"Wir beobachten das jeden Tag", sagt Steven Lentz, CSO bei Samsung Research America. "Irgendetwas kommt durch, ein Exploit, unbekannte Ransomware. Wir haben solche Angriffe bereits mehrfach abgewehrt - entweder auf Netzwerk- oder Endpunkt-Ebene." Bei den Attacken, von denen der Samsung-CSO so sorgenvoll spricht, handelt es sich um Angriffe mit "Fileless Malware" - auch bekannt unter der Bezeichnung "Zero-footprint Malware", "Macro Malware" oder "Non-Malware".
Das Besondere an dieser Art des Angriffs auf die IT-Sicherheit: Während der Attacke wird keine neue Software installiert. Klassische Antivirus-Tools haben es mit Fileless Malware also besonders schwer.
"Hierin liegt die echte Bedrohung"
Auch Whitelisting umschiffen solche Angriffe geschickt. Das soll eigentlich dafür sorgen, dass nur geprüfte Applikationen installiert werden können. Fileless Malware nutzt genau diese Apps, die bereits installiert und damit autorisiert sind.
Dabei sind die Begriffe "Fileless", "Zero-Footprint" und "Non-Malware" technisch eigentlich unzureichend, wie Cristiana Brafman Kittner, Senior Analyst beim Security Provider FireEye, erklärt: "Malware, die keinerlei Spuren hinterlässt, gibt es nicht. Es gibt immer Wege, sie zu entdecken, sogar, wenn sie sich nicht auf der Festplatte installiert." Zudem, fügt die Expertin hinzu, könne Fileless Malware auch Antivirus-Lösungen nicht komplett umgehen. Schließlich sei die Software in der Lage, unter Umständen auch infizierte Anhänge oder Links erkennen - auch wenn kein .exe-File vorhanden ist.
Dennoch: Mit Fileless Malware steigen die Erfolgschancen krimineller Hacker. "Hierin liegt die echte Bedrohung", analysiert Lentz. Um dieser Bedrohung Herr zu werden, setzt man bei Samsung Research auf verhaltensbasierte Systeme. So konnte man bereits einige maliziöse Machenschaften aufdecken, wie Lentz erzählt: "Bei Besuchern, die sich in unser Unternehmensnetzwerk eingeloggt haben, haben wir bereits Keylogger und andere Schädlinge entdeckt, die von der installierten Antivirus-Software nicht erkannt wurden."
Hacker-Trend Fileless Malware
Laut Mike Viscusco, CTO beim Security-Anbieter Carbon Black, hat die Zahl der Angriffe mit Fileless Malware von rund drei Prozent auf 13 Prozent zugelegt - und zwar im Zeitraumvon Januar bis November 2016. "Und es ist keine Ende in Sicht", weiß Viscusco. "Inzwischen besitzt eine von drei Infektionen eine Fileless-Komponente."
Das untermauern auch die Daten der Carbon-Black-Kunden. Eine interne Studie des Security-Anbieters hat mehr als 1000 Kunden und rund 2,5 Millionen Endpunkte untersucht. Das Ergebnis: So gut wie jedes Unternehmen wurde dabei zum Ziel von Fileless Malware. Für die Angreifer macht diese Art des Angriffs Sinn, wie Viscuso weiß: "Ich habe über zehn Jahre als Hacker für die US-Regierung gearbeitet - unter anderem fürNSA und CIA. Ich sehe die Dinge aus Sicht eines Angreifers."
Und aus deren Perspektive ist es nun einmal so, dass die Installation von Software auf dem Rechner eines Opfers potenziell immer auch Aufmerksamkeit erregt. Ein Angriff mit Fileless Malware ist fürkriminelle Hacker deshalb so attraktiv, weil die Chance unbemerkt zu bleiben deutlich höher ist. Das treibt gleichzeitig auch die Erfolgschancen einer Attacke deutlich nach oben.
Dabei müssen die Cyberkriminellen auch keinerlei Abstriche machen, wie Viscuso erläutert: "Die Payloads sind exakt dieselben. Wenn ein Angreifer beispielsweise einen Ransomware-Angriff plant, kann er dazu eine Binärdatei installieren oder Powershellnutzen. Letztgenanntes System-Tool kann alles, was eine neue Applikation auch kann. Es gibt bei Angriffen mit FilelessMalware keinerlei Einschränkungen für kriminelle Hacker."
- US-Demokraten
Im Rahmen eines großangelegten Datendiebstahls werden E-Mails aus dem Democratic National Commitee (DNC) veröffentlicht. Das sorgt nicht nur dafür, dass sich viele US-Amerikaner von der Demokratischen Partei – und ihrer Kandidatin Hillary Clinton – lossagen: Es beweist in den Augen vieler Menschen auch, dass Russland die US-Wahl zu Gunsten von Donald Trump beeinflusst. - Dyn
Eine massive DDoS-Attacke auf den DNS-Provider Dyn sorgt im Oktober für Wirbel: Mit Hilfe eines Botnetzes – bestehend aus tausenden unzureichend gesicherten IoT-Devices – gelingt es Cyberkriminellen, gleich drei Data Center von Dyn lahmzulegen. Amazon, GitHub, Twitter, die New York Times und einige weitere, große Websites sind über Stunden nicht erreichbar. - Panama Papers
Schon aufgrund der schieren Anzahl an gestohlenen Datensätzen, ist der Cyberangriff auf den panamischen Rechtsdienstleister Mossack Fonseca einer der größten Hacks des Jahres: 2,6 Terabyte an brisanten Daten werden dem Unternehmen gestohlen. Mit weitreichenden Folgen, denn die Dokumente decken auf, mit welchen Methoden mehr als 70 Politiker und Vorstände aus aller Welt Steuern mit Hilfe von Offshore-Firmen "sparen". - Yahoo
Erst im September musste Yahoo den größten Hack aller Zeiten eingestehen. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass dieselben Hacker sich bereits ein Jahr zuvor deutlich übertroffen hatten: Bei einem Cyberangriff im August 2013 wurden demnach die Konten von knapp einer Milliarde Yahoo-Usern kompromittiert. Dabei wurden Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter abgegriffen. - NSA
Eine Hackergruppe namens "Shadow Brokers" sorgt im Oktober für Aufsehen, indem sie versucht, Hacking-Tools auf der Blog-Plattform tumblr zu versteigern. Das Besondere daran: Das Toolset wollen die Cyberkriminellen zuvor von der berüchtigten Hackergruppe "Equation Group" gestohlen haben. Und es wird noch besser: Während die "Equation Group" immer wieder mit der National Security Agency in Verbindung gebracht wird, besteht der Verdacht, die "Shadow Brokers" hätten ihrerseits Connections nach Russland. - Bitfinex
Die Bitcoin-Trading-Plattform Bitfinex wird Anfang August 2016 um knapp 120.000 Bitcoins (ca. 89,1 Millionen Euro) erleichtert. Der Hackerangriff hebelt die mehrfach abgesicherte Authentifizierungs-Architektur des Unternehmens, die bis dahin als sicher gilt, schlicht aus. Zwar ist dieser Bitcoin-Hack "nur" der drittgrößte in der IT-Geschichte, allerdings stellt Bitfinex eine der größten Trading-Plattformen in diesem Segment dar. Das Unternehmen verteilt den Verlust übrigens "gleichmäßig" auf seine Kunden: 36 Prozent jedes einzelnen Kontos sind futsch. - Healthcare-Ransomware
Zugegeben: In diesem Fall handelt es sich nicht um einen großen Hack, sondern viele. Sehr viele. Insbesondere die Healthcare-Branche wird 2016 von immer populärer werdenden Ransomware-Kampagnen erschüttert, die sämtliche Dateien auf einem Rechner verschlüsseln und nur gegen die Zahlung eines Lösegelds wieder freigeben (oder auch nicht). Daraus lässt sich einerseits ablesen, wie lukrativ das Geschäft mit der Erpressungs-Malware ist, andererseits, wie weit kriminelle Hacker bereit sind zu gehen, wenn es um ihre monetären Interessen geht.
Auch Sicherheitsanbieter McAfee berichtet von einem Anstieg der Angriffe mit Fileless Malware. Insbesondere die Unterkategorie der "Macro Malware" befindet sich demnach im Aufwind: Rund 400.000 solche Angriffe zählten die Sicherheitsexperten Ende 2015 - bis zum zweiten Quartal 2017 stieg die Zahl aufüber 1,1 Millionen. Laut Christian Beek von McAfee liegt das in erster Linie an der steigenden Verbreitung und Verfügbarkeit von Toolkits, die auch Exploits dieser Art beinhalten.
Um den kriminellen Hackern einen Strich durch die Fileless-Rechnung zu machen, setzen McAfee und andere Security-Anbieter auf die Kombination von verhaltensbasierten und signaturbasierten Defensivmaßnahmen, wie Beek erklärt: "Wenn beispielsweise Word gestartet wird und gleichzeitig eine PowerShell-Verbindung besteht, ist das höchst verdächtig. Wir sind in der Lage, diesen Prozess in Quarantäne zu verfrachten oder können ihn direkt im Keim ersticken."