere von denen im Internet. Hier helfen Sentiment-Analysen im Social Web weiter: Wie wird eine Marke wahrgenommen? Wird ihr vertraut und ausreichend darüber kommuniziert? Weckt sie Emotionen? Der NPS ist hier eine populäre Metrik.

Produktqualität macht Kundenzufriedenheit

Unterschätzt wird beim Customer Experience Management immer wieder die Bedeutung der Qualität von Produkten und Services. Hier bestehen die Kunden darauf, dass Versprechen eingelöst und geweckte Erwartungen erfüllt werden. Geschieht das nicht, ist die Kundenerfahrung schlecht - ganz egal, was sich Unternehmen einfallen lassen, um den Schaden zu begrenzen. Unternehmen sollten sich also mit Kennzahlen zu Produktfehlern, Preisen, Verfügbarkeiten, Lieferzeiten, End-to-End-Transaktionen beschäftigen. Das ist definitiv die Basis für eine gute Kundenerfahrung.

Warum sind schließlich auch Engagement und Motivation der Mitarbeiter wichtige Messpunkte? Weil alle Studien zeigen, dass zufriedene Mitarbeiter für zufriedene Kunden sorgen. Laut Gartner beschäftigen sich erstaunlich wenige Unternehmen mit der Mitarbeitermotivation, und wenn sie diese doch messen, dann wird oft keine Beziehung zur Kundenzufriedenheit hergestellt.

Personalabteilungen und Fachbereichs-Leiter geben diese Daten nur ungern heraus - aus Datenschutzgründen oder weil eben niemand gerne schlechte Nachrichten aus seinem eigenen Verantwortungsbereich teilt. Auch gängige Governance-Methoden wie die Balanced Scorecard stehen dem im Wege, da hier Schlüsselmetriken in den Bereichen Finanzen, Prozesse, Mitarbeiter und Kunden unabhängig voneinander betrachtet werden.

Worauf es beim Kundenzufriedenheits-Management ankommt

Nicht alle Kennzahlen zur Messung der Kundenzufriedenheit sind gleich relevant. Erfolgreiche Unternehmen identifizieren die für ihre strategischen Geschäftsziele entscheidenden Top-Level-Metriken und verdichten sie zu KPIs. Dennoch empfiehlt Gartner, sich nicht allein auf solche KPIs zu verlassen, sondern mit einem Mix aus über- und untergeordneten Kennzahlen zu arbeiten, um ein möglichst geschlossenes Bild von Kundenerfahrungen sowie geschäftlicher und betrieblicher Performance zu bekommen.

Um ihre Kennzahlen im Blick zu behalten, setzen die meisten Betriebe auf ein Customer Experience Dashboard, mit dem sie alle Werte konsolidiert überblicken können. Eine solche Übersicht macht die verschiedenen Aspekte der Kundenerfahrung transparent und erlaubt es, Einblicke gezielt mit anderen Mitarbeitern und Abteilungen zu teilen. Jeder bekommt seine Sicht auf die Kundenerfahrung, wobei verschiedene Perspektiven eingenommen werden können.

Schwieriger und seltener ist der Ansatz, eine Hierarchie von Metriken aufzubauen und dabei die Beziehung zwischen KPIs auf höchster Ebene und betrieblichen Kennzahlen auf unterster Ebene abzubilden. Hier geht es - grob gesagt - darum, die Kundenerfahrung anhand einer Kette von Metriken zu verfolgen. Grundgedanke ist etwa, dass eine größere Mitarbeiterzufriedenheit zu einer höheren Produkt- und Servicequalität führt, was wiederum Kundenzufriedenheit und -loyalität erhöht. Die meisten CX-Verantwortlichen glauben zwar an solche Beziehungsketten, aber sie lassen sich kaum beweisen, geschweige denn erheben - zumindest nicht zeit- und kostengerecht und ohne, dass die Organisation auf den Kopf gestellt würde.

Da ergibt der dritte Ansatz des "Kundenzufriedenheits-Index" anhand einer Reihe unterschiedlich gewichteter Kennzahlen schon mehr Sinn. Als Beispiel mag ein Werkstattbetrieb gelten, der Autos abschleppt und repariert. Hier dürfte die Reaktionszeit auf einen Hilferuf eine wichtige Kennzahl sein, die hoch zu gewichten ist. Die Freundlichkeit und Professionalität des Mechanikers ist indes weniger wichtig - oder vielleicht doch nicht? Genau hier beginnen die Probleme dieses Ansatzes: Wie lässt sich herausfinden, welche Relevanz den einzelnen Metriken zukommen sollte? Manche Unternehmen verlassen sich auf Kundenbefragungen, viele eher auf ihre Intuition - was die Ergebnisse zweifelhaft erscheinen lässt.

Erfolge auf der Customer Experience Journey

Customer-Experience-Verantwortliche sollten sich davor hüten, Metriken wie CSAT, NPS oder Customer Effect Score (CES) mit dem Versprechen an den Vorstand einzuführen, in einem Jahr werde das Unternehmen diesbezüglich eine Spitzenposition erreichen. Beim CES handelt es sich um eine Kennzahl, die beschreibt, mit welchem Aufwand Kunden bestellen, kaufen, kommunizieren oder zu Problemlösungen kommen.

Laut Gartner dauert es vier bis fünf Jahre, ehe sich echte Erfolge aufgrund des Einsatzes dieser und anderer Metriken einstellen. Hintergrund ist, dass die Variablen, die zu mehr Kundenzufriedenheit führen, vielfältig sind und erst einmal erkannt und erfasst werden müssen. Oft haben die CX-Leader keine Kontrolle oder Sichtbarkeit darüber.

Dass es sich lohnt, in die Customer Experience zu investieren, beweist Forrester Research in der Studie "How Customer Experience Drives Business Growth, 2019". Anhand von 15 untersuchten Branchen zeigen die Analysten in einem durchaus komplizierten Verfahren auf, dass sich Investitionen in eine bessere Kundenerfahrung eigentlich immer auszahlen, wobei es aber von Branche zu Branche Unterschiede gibt. Überproportional profitieren demnach Autohersteller, Unternehmen der Finanzwirtschaft und Hotels von CX-Investitionen. Immer noch gut zahlen sich entsprechende Ausgaben für Fluggesellschaften, den Handel, Versicherungen und Mobilfunkunternehmen aus.

Softwareprodukte für Customer Experience Management

Eine Voraussetzung für das Customer Experience Management sind durchgängige integrierte Lösungen und gepflegte Daten. An beidem hapert es häufig. Die Adobe in Auftrag gegebenen Umfrage "Mind the Data Gap" zeigt, dass nur 19 Prozent der deutschen Unternehmen Daten ins Zentrum ihres Customer Experience Managements stellen. Hinderlich ist demnach das immer noch stark ausgeprägte Abteilungsdenken. Die daraus resultierenden Datensilos behindern einen übergreifenden Dateneinsatz. Außerdem fehlt es an qualifizierten Mitarbeitern und einer einheitlichen Technologie, die das Zusammenführen von Daten aus unterschiedlichen Quellen einfach macht.

Als Software-"Marktführer" im Bereich CX-Management sieht Gartner Adobe, IBM und Salesforce, während Microsoft, Oracle und SAP als "Herausforderer" das Verfolgerfeld bildeten. Generell sei der Anbietermarkt noch relativ unreif. Die Hersteller hätten noch etliche funktionale Lücken zu schließen.

Lesetipp: Customer Experience Management scheitert oft an den Daten

Adobe biete mit seiner Experience Cloud ein breites Spektrum an Werkzeugen für das Customer Experience Management, überfordere aber viele Anwender mit der Komplexität der Plattform. Die Integrationsaufgaben seien vielfältig, die Betriebskosten hoch und der Lernaufwand stattlich. IBM könne durch den Einsatz moderner Technologien vor allem im KI-Umfeld punkten, verunsichere seine Kunden aber mit einer unklaren Produktstrategie, einem ausufernden Portfolio und einer komplexen Architektur.

Bei anderen Anbietern wie Salesforce und Microsoft moniert Gartner funktionale Lücken im Angebot. Das zwinge die Anwender dazu, offene Flanken mit Werkzeugen anderer Anbieter zu schließen - was wiederum zu steigenden Integrationsaufwänden führe.