Digitaler Zwilling – dieses Modewort muss in Gesprächen über Automation oder Simulationstechnologie unbedingt fallen. "Es gibt unglaublich viele Entwicklungen in der virtuellen Inbetriebnahme und das mit zunehmender Geschwindigkeit", bestätigt Denis Pfeifer. Er muss es wissen als Projektleiter für Forschung und Vorentwicklung Simulationstechnik beim Stuttgarter Spezialisten ISG.
Genau diese rasante Entwicklungsgeschwindigkeit, die für IT-Unternehmen und IT-affine Firmen wie die Industrielle Steuerungstechnik GmbH typisch ist, verhindert oft, dass sie klassische Projektförderung beantragen können. Mit hohem Personaleinsatz in drei, bis neun Monaten abgeschlossen, sind derartige Projekte zu kurzfristig für die langwierige Beantragung.
Forschungszulage: Besonders digitale Unternehmen profitieren
Doch seit Anfang 2020 gibt es die sogenannte Forschungszulage. Innovative Unternehmen können ein Viertel der FuE-Personalkosten steuerlich geltend machen. Vorteile dieser neuen Förderung: Die Anforderungen an die Entwicklungsprojekte sind gering, denn sie beinhalten angewandte, produkt- oder verfahrensbezogene Entwicklungen, die den technologischen Stand im Unternehmen übertreffen. Die Beantragung ist relativ unbürokratisch, und vor allem kann der Antrag rückwirkend gestellt werden. So steht der ISG rund eine halbe Million Euro zusätzliche Liquidität in Aussicht, die in weitere innovative Projekte gesteckt werden kann.
Paul Freyberg, langjähriger Förderberater der ISG, hatte Denis Pfeifer bereits im vergangenen Jahr auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht. "Durch die Forschungszulage bekommen wir auch für kleinere und kurzfristige oder rein innerbetriebliche Projekte ohne Beteiligung von Hochschulen oder Industriepartnern eine Förderung", freut sich der Ingenieur. Als Beispiel für eine geförderte Entwicklung hat die ISG eine offene Simulationsplattform entwickelt, die in externe Simulationsmodelle eingebunden werden kann sowie virtuelle Steuerungen und reale Hardware, sodass eine Echtzeitsimulation unter voller Kontrolle entsteht.
Seit rund zehn Jahren arbeiten die Stuttgarter mit dem Förderexperten Partner für Innovation und Förderung (PFIF) zusammen, seit sieben Jahren betreut Paul Freyberg als PFIF-Seniorberater das Unternehmen. War es in den ersten Jahren lediglich etwa ein Projekt, das jährlich gefördert werden konnte, sind es inzwischen eher vier geworden, die sich hälftig auf die beiden ISG-Spezialgebiete Simulation und CNC verteilen.
"Für uns ist die Zusammenarbeit sehr wertvoll", schwärmt Pfeifer, "zuverlässig, viel Erfahrung, strategische Beratung und perfekt geschriebene Anträge". Zweimal jährlich trifft er sich mit Freyberg persönlich, um sich grundsätzlich auszutauschen, beinahe wöchentlich gibt es ein Telefonat zwischen Stuttgart und Lahr. "Obwohl promovierter Naturwissenschaftler hat sich Paul Freyberg in unsere Thematik reingefuchst und ist Ansprechpartner auf Augenhöhe", so Pfeifer. Das ist auch notwendig, denn mit seinen Hintergrundinformationen über bestimmte Fördertöpfe berät er seine Kunden und betont inhaltliche Aspekte, so dass sie genau zu der Ausschreibung passen – gleich ob im Maschinenbau, Elektromedizin oder Textilindustrie, deren Projekte alle digitaler werden.
So schafft es die ISG mit ihrem Tool zur digitalen Inbetriebnahme die Zeit um 30 Prozent und die Kosten um 20 Prozent zu reduzieren. Wenn das komplexe Anlagen sind, kann es um Wochen gehen, die die Anlage früher produktiv wird. Für die Kunden aus der Automobilindustrie, Werkzeugbau, Holz- oder Verpackungsbranche ein großes wirtschaftliches Argument.
Projektförderung vs. Forschungszulage: Unterschiede
Da Projekte nur entweder durch klassische Projektförderung von Land, Bund oder EU oder durch die Forschungszulage gefördert werden können, ist die Einschätzung durch einen Spezialisten eminent wichtig. So wird ein Schulungsprogramm mit dem digitalen Zwilling als Zuschussprojekt vom BMBF gefördert, weil es ein langfristiges, strategisches Projekt ist. Denn der Zwilling soll künftig nicht nur für die schnellere Inbetriebnahme genutzt werden, sondern eben auch für eine virtuelle Schulung vor Inbetriebnahme oder für neue Mitarbeiter.
Dafür entwickeln die Stuttgarter zusammen mit der Universität Bamberg ein didaktisches Konzept, indem wie im Flugsimulator auch Fehlerszenarien problemlos durchgespielt werden können. Derart heikle Situationen lässt kein Maschinenbauer an seiner realen Anlage zu. "Wir finden diese Idee einleuchtend", sagt Pfeifer, denn manchmal ist unklar, ob Kunden ein Produkt künftig kaufen und sich für die ISG damit die Investitionen lohnen. Doch oft sind die technologischen Risiken für ein kleines oder mittelständisches Unternehmen ohne Förderung nicht zu stemmen.
Zwar gibt es durch die Projektförderung höhere Zuschussquoten von bis zu 60 Prozent, doch der zeitliche und bürokratische Aufwand ist höher und die Erfolgschancen sind gleichzeitig geringer als bei der Forschungszulage. Dagegen ist diese wie für IT-Unternehmen gemacht, weil sie stärker auf kurzfristige Projekte mit einem geringeren Innovationsgrad abzielt. "Durch die Beratung haben wir inzwischen ein klares Verständnis, wann sich eher die Projektförderung und wann sich die Forschungszulage als Finanzierungsinstrument für uns lohnt", so Pfeifer.
Gerade für kleine mittelständische Unternehmen, wie die ISG mit 70 Mitarbeitern, ist Effizienz auch in der Verwaltung von großer Bedeutung. Doch für die Antragsteller geht es nicht nur um eine optimale technische Projektierung, sondern auch um eine korrekte Dokumentation der Personalkosten bei der PFIF, andernfalls kann das Finanzamt später Rückforderungen stellen. (mp/hk)