Sie haben sicher schon gehört, dass Programmierkenntnisse einem Freifahrtschein für eine tolle IT-Karriere gleichkommen. Inzwischen ist es schon fast zum politischen Klischee geworden, Beschäftigten in dahinsiechenden Branchen nahezulegen, doch endlich coden zu lernen. Wer diesen Rat befolgt - so die gängige Annahme - den erwarten ein erfüllender Job und lukrative Verdienstmöglichkeiten. Egal, wen Sie auch fragen - Softwareentwickler sind die Gewinner auf dem heutigen Arbeitsmarkt.
Die Realität sieht jedoch leider oft völlig anders aus, so Alex Yelenevych, Mitbegründer und CMO von CodeGym, einem Anbieter für Online-Java-Kurse. Viele seiner Kunden wollen sich neue Skills aneignen, um aus ihren aktuellen Developer-Jobs zu entkommen: "Sie gehen in endlosem Unit Testing und Legacy Code unter und fühlen sich wie Fließbandarbeiter."
Tatsache ist: Viele Jobs im Bereich Softwareentwicklung können sich wie die "Verliererseite" anfühlen. Wir haben einige Tech- und Karriereexperten dazu befragt, wie man solche Jobangebote vorab erkennt, vermeidet oder ihnen wieder entkommt, wenn es schon zu spät ist.
Wie Entwickler Verliererjobs erkennen
Grundsätzlich ist es eine rein subjektive Einschätzung, ob sich ein Job nach "Verliererseite" anfühlt - was für den einen ein Albtraum ist, ist für den anderen unter Umständen die totale Erfüllung. "Doch manchmal enden Menschen in Entwicklerjobs, die überhaupt nicht zu ihnen passen", meint Sanket Shah, CEO von InVideo. "Troubleshooting und die Überarbeitung von schlecht geschriebenem Code mit noch schlechterer Dokumentation oder ein Übermaß an Bulk Coding sind Aufgaben, die viele Developer als nervig oder langweilig empfinden."
Glücklicherweise gibt es einige Alarmsignale, auf die Softwareentwickler achten können, um nicht im falschen Job zu landen. Eines davon hängt direkt mit dem Status der IT innerhalb eines Unternehmens zusammen, erklärt Ryan Maxwell, CTO bei FirstRate Data: "Wenn die IT-Abteilung ausschließlich als Cost Center und nicht als strategisches Asset gesehen wird, sollten die Alarmglocken schrillen." Er würde Softwareentwicklern immer empfehlen, von solchen Unternehmen Abstand zu nehmen, meint Maxwell, denn: "Die Qualität der IT wird hier niemals im Fokus stehen und den Developern kommt für gewöhnlich nur die Aufgabe zu, die Systeme am Laufen zu halten. Zu minimalen Kosten versteht sich."
Wenn Sie ein Jobangebot in Betracht ziehen, gilt generell: Konzentrieren Sie sich nicht nur auf die Aspekte der Programmierarbeit, sondern achten Sie darauf, welchen Wertbeitrag Sie für das gesamte Unternehmen leisten und ob dessen Ziele für Sie erstrebenswert sind. "Wenn Sie sich in Ihrem derzeitigen Job nicht gut aufgehoben fühlen, sollten Sie sich fragen, was Sie wirklich gerne machen wollen", empfiehlt Tom Winter, Mitbegründer von DevSkiller. "Wenn Sie von den Produkten des neuen Unternehmens überzeugt sind, ist das der erste Schritt zum Gewinnerjob."
- Produkt- & Projektmanager
Ganz generell schätzen es Entwickler nicht so besonders, wenn ihnen jemand erklären will, wie sie ihren Job zu machen haben. Weil Produkt- und Projektmanager aber oft Entwickler-Teams leiten, passiert genau das. Das kann zu Unstimmigkeiten führen. <br /><br /> Dazu hat auch David Fox von devRant eine Meinung: "Letztendlich ist es in den meisten Fällen so, dass Produkt- und Projektmanager in irgendeiner Art und Weise die 'Besitzer' von Projekten und Prozessen sind, ohne dabei die täglichen Herausforderungen und Probleme der Softwareentwickler zu kennen." - Chefs
Genau wie die Produkt- und Projektmanager sind auch Development oder Engineering Manager dafür zuständig, Teams von Entwicklern zu führen und sicherzustellen, dass Projekte rechtzeitig und unter Budget fertiggestellt werden. <br /><br /> "In einigen Unternehmen können Situationen entstehen, in denen der Chef gleichzeitig Mitglied des Entwicklerteams ist. Insbesondere wenn der Chef vorher selbst Entwickler war und nach einer Beförderung zum Chef wird, ist Konfliktpotenzial gegeben", merkt Fox an. - Recruiter
Softwareentwickler müssen gar nicht selbst aktiv nach einem Job suchen, um von Recruitern und Headhuntern belästigt zu werden - dem Fachkräftemangel sei Dank. Es dürfte sehr schwer sein, einen Developer zu finden, der noch nicht in die Fänge der Recruiter geraten ist. <br /><br /> David Fox sieht insbesondere die Hartnäckigkeit der Recruiter als Problem: "Sie rufen an, sie e-mailen und sie lassen Dich einfach nicht in Ruhe - selbst dann, wenn Du gar keinen Job suchst. Und selbst wenn man eine Anstellung sucht, neigen viele Recruiter dazu, irrelevante Jobangebote zu machen oder Stellen zu empfehlen, deren Profil überhaupt nicht passt - etwa einen Job am anderen Ende des Landes, obwohl man gar nicht bereit ist, umzuziehen." - Dokumentation
Gibt es keine Dokumentation, beschweren sich die Softwareentwickler. Wenn es zuviel ist, beschweren sie sich und wenn sie die Dokumentation selbst erledigen müssen, auch. Sogar über die Art und Weise, wie andere Leute die Dokumentationsaufgabe bewältigen, beschweren sich die Entwickler. <br /><br /> An dieser Stelle seien sich auch endlich einmal alle Entwickler einig, wie Fox betont: "Softwareentwickler wollen eine ausführliche, gut geschriebene und akkurate Dokumentation - aber selber machen wollen sie es nicht." - Meetings
Meetings sind nicht nur für alle anderen ein Problem, sondern auch für Softwareentwickler. Insbesondere dann, wenn es sich um völlig unnötige, zeitraubende und stinklangweilige Zusammenkünfte handelt. Wie Fox erzählt, sind inzwischen auch Devotionalien mit der Aufschrift 'I survived another meeting that should have been an email' erhältlich. - Coworking Spaces
Mit dem Aufstieg der Agilität sind flache Hierarchien, Collaboration und Teamwork zum Alltag in Unternehmen geworden - insbesondere für Software-Development-Teams. Gerade die können ihre Arbeit in einem Großraumbüro aber meist nur schwer oder gar nicht bewältigen - sagen zumindest die Zahlen von devRant. <br /><br /> David Fox erklärt: "Es gibt einfach zuviel Ablenkung: die Kollegen unterhalten sich, Meetings werden verpasst, Telefonanrufe überhört. Es gibt auch eine Vielzahl an Beschwerden über den Kaffee im Büro und andere Annehmlichkeiten - oder eben das Gegenteil davon." - Kollegen
Selbsterklärend: Jeder hat wohl einen Kollegen oder eine Kollegin, den beziehungsweise die er ganz besonders schätzt. Nicht. <br /><br /> Im Fall der Softwareentwickler ist die Abneigung gegenüber Kollegen meist entweder in der mangelnden Qualität ihrer Arbeit oder einem völlig aus dem Leim gegangenen Ego begründet, gibt David Fox preis. - Vorstellungsgespräche
Wenn ein Softwareentwickler auf Jobsuche ist und zum Bewerbungsgespräch geladen wird, gibt es danach meist auch etwas zu meckern: <br /><br /> "Dumme Fragen oder die Lösung von völlig praxisfernen Aufgaben im Bewerbungsgespräch stoßen den Developern ebenso sauer auf, wie ein Gesprächspartner, der überhaupt nicht weiß, was ein Entwickler eigentlich genau macht", so Fox. - Fehler & Bugs
Softwareentwickler haben tagein, tagaus mit Fehlern und Bugs zu tun. Deswegen glaubt devRant-Gründer Fox, dass Entwickler in dieser Sache anders ticken: <br /><br /> "Die meisten anderen Probleme erfahren keine positive Auflösung, aber Bugs und Fehler sind behebbar und das fühlt sich gut an." - Quality Assurance
Die Quality Assurance (QA) - oder Qualitätssicherung - ist ein kritischer Teil der Softwareentwicklung. Dennoch bemängeln Softwareentwickler an QA-Experten häufig dieselben Dinge wie an Produkt- und Projektmanagern, so Fox. <br /><br /> "Die Qualitätssicherung bekommt das Produkt oder Projekt in die Hände, wenn die Entwickler es abgeschlossen haben. Deswegen verstehen sie oft nicht, welche Hürden und Workarounds die Entwickler im Entstehungsprozess bewältigen mussten. Offensichtlich kommt es auch regelmäßig vor, dass QA-Leute die Entwickler bitten, Bereiche nochmals zu überarbeiten, die sie auch selbst bewältigen könnten."
Wie Developer der Hölle entkommen
Wenn Ihr Developer-Job Sie bereits zu erdrücken droht, sollten Sie sich bewusst machen, dass im Bereich der Softwareentwicklung teilweise erhebliche Skill Gaps zu finden sind. Das bringt Arbeit mit sich - aber wenn Sie einen Bereich im Blick haben, indem Sie künftig gerne arbeiten möchten, müssen Sie auch die Motivation aufbringen, sich die nötigen Programmiersprachen oder Technologien anzueignen. Das bedeutet nicht, dass Sie in kürzester Zeit zum absoluten Crack mutieren müssen. Aber Sie sollten die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten - beispielsweise Online-Kurse und Video-Tutorials - nutzen, um weiterzukommen. "Besonders jetzt im Jahr 2021, wo Remote-Einstellungen nicht mehr außergewöhnlich sind und räumliche Distanz immer seltener eine Rolle mehr spielt", meint Winter.
Wenn es um Berufserfahrung geht, die im neuen Job abgefragt wird, wird die Sache schon diffiziler. Eva-Marie Costello ist Chief of Staff bei Springboard, einem Anbieter von Online-Kursen für Data Science, Machine Learning, Design und Analytics, und weiß, worauf es bei der Lebenslauf-Optimierung ankommt: "Jede Form der Erfahrung lässt sich gewinnbringend nutzen. Es kommt dabei auf die Präsentation und Perspektive an. Wir vermitteln unseren Kunden, ihre Berufserfahrungen so zu präsentieren, dass potenzielle Arbeitgeber darin einen Mehrwert erkennen können."
"Jeder Job ist eine Lernerfahrung", meint Sander Tamm, Gründer und CEO von E-Student. "Sie müssen sich bei jeder neuen Möglichkeit die Frage stellen: 'Was kann ich daraus lernen?' Skills, Prozesse, Software? Das gilt auch in ungünstigen Situationen: Von jemandem, der alles falsch macht, kann man eine Menge lernen."
Ein weiterer Weg, Ihre Karriere voranzubringen: Arbeiten Sie umsonst. Zum Beispiel für eine Nonprofit-Organisation oder eine Community. "Bieten Sie technische Hilfe oder Unterstützung an und testen Sie in diesem Umfeld neue Skills, die Sie sich angeeignet haben", rät Mark A. Herschberg, Autor von "The Career Toolkit: Essential Skills for Success That No One Taught You".
Skills jenseits der Programmierarbeit
Bei allen technischen Skills sollten Sie Ihr Augenmerk auch auf Soft Skills legen, die in technisch orientierten Berufen allzu oft unter den Tisch fallen. Dennoch sind Soft Skills bei Arbeitgebern genauso gerne gesehen wie technische Fähigkeiten - insbesondere, wenn es um besser bezahlte Jobs in höheren Positionen geht.
"Von einer Programmiersprache zur anderen zu wechseln, ist ehrlich gesagt kein besonders großer Sprung", meint Herschberg. "Kennen Sie sich mit interdisziplinärer Teamarbeit aus? Wissen Sie, wie man mit Budgets umgeht? Oder können Sie vielleicht technische Sachverhalte auch für Außenstehende leicht verständlich erklären?"
Nach Meinung von Fahim ul Haq, CEO und Mitbegründer von Educative.io, sind Bewerbungsgespräche für einen Technik-Job die perfekte Gelegenheit, Skills zu präsentieren, die Sie sich durch ungewöhnliche Erfahrungen angeeignet haben. Zudem spiele die Persönlichkeit eines Bewerbers für Recruiter eine immer wichtigere Rolle, so der Experte: "Die Wichtigkeit einer gesunden Unternehmenskultur hat sich herumgesprochen. Persönliche Eigenschaften und 'Cultural Fit' sind deshalb auch in Bewerbungsgesprächen erfolgskritisch."
Zwischenmenschliche Fähigkeiten sind jedoch auch im Alltagsleben wichtig. Zum Beispiel, wenn es darum geht, ein Netzwerk aufzubauen. Das kann extrem hilfreich sein bei der Suche nach einem neuen Job. Allerdings sollte das Netzwerk mehr umfassen als nur die nächsten Kollegen, wie Autor Herschberg weiß: "Auch ein Netzwerk braucht Diversität. Vernetzen Sie sich auch mit Menschen aus anderen Fachgebieten. Ich kenne viele Leute, die auf der Suche nach einem 'Tech Guy' sind - das könnten Sie sein."
So bleiben Softwareentwickler Gewinner
Haben Sie einen Developer-Job ergattert, der Ihnen wirklich Freude bereitet? Dann sollten Sie sich nicht auf Ihren Lorbeeren ausruhen. Vielleicht wendet sich das Blatt in einigen Jahren, weil Routine Einzug hält, ein neues Management eingesetzt wird oder sich Aufgaben und Prozesse verändern.
Deshalb sollten Sie immer bereit sein, sich nach etwas Besserem umzusehen. Herschberg, der neben seiner Autorentätigkeit auch am renommierten MIT unterrichtet, ist überzeugt davon, dass Vorbereitung und Lernen nicht mit dem Diplom, Bachelor oder Master enden: "Wir als Gesellschaft müssen viel regelmäßiger lernen. Für Unternehmen heißt das, umzudenken und beispielsweise Sabbaticals zu ermöglichen, die zur Skill-Optimierung genutzt werden." (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.
- Die Gehaltsauswertung
Für die COMPUTERWOCHE hat die Hamburger Vergütungsberatung COP Compensation Partner GmbH Gehaltsdaten von Softwareentwicklern ausgewertet. Dafür wurden insgesamt rund 6000 Daten herangezogen. 4275 davon befassten sich mit Backend- und 1682 mit Frontend-Entwicklern. - Das verdienen IT-Entwickler
Alle Gehälter haben stark angezogen, vor allem bei Berufseinsteigern In Deutschland verdienen Backend- durchschnittlich 61.200 € und Frontend-Entwickler um die 46.700 €. - Das verdienen Entwickler ohne Berufserfahrung
Ein Backend-Entwickler verdient ohne Berufserfahrung bereits rund 52.300 €. Als Frontend-Entwickler erreicht er ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von 40.400 €. - Bis zu 80.000 € mit 20 Jahren Berufserfahrung
Nach 20 Jahren Berufserfahrung dürfte der Backend-Entwickler knapp 80.000 € und ein Frontend-ITler circa 59.300 € verdienen. - In kleinen Firmen bis zu 57.000 €
In einer Firma mit bis zu 50 Mitarbeitern verdienen Backend-Entwickler um die 57.000 und im Frontend-Bereich circa 42.000 Euro. - Das verdient ein Entwickler in einer Firma ab 1.000 Mitarbeitern
Übersteigt die Firma eine Mitarbeiterzahl von 1.000 so erhalten Entwickler im Backend-Bereich ein durchschnittliches Gehalt von 68.000 € - im Frontend-Bereich wiederum knapp 54.000 € im Jahr. - Mit kleiner Personalverantwortung ab 90.000 €
Hat ein Backend-Entwickler eine kleine Personalverantwortung von einem bis drei Mitarbeitern steigt sein Gehalt auf 105.000 und bei einem Frontend-Entwickler auf 94.000 Euro. - Mit bis zu 30 Mitarbeitern 100.000 € im Jahr
Für Backend-Entwickler mit einer Personalverantwortung von 16 bis 30 Mitarbeitern gibt es laut Studie um die 115.300 und für Frontend-Entwickler 102.300 Euro pro Jahr. - Im Maschinenbau 60.000 € im Jahr verdienen
Auch die Branche hat einen Einfluss auf das Gehalt. Ein Backend-Entwickler erreicht im Maschinenbau ein durchschnittliches Gehalt von 63.700 € im Jahr. - In der Chemie bis zu 49.000 €
Ein Frontend-Entwickler in der Chemie erhält ein durchschnittliches Gehalt von 49.000 €. - München ist Spitzenreiter
In München sind die Gehälter für Backend-Entwickler mit 74.000 € durchschnittlich um rund 10.000 € höher als in anderen bayerischen Regionen. Frontend-Entwickler erreichen hier ein Durchschnittsgehalt von 56.500 € – das sind immer noch 7.000 € mehr, als in Restbayern. - Mit Personalverantwortung in München bis zu 130.000 € verdienen
Mit Personalverantwortung kann das Gehalt für Backend-Entwickler in der bayerischen Landeshauptstadt auf bis zu 132.000 € steigen. Ein Frontend-Entwickler verdient hier um die 117.000 €. - In Berlin um die 58.000 €
In Berlin liegt das Durchschnittsgehalt für Backend-Entwickler bei circa 58.000 €. Für Frontend-Entwickler gibt es rund 44.000 € im Jahr. - 65.200 € für Backend-Entwickler in Hamburg
Hamburg bietet ein durchschnittliches Gehalt von 65.2000 € für IT-Backend-Entwickler. Im Frontendbereich sind wesentlich weniger: 49.000 € im Jahr. - In Mecklenburg-Vorpommern um die 46.700 € verdienen
In Mecklenburg-Vorpommern verdient ein Backend-Entwickler um die 46.700 € – im Frontendbereich sind es wieder weniger: 35.400 € pro Jahr.