Die Zahl der offenen Stellen in der IT steigt seit vier Jahren in Folge: Laut der neuesten Umfrage des Branchenverbands Bitkom gibt es aktuell in Deutschland etwa 149.000 IT-Jobs zu vergeben, 12.000 mehr als im letzten Jahr. IT-Stellen bleiben im Durchschnitt 7,7 Monate unbesetzt und drei Viertel der befragten Unternehmen erwarten eine weitere Verschärfung der Situation. Besonders die Lücken im Bereich Software-Entwicklung führen dazu, dass Digitalisierungsprojekte ins Stocken kommen.
Um Abhilfe zu schaffen, setzen immer mehr Unternehmen auf Low-Code-Tools. Diese heben die Programmierung auf ein höheres Abstraktionsniveau - von der Eingabe von Code-Zeilen auf das Orchestrieren von Funktionsblöcken - und können deshalb auch von Mitarbeitern bedient werden, die keine Programmiersprachen beherrschen. Diese Citizen Developer sind in der Regel Mitarbeiter von Fachbereichen außerhalb der IT, die aber technisch versiert sind und die Prozesse des jeweiligen Geschäftsbereichs gut kennen. In dieser Funktion sollen sie langfristig eine Art verlängerte Werkbank der Software-Entwicklung bilden, die einen Großteil der Anwendungen für den jeweiligen Fachbereich erstellt.
Der Aufbau einer Citizen Developer Community ist allerdings eine anspruchsvolle und facettenreiche Aufgabe. Noch dazu ist es eine relativ neue Disziplin, weshalb Erfahrungswerte in diesem Bereich Gold wert sind. Entsprechend voll war der Saal bei der Präsentation von Uwe Ditz auf der ServiceNow World Summit in Frankfurt letzten November. Uwe Ditz ist Senior Program Manager und zuständig für die Governance der Low-Code-Entwicklung bei Heraeus. In dieser Eigenschaft hat er die Low-Code-Aktivitäten auf der Now Platform beim deutschen Technologiekonzern von Anfang an begleitet.
Warum sich Heraeus für ServiceNow entschied
"Unsere Low-Code-Reise begann vor genau einem Jahr, hier in Frankfurt auf der letzten World Summit", erzählt Ditz. Damals ließ er sich zusammen mit seinen Kollegen zunächst vom Low-Code-Team von ServiceNow beraten. Daraufhin erwarb das Team einige Lizenzen für die App Engine, lernte die Entwicklungsumgebung kennen und fing an, zu experimentieren. Mit der Now Platform war die IT bei Heraeus grundsätzlich vertraut, da sie beim Konzern seit 2018 im IT Service Management, HR (Case & Knowledge Management) und Facility Services (Site Operations) eingesetzt wird.
Neben der App Engine waren auch Low-Code-Produkte anderer Anbieter in der Evaluation, doch die Entscheidung fiel zugunsten von ServiceNow. "Letztendlich war die Frage des richtigen Fundaments ausschlaggebend", erklärt Uwe Ditz. "Die Now Platform bietet eine gute CMDB, gute Governance, gute Master-Daten. Das ist absolut essenziell, um die nächsten Stufen gehen zu können. Außerdem können wir mit dem One-Platform-Ansatz viele Synergien nutzen. Die App Engine ist zwar eine eigenständige Entwicklungsumgebung, aber sie kann viele Ressourcen und Prozesse nutzen, die bereits in der Now Platform vorhanden sind."
Die Business-Entscheider ließen sich durch eine Kosten/Nutzen-Betrachtung überzeugen. Maßgeblich waren dabei drei Kriterien - Time-to-Market, Mandantenfähigkeit sowie die Master-Daten und Schnittstellen. "Das Management will schnelle Ergebnisse sehen", sagt Uwe Ditz über den Punkt Time-to-Market. Deswegen hätten hier die kurzen Entwicklungszeiten, das Rapid Prototyping und die einfachen Möglichkeiten für den Einsatz generativer KI auf der Now Platform eine große Rolle gespielt.
Übereinstimmung von Anforderungen und Features
Auch die Mandantenfähigkeit ist für ein international agierendes Unternehmen mit der sehr unterschiedlichen Sparten eine Schlüsselkomponente. "Heraeus ist ein Konzern mit insgesamt zwanzig Geschäftseinheiten", erklärt Uwe Ditz. "Wir müssen und können die Apps speziell nach den Anforderungen der einzelnen Geschäftsbereiche realisieren, trotzdem aber die Governance zentral über dieselbe Plattform in der IT verwalten."
Beim dritten Kriterium, Master-Daten und Schnittstellen, überzeugte das einheitliche Datenmodell der Now Platform. "Wir können auf diese Weise viele Master-Daten, Out-of-the-box-Datenmodelle und Organisationsstrukturen einfach nutzen. Hinzu kommen die existierenden Schnittstellen zu Kernanwendungen wie SAP oder SuccessFactors. Das ist ein Riesenvorteil, wenn man neue Anwendungen von Grund auf programmieren will, denn man muss keine Daten replizieren und keine neuen Datensilos errichten", so Ditz.
Übereinstimmung gab es auch hinsichtlich den Bedürfnissen von Heraeus in Sachen Low-Code-Programmierung und der Art von Anwendungen, bei welchen die Now Platform ihre Stärken ausspielen kann. Dazu gehören laut Uwe Ditz die Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen und Workflows, insbesondere wenn Self-Service-Portale erstellt oder externe Partner eingebunden werden sollen, sowie für Anwendungen, in denen Formulare, Benachrichtigungen, Reporting, Analytics und Machine Learning zum Einsatz kommen.
Die Zügel fest in der Hand der IT
Nachdem die Entscheidung für die Now Platform gefallen war, machten sich Uwe Ditz und sein Team an die Konzeption ihres Low-Code-Projekts. Dieses sieht vier Phasen vor - Crawl, Walk, Run und Fly. "Ich würde sagen, wir stehen aktuell irgendwo zwischen Walk und Run", sagt Ditz. Crawl war die Phase der Evaluation, des Trainings und der Identifizierung von Anwendungsfällen, bei Walk wurden erste Pilotprojekte durchgeführt. Während der ersten drei Phasen hält die zentrale IT die Zügel fest in der Hand und etabliert die grundlegenden Prozesse, die künftig die Zusammenarbeit mit der Citizen Developer Community bestimmen werden. Während der Run-Phase werden die künftigen Citizen Developer langsam an ihre Aufgabe herangeführt und in der Fly-Phase können sie eigenständig arbeiten.
Prototyping und App-Erstellung finden momentan noch in einem "Guided"-Modus in der zentralen IT statt. Möchte ein Fachbereich eine Anwendung erstellt haben, muss zuerst ein Formular mit den Anforderungen für den Prototypen ausgefüllt sowie die Kriterien für die Abnahme vereinbart werden. Ganz oben auf der Gesprächsliste steht dabei die Governance. "Dieses Thema muss geklärt sein, bevor wir an die Entwicklung herangehen", sagt Ditz. "Wir wollen keine Apps entwickeln, die wir nicht kontrollieren können, und die dann zu einer Art Büchse der Pandora werden."
Um Governance-Fragen zu klären, stehen im Team von Uwe Ditz ein Business-Analyst und ein ServiceNow-Architekt zur Verfügung. "Das Gespräch findet bereits im ersten Meeting statt, in dem wir die Anforderungen besprechen", betont Ditz. "Während der Prototyping-Phase nutzen wir Solution Design Templates, in denen wesentliche Governance-Fragen adressiert werden. Dazu gehört zum Beispiel die Frage nach dem Product Owner der App, wenn diese live gegangen ist. Dessen Name wird sich wohl über die Zeit ändern, doch die Rolle und die Verantwortlichkeit müssen feststehen. Aus der Perspektive der Produktentwicklung gehört zu Governance auch die Einhaltung der Standards für User Interface, User Experience, etc."
Prototyp-Erstellung in 14 Tagen
Im Anschluss dazu erarbeitet die IT zusammen mit dem Fachbereich ein Go-to-Market-Modell für die Anwendung. Laut Uwe Ditz liegt der Zeitrahmen zwischen der ersten Besprechung und der Fertigstellung des Prototypen bei etwa 14 Tagen, wobei die erste Hälfte dieser Zeit der Abstimmung mit dem Fachbereich, dem Design-Workshop und der Bestimmung der Abnahmekriterien gewidmet ist. Um die Low-Code-Entwicklung weiter zu beschleunigen, setzt Ditz langfristig auf die Verfügbarkeit von Templates, die etwa 80 Prozent der geforderten Funktionalität abbilden und nur 20 Prozent wirklich neu entwickelt werden müssen.
Entspricht der Prototyp den Vorstellungen des Fachbereichs, betet die IT aktuell einen Implementation Service, über den die App entwickelt wird. Sobald sie fertig ist, kommen die Enablement Services der IT zum Tragen, über welche sich die Mitarbeiter des Fachbereichs mit der App und deren Betrieb vertraut machen, die Feinabstimmung vorgenommen wird und schließlich die App live geht.
Erst wenn all diese Prozesse etabliert sind und sich eingeschwungen haben, möchte sich Uwe Ditz und sein Team an den Aufbau der Citizen Developer Community innerhalb der Fachbereiche heranwagen. Er rechnet damit, dass vor dem Übergang der Low-Code-Entwicklung in den Non-Guided-Modus eine hybride Phase notwendig sein wird, während welcher die Entwicklung zwar in den Fachbereichen stattfindet, aber unter strenger Aufsicht der IT. Erst wenn die Zusammenarbeit zwischen IT und Citizen Developern gut klappt und die entsprechende Governance etabliert wurde, ist der Aufbau der Community abgeschlossen und las Low-Code-Projekt im Fly-Modus.
Mehr über die Low-Code-Fähigkeiten der Now Platform finden Sie hier.