Siemens Digital Enterprise

Wie Edge Computing auf den Shopfloor kommt

13.03.2020
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Siemens baut sein Produktportfolio für das Digital Enterprise weiter aus. Auf dem Programm stehen etwa die Integration von Technologien wie Edge oder Cloud Computing sowie die Vernetzung durch Industrial 5G.
Siemens will mit Industrial Edge Maschinen und Antriebssysteme intelligenter machen.
Siemens will mit Industrial Edge Maschinen und Antriebssysteme intelligenter machen.
Foto: Siemens

Die digitale Transformation lässt sich der Siemens-Konzern einiges Kosten. Über 10 Milliarden Euro investierte der Konzern in den letzten Jahren und kaufte dabei etliche Softwarefirmen wie etwa Mendix, Mentor Graphics oder Innotec. Jüngste Neuerwerbungen sind dabei PIXEOM zum Aufbau einer offenen Industrial-Edge-Plattform und PSE (Process Systems Enterprise) für Simulationsmodelle über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts.

Siemens - Digital Twin im Closed Loop

Mit einem holistischen Digitalisierungsansatz will Siemens die virtuelle Welt mit der realen Welt verschmelzen.
Mit einem holistischen Digitalisierungsansatz will Siemens die virtuelle Welt mit der realen Welt verschmelzen.
Foto: Siemens

Unter dem Motto "Taking the next Step" will Siemens laut Jan Mrosik, COO Digital Enterprise, die digitale Transformation mit einem integrierten Digitalisierungsansatz vorantreiben und dabei virtuelle und reale Welt verschmelzen. In einem Closed Loop Digital Twin soll mit dem Digitalen Zwilling des Produkts, der Produktion und der Performance eine horizontale Integration entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermöglicht werden. Gleichzeitig will man das Industrial IoT durch die vertikale Integration von OT und IT vorantreiben. Diese vertikale Integration will Siemens mit Edge Computing, MindSphere und der Low-Coding-App-Entwicklungsplattform Mendix bewältigen.

Digital Enterprise - IoT-Gateway verknüpft Cloud und Edge

Jan Mrosik, COO Digital Industries bei Siemens, propagiert die vertikale Integration von IT und OT.
Jan Mrosik, COO Digital Industries bei Siemens, propagiert die vertikale Integration von IT und OT.
Foto: Siemens

Als Verknüpfungspunkt zwischen dem Shopfloor - sprich dem Edge Computing - und der Cloud soll beispielsweise das neu entwickelte IoT-Gateway Simatic IOT2050 fungieren. Als typisches Anwendungsszenario für die Simatic IOT2050 sieht Siemens etwa die präventive Wartung von Maschinen und die Kopplung der Produktion an die ERP-Ebene (Enterprise Resource Planning), um kostspielige Stillstandzeiten von Produktionsanlagen zu minimieren. Dazu sollen relevante Indikatoren ausgewertet und sich anbahnende Verschleißerscheinungen frühzeitig erkannt werden.

Auf diese Weise trage das neue IoT Gateway dazu bei, die Fertigung flexibler und effizienter zu machen. Hierzu erfasse das Gateway relevante Daten, verarbeite und speichere sie. Diese können dann an ein Cloud-basiertes Analyse-Tool übertragen werden. Die ausgewerteten Daten werden wiederum aus der Cloud an das Wartungssystem der Produktion zurückgeführt.

Integration mit Siemens Industrial Edge

Die vertikale Integration soll unter anderem mit Edge Computing, MindSphere und Mendix bewältigt werden.
Die vertikale Integration soll unter anderem mit Edge Computing, MindSphere und Mendix bewältigt werden.
Foto: Siemens

So will Siemens mit dem Industrial Edge eine maschinennahe Datenverarbeitung mit Edge Apps ermöglichen, während komplexere Aufgaben an ein Cloud-System - etwa MindSphere - weitergeleitet werden. Das interoperable Industrial-Edge-System soll die Anwender in die Lage versetzen, Industrial-Edge-Applikationen und Industrial-Edge-Geräte in eine Fertigungsumgebung zu integrieren. Die App-Integration wird durch standardisierte Containertechnologie (Docker) unterstützt, so dass sich eine zusätzliche Hardware-Konfiguration erübrige. Auf diese Weise könnten Apps und Geräte unterschiedlicher Anbieter in einer offenen Plattform gemanagt werden.

Edge Gateway für die Verbindug von Edge Computing und Cloud.
Edge Gateway für die Verbindug von Edge Computing und Cloud.
Foto: Siemens

Ein solches Zusammenspiel zwischen Cloud und Edge Computing könnte für Wolfgang Heuring, Siemens CEO Motion Control etwa so aussehen, dass etwa das Machine Learning mit einem neuronalen Netz in der Cloud stattfindet, während später die Überprüfung der laufenden Produktion auf Anomalien mit Apps im Edge erfolgt. In der Praxis bedeutet das, dass eine Maschine in der Trainingsphase mit Hilfe der eingebauten Kamera Bilder eingebauter Werkstücke aufzeichnet. Diese werden an ein trainierbares neuronales Netz in der Cloud weitergeleitet. Dort entstehen dann Auswertungsalgorithmen für die Bilder. Diese Algorithmen verarbeitet dann später ein SINUMERIK Edge Computer in der Produktion, indem er die Aufnahmen respektive Scans im laufenden Prozess auswertet. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erfolgt die Analyse, das Auswerten und Vergleichen des Werkstückfotos. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Werkstück richtig eingelegt ist und zum geladenen Fertigungsprogramm passt.

Edge Computing Apps für das Digital Enterprise

Ein Konzept, das jedoch mit der Qualität der Edge Apps steht und fällt. Deshalb propagiert Siemens die Idee eines App Store für Edge Apps, in dem neben konzerneigenen Apps auch solche von OEMs und Drittanbietern zu finden sind. Zwei neue Edge-Applikationen von Siemens sind etwa der SIMATIC Live Twin sowie der SIMATIC Assistant for Machines (SAM). Mit dem Live Twin laufen Simulationsmodelle auf dem Edge Layer, wobei virtuelle Sensoren implementiert und virtuelle Regelkreise nachgebildet werden können. SAM dagegen dient auf Smartphones oder Tablets zur Anzeige von Maschineninformationen aus unterschiedlichen Quellen. So sollen die Informationen schneller und leichter verfügbar sein und damit kürzere Reaktionszeiten für Kundendienst und Support ermöglichen.

Das Thema Visualisierung adressiert Siemens zudem mit dem WinCC Unified System als Integrationsplattform der digitalen Fabrik. Hierbei handelt es sich um ein neu entwickeltes Visualisierungssystem im TIA-Portal (Totally Integrated Automation), das auf aktuellen Web-Technologien basiert. Ferner wartet es mit einem skalierbaren Funktionsumfang durch SCADA auf sowie den Möglichkeiten der Plant Intelligence. Unter dem Strich will Siemens nach eigenem Bekunden mit diesen Neuerungen die digitale Transformation in allen Branchen - egal ob Prozess-, Hybrid- oder Diskrete Industrie - vorantreiben.