Cardisiographie

Wie KI die Herzgesundheit revolutioniert

18.04.2022
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Meik Baumeister ist Co-Founder und CEO von Cardisio, hat über 20 Jahre Erfahrung in der Umsetzung von komplexen IT-Projekten und Führung von IT-Unternehmen. Angefangen als Berater für Business Intelligence und CRM, führte ihn sein Werdegang als Geschäftsführer zu mehreren mittelständischen IT-Häusern in ganz Deutschland (u.A. 7N, IMPAQ Group). Eine besondere Expertise weist Meik Baumeister in den Bereichen E-Health, Kardiologie und Künstliche Intelligenz auf. Zudem war er reich am personellen Aufbau von jungen Startups und im Markeneintrittsmanagement beteiligt.
Innerhalb weniger Minuten schafft es ein neues KI-gestütztes Verfahren, Herzdaten eingehend zu untersuchen, den Herzzustand in einem PDF grafisch darzustellen und eine klinische Empfehlung abzugeben.
Mit Hilfe von KI lassen sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig erkennen und so besser behandeln.
Mit Hilfe von KI lassen sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig erkennen und so besser behandeln.
Foto: Have a nice day Photo - shutterstock.com

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch die Todesursache Nummer 1 in Deutschland. 40 Prozent aller Todesfälle sind darauf zurückzuführen. Dabei sind Herz-Krankheiten auch deshalb so tückisch, weil sie häufig lange unentdeckt bleiben und symptomlos voranschreiten – der Herzinfarkt ist meist das erste und leider oft auch tödliche Symptom der Erkrankung. Dabei lassen sich Herz-Kreislauf-Krankheiten gerade bei jungen Menschen oft sehr gut behandeln, wenn sie denn rechtzeitig erkannt werden.

Das Dilemma der Herzvorsorge wie sie heute läuft

Die am weitesten verbreitete Vorsorgemethode in der Herzmedizin ist das (Belastungs-)EKG. Diese Methode ist schon über hundert Jahre alt und dementsprechend etabliert. Das Dilemma dabei: Ein EKG verfügt nur über eine geringe Aussagekraft – viele Herzkrankheiten bleiben mit dieser Standardmethode häufig unerkannt. Andere Methoden wie der Herzkatheter sind zwar deutlich präziser, allerdings ist ihr Einsatz auch mit einem deutlich höheren Aufwand und Kosten sowie der ungleich höheren Belastung für die Patienten und Patientinnen verbunden. Eine neue Methode hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, diesen Zwiespalt zu überwinden: Sie ist ähnlich wie ein EKG unkompliziert, sicher und günstig anzuwenden und trotzdem präzise mit einer hohen Aussagekraft. Was ihr dabei hilft: Künstliche Intelligenz (KI).

Auf in die dritte Dimension

Diese neue Methode baut auf dem Verfahren der Vektorkardiographie auf. Ähnlich wie bei einem EKG wird dabei die elektrische Aktivität des Herzens aufgezeichnet – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Wo das EKG nur zwei Dimensionen erfasst, sorgt eine zusätzliche Elektrode am Rücken bei der Vektorkardiographie für eine Datenaufnahme im dreidimensionalen Raum. So wird der Spannungsverlauf von drei Vektoren aufgezeichnet, die vom Herzen ausgehen:

  • Die P-Schleife zeigt die Erregungsausbreitung im Vorhof an

  • Die QRS-Schleife bildet die Erregungsausbreitung im Ventrikel (den Herzhöhlen) ab

  • Die T-Schleife ergibt sich aus der Rückbildung dieser Erregung

Dieses dreidimensionale Verfahren ermöglicht deutlich präzisere Analysen als ein klassisches EKG, kam aber in der Vergangenheit fast nie zum Einsatz, da die Interpretation eines Vektorkardiogramms sehr komplex ist.

Nachvollziehbare Ergebnisse dank Künstlicher Intelligenz

Hier kommt nun der Algorithmus ins Spiel: bei der Cardisiographie (auch 3D-Vektor-EKG genannt), einer Weiterentwicklung der Vektorkardiographie durch das deutsche Startup Cardisio, analysiert die künstliche Intelligenz die aufgezeichneten Herzdaten. So werden die Ergebnisse innerhalb weniger Minuten aufbereitet und für die Ärzte nachvollziehbar und interpretierbar. Der Cloud-basierte Algorithmus ist dazu fähig, Millionen Features pro Aufnahme zu verarbeiten und den Zustand des Herzens in einem einfachen PDF grafisch darzustellen. Zudem kann er eine klinische Empfehlung abgeben. Damit die KI dazu in der Lage ist, wurde sie unter anderem mithilfe von Studienergebnissen trainiert, die aus Röntgenuntersuchungen der Herzkranzgefäße, der sogenannten Koronarangiographie, gewonnen wurden.

Training Day 4.0

Und der Algorithmus wird immer weiter trainiert, sodass seine Performance und die Genauigkeit seiner Vorhersagen immer besser werden. Dafür setzen die Experten von Cardisio auf das sogenannte Supervised Machine Learning. Beim Supervised Machine Learning geht es darum, der KI beizubringen, bestimmte Datensätze richtig zu interpretieren und zu klassifizieren. Ziel ist es, dass die KI möglichst präzise Voraussagen für die Zukunft treffen kann. Dafür wird sie mit Daten gefüttert, die sie aufgrund der zahlreichen Parameter richtig zuordnen kann.

Im Falle des Cardisio-Algorithmus gilt: Er soll die bei der Cardisiographie gewonnenen Werte des Herzens richtig interpretieren, um daraufhin möglichst genaue Voraussagen über den Zustand des Herzens der Patienten treffen zu können. Diese Voraussagen sind auch heute schon sehr präzise. In einer klinischen Studie konnte die Cardisiographie eine Sensitivität von 97 Prozent bei männlichen und 90 Prozent bei weiblichen Probanden mit koronarer Herzkrankheit aufweisen.

Die Sensitivität gibt an, wie groß der Anteil der Kranken ist, die durch diese Methode korrekt als solche erkannt werden.

Das Belastungs-EKG weist beispielsweise nur eine Sensitivität von 50 Prozent auf, wobei die Patienten einem wesentlich höheren Risiko ausgesetzt sind.

Das Supervised Machine Learning wird als Alternative zum Deep Learning verstanden. Bei letzterem wird die KI mit einer solchen Datenmenge gefüttert, dass die Komplexität enorm ansteigt und das Zustandekommen der Ergebnisse schlussendlich nicht mehr erklärt werden kann. Beim Supervised Machine Learning hingegen wird die KI nur mit gezielt gesammelten Daten gefüttert. Dadurch bleiben die Voraussagen des Algorithmus nachvollzieh- und erklärbar. Nur so können Ärzte die Kontrolle behalten und die Patienten korrekt behandeln.

Die Zukunft der Herzvorsorge: Das Beste aus beiden Welten

Für die Herzvorsorge bietet KI nie da gewesene Möglichkeiten und löst viele Probleme. So können beispielsweise dank der 3D-Aufzeichnung und der anschließenden Auswertung durch den Algorithmus nun auch ischämische Herzkrankheiten, also Durchblutungsstörungen des Herzens, erkannt werden. Dies war mit dem klassischen EKG bisher nur sehr begrenzt beziehungsweise nur in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium möglich. Auch strukturelle Herzkrankheiten werden bei diesem Screening-Verfahren erkannt. Zudem wird mithilfe der künstlichen Intelligenz ein bisher unbekanntes Level an Genauigkeit erreicht.

Ähnliche Präzisionswerte wurden bislang nur von äußerst aufwändigeren und kostenintensiveren Verfahren, zum Beispiel Herz-MRT oder Herzkatheter erreicht. Dabei bleibt die Cardisiographie jedoch nicht-invasiv und daher risikolos. So können Herzkrankheiten dank künstlicher Intelligenz in Zukunft schnell und präzise erkannt sowie gezielt therapiert werden, bevor sie Leben gefährden.

Damit passt die Cardisiographie gut zur Zielsetzung der modernen Medizin, die Prävention von Krankheiten mehr in den Fokus zu rücken. Vielen Menschen wird bewusst, dass sie kontinuierlich etwas für ihre Gesundheit tun sollten, um sich möglichst lange fit und belastbar zu halten. Für die Herzgesundheit gibt es dafür seit kurzem eine gute Anlaufstelle: Die Webseite cardiocheckup.health. (mp/hk)