Hannover Messe

Wie nPotato und KI die Kartoffelernte verbessern

29.03.2018
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Smart Farming in der Praxis: Ein Forschungsteam der Saar-Uni und des DFKI demonstriert auf der HMI, wie sich die Kartoffelproduktion mit Hilfe von IoT und KI optimieren lässt.

Bei der Kartoffelernte kann es recht grob zur Sache gehen. Während früher Bauern samt Familie und Helfern auf dem Feld die zartbesaiteten Knollen von Hand aufsammelten, ist heutzutage der Vollernter im Einsatz. Läuft hier etwas schief, rumpeln die Kartoffeln hart über die Rüttelbänder, sie schlagen an Steine, prallen auf den Förderbahnen aneinander. Davon bekommen die sensiblen Knollen "blaue" Flecke. Das kann ihnen so zusetzen, dass es Ernteausfälle gibt.

Erntemaschinen gehen nicht zimperlich mit Kartoffeln um.
Erntemaschinen gehen nicht zimperlich mit Kartoffeln um.
Foto: Stockr - shutterstock.com

"Wenn der Landwirt weiß, dass die Kartoffeln zu viele Schläge einstecken, kann er reagieren, erklärt Dr. Sabine Janzen, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Saar-Uni. "Er kann etwa die Geschwindigkeit der Erntemaschine anpassen oder mehr Erde mit aufs Förderband nehmen."

Mit der Frage, wie der Bauer solche Informationen bekommt und zwar rechtzeitig auf dem Feld bei der Ernte, befassen sich die Wirtschaftsinformatiker im Rahmen ihres Forschungsschwerpunkts "Smart Services". "Wir erforschen, wie wir aus Daten im Sinne von Industrie 4.0 wertschaffende Schlüsse ziehen", erklärt Professor Wolfgang Maaß: "Die Landwirtschaft arbeitet noch sehr traditionell. Sie ist zwar stark technisiert und digitalisiert, zieht aber noch keinen Nutzen aus den Daten, die hier anfallen."

Sein Forscherteam macht die Kartoffel und ihren Weg vom Feld bis in die Fabrik gläsern für alle Beteiligten, vom Bauern über Lieferanten und Produzenten bis hin zum Rohstoffinvestor. Hierfür legen die Wirtschaftsinformatiker eine "digitale Verwaltungsschale" an, die so viele Informationen wie möglich über die Kartoffel-Charge enthält.

Künstliche Knolle erfasst Stöße und Rotationen

So liefert eine mit Sensoren bestückte künstliche Knolle unter anderem Informationen darüber, wie viele Schläge die Kartoffeln abbekommen. Die sogenannte nPotato nimmt denselben Weg durch die Erntemaschinerie wie ihr echtes Pendant und erfasst dabei Stöße und Rotationen. Wird es zu viel, warnt sie. "Um physische und virtuelle Gegenstände zu vernetzen, die Stöße zu klassifizieren und Schlussfolgerungen zu ziehen, kombinieren wir Methoden des maschinellen Lernens, so genannte Deep-Learning-Verfahren, mit Informations- und Kommunikations-Technologien", erklärt Sabine Janzen.

Die Forscher verknüpfen so zahlreiche Daten: Wann wurde die Kartoffel welcher Sorte wo geerntet, wie ist ihr Wassergehalt, wofür eignet sie sich. Sie integrieren Preis- und Finanzprognosen und zukünftig auch historische Daten, erntelogistische Prozesse aus dem Vorjahr, Wettervorhersagen wie auch Expertenwissen des Landwirts.

Auf diese Weise schaffen sie eine Serviceplattform für alle, die mit der Knolle zu tun bekommen: Von der Entscheidungshilfe für den Landwirt, wann er die Kartoffeln am besten auf den Markt bringt, bis hin zu Qualitäts-Stufen, ob sich die Charge für den Sternekoch oder eher für Stärkemehl eignet. Auch Produktionsmaschinen können sich anpassen und zum Beispiel die Kartoffelschale tiefer abschälen. Zudem können Rohstoffinvestoren durch Qualitätssiegel Käufe absichern.

Predictive Procurement für Chipshersteller

"Wenn wir die Daten mehrerer Landwirte zusammen betrachten, sind uns noch weitergehende Prognosen möglich", erklärt Professor Maaß. So könnten sich Chips-Hersteller zum Beispiel für eine andere Kartoffelsorte entscheiden, wenn die Erntequalität absehbar so ausfällt, dass bei der anderen Sorte in drei Monaten ein Problem entsteht.

Auf der Hannover Messe vom 23. bis 27. April zeigen die Forscher ihr Verfahren am saarländischen Forschungsstand (Halle 2, Stand B 46) und suchen Partner, um es für den Praxiseinsatz weiterzuentwickeln.