Potenziale, Ansätze, Erfolgsfaktoren

Wie sich Digitalisierung rechnet

09.01.2024
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Jan Rodig leitet das Kompetenzfeld Digital Performance & Analytics bei der Unternehmensberatung Struktur Management Partner. Er ist Experte für die Konzeption und Umsetzung von Digitalstrategien, für digitale Geschäftsmodelle und Digitalorganisationen. Herr Rodig ist Co-Autor mehrerer IoT-Fachbücher, Mitglied der BMWi-Initiative Plattform Industrie 4.0 und war bis 2019 CEO eines von ihm mitgegründeten IoT-Softwaredienstleisters.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern soll letztendlich eine Wertsteigerung des Unternehmens bewirken. Eine Studie gibt Aufschluss über Potenziale, Ansätze und Erfolgsfaktoren.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss sich auszahlen.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss sich auszahlen.
Foto: William Potter - shutterstock.com

Einst eine rein technische Entwicklung, hat sich Digitalisierung längst zu einem entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung von Unternehmen entwickelt. Digitalisierung um der Digitalisierung willen ist allerdings nicht zielführend. Deshalb steht die digitale Wertsteigerung immer häufiger im Fokus. Doch wie genau lässt sich diese erreichen und welche Voraussetzungen braucht es dafür?

Mit dieser Frage beschäftigt sich eine aktuelle Studie, die Struktur Management Partner in Zusammenarbeit mit SAP, Exxeta sowie der WHU - Otto Beisheim School of Management durchgeführt hat. In deren Rahmen konnte bislang ein differenziertes Bild über mehr als 1.000 Unternehmen gewonnen werden, die im Besitz von Family Offices als auch Private Equity-Investoren sind. Folgender Beitrag wirft einen Blick auf die ersten Erkenntnisse.

Wertsteigerung durch Digitalisierung

Der Begriff der digitalen Wertsteigerung ist grundsätzlich viel weiter gefasst als der Begriff der Digitalisierung, der sich lediglich auf den Prozess der Umwandlung von analogen Informationen in ein digitales Format, beziehungsweise die Nutzung digitaler Daten zur Vereinfachung und Verbesserung von Geschäftsprozessen bezieht.

Digitale Wertsteigerung unterscheidet sich auch grundlegend vom Begriff der digitalen Transformation. Im Fokus steht die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahmen, das heißt die tatsächliche Steigerung der finanziellen Leistung, beziehungsweise des Wertes eines Unternehmens durch die Verwendung digitaler Technologien und Ansätze.

Dies kann grundsätzlich auf zwei Wegen geschehen, nämlich:

  • über die Steigerung der Profitabilität durch mehr profitablen Umsatz oder eine höhere Effizienz.

  • über eine sogenannte Multiple Expansion, also die Erhöhung des Bewertungsfaktors eines Unternehmens (mit welchem der Gewinn eines Unternehmens bei der Unternehmensbewertung multipliziert wird).

Bei der Frage nach den Erwartungen an den Einsatz digitaler Möglichkeiten liegt Option Eins vorne: 84 Prozent der Befragten erwarten hier durch den Einsatz digitaler Technologien vor allem eine signifikante Steigerung der Effizienz. Gleichzeitig sehen es aber auch 76 Prozent als bedeutend an, mit digitalen Technologien die Prozesse innerhalb des Unternehmens zu beschleunigen und 72 Prozent finden es entscheidend, mit der digitalen Weiterentwicklung auch neue Einnahmequellen erschließen zu können.

Letztlich geht es bei allen Maßnahmen um das finanzielle Ergebnis von Digitalisierung beziehungsweise digitaler Transformation. Am Ende muss es sich rechnen – und laut Studienteilnehmer tut es das auch:

  • 57 Prozent der Befragten erreichten eine Steigerung der EBIT-Marge um 0,5-2,5 Prozentpunkte,

  • Bei 27 Prozent lag die Steigerung sogar darüber.

  • 46 Prozent gaben an, dass durch Maßnahmen zur digitalen Wertsteigerung eine EBITDA-Multiple-Expansion von bis zu 1x erreicht werden konnte,

  • 43 Prozent gaben einen EBITDA-Multiple-Ausbau zwischen 1x und 2x an und

  • 11 Prozent der Befragten konnten sogar mehr als 2x erreichen.

Grundlagen für digitale Wertsteigerung

Bevor Unternehmen Wertsteigerung durch digitale Maßnahmen generieren können, sollten sie den Blick auf die zentralen „Enabler“ richten, die dafür der Schlüssel sind: IT-Architektur & IT-Systeme, Cybersicherheit, grundlegende Fachkompetenzen, Organisationsdesign, kulturelle Aspekte bzw. die entsprechende Mentalität, das digitale Ökosystem, die richtigen Partner, und, da solche Initiativen oft mit großen Umstellungen und Veränderungen verbunden sind, gelungenes Change-Management.

Diese Einflussfaktoren müssen sehr sorgfältig bedacht werden, da digitale Wertschöpfungsinitiativen in der Regel erhebliche Veränderungen in mindestens einem dieser Bereiche erfordern, um erfolgreich zu sein. Bezüglich der Bedeutung dieser verschiedenen Bereiche ergab die Studie folgendes Ergebnis:

  • Rund 67 Prozent der Befragten sehen einen kulturellen und organisatorischen Wandel als wichtigste Grundlage an.

  • Für rund 46 Prozent ist ERP (Enterprise Resource Planning) die entscheidende Grundlage.

  • 34 Prozent betrachten die Implementierung eines Data Warehouse als grundlegende Voraussetzung für digitale Wertsteigerung.

Entwicklung einer "digitalen DNA"

Der wichtigste Enabler, der kulturelle und organisatorische Wandel, beinhaltet vor allem die Entwicklung einer „digitalen DNA" – für 67 Prozent der Befragten eine Top-Priorität. Nach unserer Definition besteht sie aus drei Elementen, nämlich:

  1. Kundenzentrierung: Die konsequente Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen mit Fokus auf den Kunden. Das Ziel dabei ist, den Kunden durch einen klaren Nutzen und eine hohe Benutzerfreundlichkeit ein hervorragendes Erlebnis zu bieten. Was trivial klingen mag, ist in der Praxis oft schwer zu erreichen. Traditionelle Produktentwicklungsprozesse müssen oft völlig neu gedacht und gestaltet werden, um die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Das stellt einen Paradigmenwechsel dar, den erfahrungsgemäß viele Manager unterschätzen.

  2. Datengetriebene Entscheidungen: Entscheidungen im Unternehmen werden auf Basis aussagekräftiger Daten getroffen und basieren nicht auf Bauchgefühlen, persönlichen Vorlieben oder hierarchischen Strukturen.

  3. Agilität: Arbeit muss iterativer werden. Anstatt neue Produkte zu perfektionieren, bevor sie auf den Markt kommen, werden Funktionalitäten schrittweise nach den wichtigsten Kundenanforderungen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit entwickelt, beginnend mit einem Minimum Viable Product (MVP). Dies erfordert interdisziplinäre, abteilungsübergreifende und sich selbst organisierende Teams.

Alle drei Elemente der digitalen DNA entfalten erst in Kombination ihre volle Kraft: Auf dem Weg zu mehr Kundenorientierung muss das Unternehmen eine große Menge an verlässlichen Daten sammeln und diese Erkenntnisse anschließend in agilen Entwicklungsprozessen nutzen.