Die öffentliche Verwaltung in Deutschland musste in den letzten Jahren viel Kritik einstecken. Teilweise war diese Kritik eher unberechtigt, denn als Verwaltung funktioniert sie trotz aller Unkenrufe nach wie vor hervorragend - ein internationaler Vergleich könnte dies jederzeit bestätigen. Nur funktioniert sie immer weniger so, wie die Bürger es von ihr erwarten, insbesondere wenn es um ihre digitale Angebote geht. Hier rangiert Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld.
Vielfach werden die Gründe dafür in der föderalen Struktur Deutschlands gesucht, die den einzelnen Ländern und Behörden viel Gestaltungsspielraum einräumt. Doch vielleicht ist es an der Zeit, auch in Sachen Digitalisierung die föderale Struktur einfach als Ausgangspunkt zu akzeptieren. Auch wenn es die ganzheitliche Digitalisierungsstrategie vom Bund zweifellos braucht: Tatsache ist, dass die Verwaltungen ebenso die passenden digitalen Technologien benötigen, um sich ihre Services neu vorzustellen und ihren Gestaltungsspielraum auch digital wahrzunehmen.
Low-Code-Technologie könnte hierbei eine unschätzbar große Rolle spielen, um die Abläufe und Prozesse der Verwaltungen zu digitalisieren und zu automatisieren. Stephanie Berlin, Senior Manager Solution Consulting Public Sector Germany bei ServiceNow, erklärt im Interview, welche Tools einen entscheidenden Mehrwert bieten können und warum nicht allein die Technologie den Public Sector einbremst.
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Low-Code gilt als eine der wichtigsten Technologien für eine erfolgreiche Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung. Wie schätzen Sie das ein?
Ein zentraler Erfolgsfaktor für jede Digitalisierungsstrategie ist der Partizipationsgrad - auch in der öffentlichen Verwaltung. Die Mitarbeitenden wollen bei einschneidenden Change-Prozessen von Beginn an miteingebunden werden. Low-Code ist dabei ein bedeutender Schritt, die Softwareentwicklung zu beschleunigen und einem breiteren Nutzerkreis zugänglich zu machen.
So wird die Technologie zum Enabler. Die Tools sind besser auf die Bedürfnisse der Anwender zugeschnitten und erhalten daher eine höhere Akzeptanz. Die Entwicklung im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz und wie wir dadurch mit Software interagieren, beschleunigt diesen Prozess noch einmal signifikant.
Wir haben also kein grundsätzliches Technologieproblem! Wenn Digitalisierungsprojekte scheitern, hat das oft andere Gründe.
Können Sie das genauer ausführen? Welchen Hindernissen sehen sich die Behörden im Public Sector ausgesetzt, und wie können Führungskräfte diese überwinden?
Widerstände gegenüber einschneidenden Änderungen sind natürlich und nachvollziehbar. Wir sehen gerade im Zuge der Digitalisierung vielerorts den Wunsch, an den bestehenden Systemen festzuhalten. Dadurch entstehen jedoch Altlasten und Legacy-Systeme. Gerade in einer solchen Situation benötigen Führungskräfte effektive Change-Management-Kompetenzen.
Es gilt, die Mitarbeiter zu motivieren und die Organisation effizient und empathisch durch den Wandel zu führen. Dabei müssen Führungskräfte eine Umgebung schaffen, in der Innovation begrüßt wird und experimentelles Arbeiten zum Alltag gehört. Die klare Botschaft muss sein, dass diese Veränderung eine Chance und keine Bedrohung ist!
Zudem bedarf es stets einer strategischen Supervision. Neue Technologien wie eben Low-Code sollen ja nicht einfach eingeführt werden, weil sie gerade en vogue sind. Vielmehr muss jede neue Technologie einen echten Beitrag zur Erreichung der strategischen Ziele leisten.
Führungskräfte spielen also eine zentrale Rolle bei neuen Projekten - so auch bei Low-Code. Eine Schlüsselkompetenz ist dabei Empowerment: Teams müssen dazu befähigt und ermächtigt werden, selbstständig zu agieren und Entscheidungen zu treffen. Nur so erhalten sie die gerade für Low-Code-Projekte notwendige Agilität.
Welche nicht-technischen Kompetenzen sind darüber hinaus für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte unerlässlich, um den geforderten partizipativen Ansatz zu ermöglichen?
Wir sollten uns zunächst einmal anschauen, wie Projektteams zusammenarbeiten. Es reicht nicht mehr aus, Tasks im stillen Kämmerlein zu entwickeln und diese dann in die Blackbox IT zu geben. Dabei kommen nämlich oftmals am Ende des Tages Ergebnisse heraus, die den Auftragsteller nicht zufriedenstellen.
Mit Low-Code wird ein neuer Weg eingeschlagen: Teams müssen nun deutlich agiler und interdisziplinärer arbeiten als noch vor ein paar Jahren. Dafür bedarf es entsprechender Kommunikationskompetenzen, um komplexe Inhalte klar und verständlich, auch für Nicht-Experten, zu kommunizieren.
Ebenso müssen wir sicherstellen, dass jedes Teammitglied zu Wort kommt und die Möglichkeit erhält, einen Beitrag zu leisten. Sonst sind interdisziplinäre Teams nicht sinnvoll! Zudem sind Lernbereitschaft und ein experimenteller Arbeitsansatz sind ebenfalls essenzielle Bestandteile einer funktionierenden Digitalisierungsstrategie.
Low-Code bietet die Chance, Dinge "einfach mal schnell" auszuprobieren. Ideen, neue Konzepte und Hypothesen lassen sich mit Low-Code-Prototypen einfach und in kurzer Zeit testen. Um von solchen Experimenten zu profitieren, ist die Bereitschaft, kritisches Feedback zu akzeptieren und es als Chance zur Verbesserung zu begreifen, eine notwendige Voraussetzung.
Was sind (weitere) Gründe, dass Digitalisierungsinitiativen trotz des technologischen Fortschritts scheitern?
Oftmals wird versucht, analoge Prozesse ohne kritische Vorabanalyse und Anpassung in die digitale Welt zu übertragen. Dabei wäre das eine Gelegenheit, Redundanzen und Optimierungspotenziale in Betriebsabläufen offenzulegen. Statt manuelle und papierbasierte Prozesse einfach nur zu digitale Versionen zu übertragen, sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, diese innovativ neu zu gestalten.
Des Weiteren deckt eine entsprechende Analyse nicht bedachte Wechselwirkungen hinsichtlich anderer im Einsatz befindlicher Betriebssysteme auf. Diese sollten im Vorfeld adressiert werden, um entsprechende Workarounds zu schaffen. Dafür sind jedoch die richtigen Tools und angemessenes Know-how erforderlich.
Zudem führt die digitale Transformation zu einer Veränderung in der Zusammenarbeit und des Rollenverständnisses der Beteiligten. Besonders bei Low-Code-Projekten verschwimmen die Grenzen zwischen IT und fachlicher Verantwortung, da auch Personen ohne tiefe technische Kenntnisse stärker in die Entwicklung von digitalen Lösungen mit eingebunden werden können. Diese Veränderung kann zu Spannungen führen.
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Wie kann eine Führungskraft also sicherstellen, dass die Transformation in eine innovative Low-Code-Kultur gelingt?
Um als Führungskraft eine innovative Low-Code-Kultur zu etablieren, ist es wichtig, geeignete Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams zu schaffen und den Raum für experimentelles Arbeiten zu gewähren. Dies schließt das Bereitstellen von Zeit und Ressourcen ein, um mit neuen Ideen zu experimentieren und Prototypen zu entwickeln.
Zudem müssen sie auch eine moderierende Position für potenzielle Konflikte zwischen den einzelnen Abteilungen einnehmen können. Manchmal sehen sich Entwickler als Programmierkünstler, die ihren Code als handwerkliche Meisterleistung verstehen, an die sie keine Neulinge heranlassen möchten.
Um dieses Dilemma aufzulösen, kann es helfen, IT-Fachkräften einen neuen Weg aufzuzeigen: Die Einführung einer Low-Code-Plattform ermöglicht ihnen neue Ressourcen, um die eigene Expertise breiter aufzustellen. Schließlich werden sie auch nach erfolgreicher digitaler Transformation immer noch notwendig sein.
Idealerweise kommen zudem entsprechende Incentives zum Einsatz, um den Transformationsprozess zu beschleunigen. Außerdem werden so Anreize für alle Mitarbeitenden zu schaffen, sich aktiv in die Entwicklung und Verbesserung von Low-Code-Lösungen einzubringen.
Durch die Förderung eines solch inklusiven Ansatzes kann eine Organisation eine lebendige Kultur der Innovation und Kollaboration entwickeln, die es ermöglicht, Low-Code effektiv zu nutzen und Widerstände gegenüber der neuen Arbeitsweise abzubauen. Aber dafür benötigt es Alle!
Näheres über die Low-Code-Lösungen von ServiceNow, erfahren Sie hier. Wie die französische Stadt Bordeaux ihren Gestaltungsspielraum digital nutzt, erfahren Sie hier.