Führung 4.0

Wie Führungskräfte trotz Agilität auf Kurs bleiben

22.03.2019
Von   
Oliver Laitenberger leitet bei der Managementberatung Horn & Company das Kompetenzzentrum Digitalisierung und Technologie.

"Agile Führung": Was bedeutet das im Unternehmensalltag?

In einem agilen Unternehmen kümmern sich die Menschen um die Aufgaben - und die Führung kümmert sich um die Menschen. Dies bedeutet nicht, alle Autorität am Eingang abzugeben. Denn Führung wird auf das zurückgeführt, was es im Kern sein sollte: Richtungsweisung und Entscheidung. Denn beides schafft Klarheit in mehrdeutigen Situationen. Ehrlicherweise mangelt es daran in vielen Unternehmen.

Geschäftsführer und Vorstände erwarten bei Veränderungsprojekten von ihren Führungskräften im "klassischen" Unternehmen primär Investitionssicherheit. Wegwerfen passt nicht zu diesem Denkschema. Im agilen Unternehmen müssen Führungskräfte erst einmal mit dem Gedanken vertraut gemacht werden, MVPs wegwerfen zu können.

Dem entsprechend tritt an die Stelle des Null-Fehler-Toleranz-Prinzips das nun vielgepriesene Fail-Faster-Prinzip. Bislang waren Führungskräfte meist dahingehend "konditioniert", im Zweifelsfall auf Nummer sicher zu gehen. Demgegenüber muss sich die Führungskraft im agile Paradigma permanent fragen, was das größere Risiko darstellt: Das Risiko, etwas falsch zu machen und daraus ggfs. zu lernen oder das Risiko, erst gar nicht begonnen zu haben und damit aufzuhören, für Kunden oder Märkte eine Relevanz zu haben. Um Geschwindigkeit aufzunehmen muss der Motor angelassen und losgefahren werden - auch, wenn die Fahrt dann in der Leitplanke enden kann.

Können diese Herausforderungen nun mit einer Neu-Definition des Führungsstils alleine gelöst werden? Eher nein. Vielmehr ist ein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit Unsicherheit erforderlich. Ein solcher Wandel gelingt nur, wenn Veränderungen über alle Ebenen hinweg in kleinen Schritten und mit überschaubaren Investitionen vorgenommen werden - in diesem Sinne werden die Prinzipien ganzheitlich zum Einsatz gebracht, welche für das Unternehmen gelten sollen. Dies beginnt bei der strategischen Ausrichtung, setzt sich über den Umgang mit dem Veränderungsportfolio fort und hat oftmals auch strukturelle und prozessuale Anpassungen im Geschäftssystem zur Konsequenz.

Solche tiefgreifenden Veränderungen sind für viele Unternehmen meist nicht evolutionär darstellbar. Unternehmens-interne Ansätze sind deshalb oft erfolglos und verlaufen im Sande. Damit sie erfolgreich sind, bedarf es deshalb über ein agiles Coaching hinausgehende Erfahrung im Umgang mit den zu Grunde liegenden Transformationsprozessen, wie sie z.B. bei Unternehmensberatungen verfügbar sind. Denn: Hier geht es nicht um den Umbau im "Kleinen" sondern um eine vollumfänglich Transformation des Unternehmens. Die zum Einsatz kommenden, vielfach erprobten Vorgehensweisen und Methoden ermöglichen wirksame Veränderungen im Sinne eines "Fail Fast - Fail Often". Dadurch kommen zum einen die Prinzipien zum Einsatz, welche gewünscht sind, und zum anderen sind schnelle Richtungskorrekturen und -wechsel möglich.

Agiles Management beginnt ganz oben

Die Auswirkungen agiler Veränderungen auf die heutige Geschäftswelt lassen sich nicht mehr wegdiskutieren. Gelten die geschilderten Entwicklungen für alle Unternehmen gleichermaßen? Ja und nein. Sicherlich wird es auch in Zukunft in vielen Unternehmen Produktions- oder Betriebsprozesse geben, die durch tayloristische Arbeitsteilung und Standardisierung geprägt sind. Diese sind auch zukünftig angemessen zu führen und zu steuern - nicht alle Unternehmen können permanent und ausschließlich mit hoher Kreativität und selbstorganisierenden Teams an neuen Lösungen arbeiten. Mit Zunahme des technischen Fortschritts werden diese klassischen Prozesse jedoch immer weiter automatisiert. Wer hat z.B. vor Jahren daran gedacht, mit einem Roboter (auf neudeutsch "Chatbot") zu telefonieren? Diese Entwicklungen werden weiter gehen und sich tendenziell noch beschleunigen.

In der Konsequenz werden an den Großteil der Führungskräfte neue Anforderungen gestellt. Zukünftige Manager müssen bestehende Aufgaben anders fokussieren, priorisieren und stärker ihrer Rolle als Richtungsweiser und Entscheider gerecht werden. Damit verlagert sich der Schwerpunkt weg vom Micro-Management mit vielen Steuerungs- und Kontrollaufgaben hin zur permanenten Organisation und Moderation von Veränderungen im Unternehmen. Weiterhin werden Sie mit der Herausforderungen zu tun haben, sich und ihre Mitarbeiter ständig weiterzuentwickeln und zu verändern. Wer diese Veränderungen mitgeht, wird auch in Zukunft als Führungskraft erfolgreich sein.

Dies erfordert eine andere Kultur auf allen Führungsebenen. Helikopter Management im Sinne "kurz reinfliegen, viel Wind machen und schnell wieder rausfliegen" wird der Vergangenheit angehören. Bestandteil der Kulturveränderung ist es, das erwartete schon heute im Unternehmen vorzuleben. Denn wer meint, mit den bisherigen Mitteln die erforderlichen hohen Geschwindigkeiten fahren zu können, wird unweigerlich in der Leitplanke landen.