Chancen und Risiken der Plattformökonomie

Wie Plattformen die Digitalwirtschaft bestimmen

09.07.2019
Von 
Dominik Rüchardt ist Leiter Geschäfts-, Markt- und Partnerentwicklung bei PTC.

Plattformen im B2B-Geschäft haben ihre eigenen Regeln

Neben den auch im Privatkundengeschäft bekannten Plattformen gibt es auch im B2B-Sektor Plattformen. Das können Handelsplattformen sein, etwa zur Vermittlung von industriellen Leistungen oder Softwareplattformen. Handelsplattformen, sogenannte Marketplaces, bieten jede Art von Industriedienst an. Das Spektrum reicht von Nischenprodukten im speziellen Industrien, etwa um Daten von speziellen Formaten in andere umzuwandeln, bis zum Angebot von Dienstleistungen und Ressourcenkapazitäten. Etwa Konstruktionsarbeiten, Simulationsberechnungen oder einfachfreier Rechnerkapazität.

Diese Plattformen dienen der Optimierung in einem Marktgefüge, das Aufgaben außerhalb der eigenen Kernkompetenz auslagert. Hier sind Aspekte wie Genauigkeit der Leistungsbeschreibung und Qualitätssicherheit von besonderer Bedeutung. Daher sind diese Plattformen in der Regel sehr marktspezifisch. Und vergleichsweise wenig konsolidiert.

Softwareplattformen bieten dagegen die Grundlage für einen einheitlichen Datenverkehr innerhalb eines Geschäftsfeldes. Sie bewegen sich im Bereich zwischen Standardisierung und Innovation und zielen dabei auf Marktsituationen, die einerseits einen hohen Bedarf an Harmonisierung von Abläufen haben, andererseits einem Innovationstempo unterliegen, welches einer Standardisierung im Weg steht.

Es gab bereits in der Vergangenheit plattformähnliche Effekte, etwa dass Automobilunternehmen sich auf eine einheitliche Software für Bauteilkonstruktion geeinigt haben, um den Datenverkehr in der Lieferkette zu vereinfachen. Eine an sich gute Idee, die anderseits teilweise in hohe Abhängigkeiten von Herstellern geführt hat mit allen Folgen. Ergebnis war in diesem Fall ein massives Bestreben in der Industrie zur Standardisierung, um diese Abhängigkeit aufzulösen.

Absehbare Konsolidierung

Je umfassender eine brancheninterne Vernetzung stattfindet, desto größer ist die Chance für eine Plattform. Beim Themenfeld Industrie 4.0 ist beispielweise eine baldige branchenbezogene Konsolidierung absehbar, da viele vernetzte Geschäftsmodelle von der Zuverlässigkeit einer grundlegenden Softwareinfrastruktur abhängig sind. Die gibt es, sofern das Themenfeld noch nicht durch Standards definiert ist, in der benötigten Stabilität und Schnittstellensicherheit in der Regel nur auf Basis einer Plattform.

Der Konsolidierungsprozess wird einhergehen mit der Realisierung großer Vernetzungsszenarien auf Unternehmensebene. Dann werden Nachfolgeeffekte eintreten und Nischenanbieter, die für einen Demonstrator noch ausreichende Technologie geliefert haben, müssen großen Anbietern weichen, die vom Lösungsumfang und der Verbreitung her in der Lage sind, ganze Industrien weltweit zu unterstützen und ihre Anforderungen zu einem gemeinsamen Modell zu führen.

Plattformen erfordern Distanz zum eigenen Geschäft

Doch zurück zur Fragestellung, ob sich das eigene Geschäft für eine Plattform eignet. Kern einer Prüfung ist die Frage: Gibt es ein Szenario, in dem eine große Nutzerzahl für jeden einzelnen Nutzer einen deutlichen Vorteil darstellt?

Die Zutaten für so ein Geschäftsmodell können breit gestreut sein. Von der reinen Handelsplattform, eBay ist dabei ein klassisches Modell, das allein durch die Marktgröße als Plattform dominiert, bis zum global verteilten Computerspiel. Wichtig ist dabei vor allem die Stabilität des Angebotes. Eine Plattform wird schnell von einer großen Zahl von Anwendern mit sehr unterschiedlichem Hintergrund genutzt. Die Modelle müssen einfach und robust sein, die Abhängigkeit von Dritten muss dafür möglichst geringgehalten werden. Sie ist eine andauernde Fehlerquelle und sollte durch eine sehr harte Qualitätskontrolle abgesichert sein.

Ebay dominiert allein durch die Marktgröße als Plattform.
Ebay dominiert allein durch die Marktgröße als Plattform.
Foto: Katherine Welles - shutterstock.com

Möglichkeiten eröffnen sich neben dem eigenen Geschäftsumfeld derzeit durch die zunehmende Vernetzung des öffentlichen Raumes. Potenzial für eine Plattform hätte beispielsweise eine Parkplatz-Finder-App, die in der Lage wäre, Parkplätze nicht nur zu Orten, sondern auch intelligent zuzuweisen. Hier treten allerdings derzeit Kommunen in den Wettbewerb mit Automobilherstellern, wer Zugriff auf Information zu freien Parkplätzen erhält.

Denkbar sind auch Geschäftsnetzwerke zu bestimmten Themen oder um bestimmte Standards herum. Ebenso wie der AppStore für allgemeine Apps sind auch Marktplätze für Spezialthemen attraktiv. Etwa für Dienstleistungen, von der Partnervermittlung bis zur Ingenieursleistung. Doch so einfach sind die Themen nicht zu finden.

Eine Plattform ist ein Schaufenster, in das alle etwas hineinlegen. Das kann auch sehr schnell unübersichtlich und damit unattraktiv werden. Sie benötigt also strenge Regeln und sehr einfache Prinzipien. Dazu muss der Nutzen für den Einzelnen deutlich größer sein als seine gefühlte Leistung, die er einbringt. Viele erste Versuche von Plattformen, wo etwa private Handwerksleistungen getauscht werden sollten ("Tausche Bohren gegen Blumengießen.") sind beispielsweise schnell unübersichtlich und leiden an mangelnder Qualitätssicherung.

Der Plattformmarkt ist hart umkämpft

Ein weiterer Aspekt bei Plattformen ist das Thema der Finanzkraft. Es steht weiterhin sehr viel Geld zur Verfügung, um in erfolgversprechende Geschäftsmodelle zu investieren. Sobald eine Plattform oder ihr Thema daher erfolgreich ist, wird sie vermutlich entweder gekauft oder es wird mit hohem Investitionsvolumen ein Konkurrenzprodukt geschaffen. Plattformanbieter sollten sich dessen bewusst sein und geschickt verhalten.

Insgesamt ist das Finden einer durchschlagenden Plattformidee angesichts der enormen Potenziale ein heiß umkämpfter Markt und voller Risiken. Die Idee muss sitzen und es müssen der Wille, die Mittel und die Fähigkeit da sein, stark und global zu wachsen und sich dabei einem harten Wettbewerb zu stellen, der sich aus finanzstarken Gegnern einserseits und einer auf Regulierung bedachten öffentlichen Hand andererseits zusammensetzt. (mb)