Quiet Quitting

Wenn Mitarbeiter aufgeben

21.02.2023
Von 
Julia-Eva Seifert ist freie Journalistin in Mainz.
Quiet Quitting – in den letzten Wochen hat man immer wieder von diesem „Trend“ am Arbeitsmarkt gelesen, der dazu führt, dass Beschäftigte zwar nicht kündigen, sich aber auch nicht mehr für ihren Arbeitgeber ins Zeug legen.
Vor allem jetzt nach Corona sind Arbeitgeber aufgerufen, einen genaueren Blick auf ihre Mitarbeiter zu werfen - wer ist noch richtig dabei, wer eher nur halbherzig.
Vor allem jetzt nach Corona sind Arbeitgeber aufgerufen, einen genaueren Blick auf ihre Mitarbeiter zu werfen - wer ist noch richtig dabei, wer eher nur halbherzig.
Foto: voronaman - shutterstock.com

oder

Quiet Quitting, die stille Kündigung oder innere Kündigung, könnte man vielleicht vereinfacht mit "Resignation" übersetzen. Die Mitarbeiter sind anwesend und machen ihre Arbeit. Allerdings machen sie nur das. Die Bereitschaft zu Überstunden, ein besonderes Engagement oder vielleicht sogar eigene Initiative zeigen sie nicht mehr. Sie arbeiten ihre vereinbarte Stundenanzahl und erledigen diejenigen Aufgaben, die im Arbeitsvertrag vereinbart sind oder die ihnen von ihrem Vorgesetzten aufgetragen werden. Mehr aber auch nicht.

Bryan Creely, ein US-amerikanischer Coach soll den Begriff zu Beginn des Jahres 2022 erstmals verwendet haben. Durch TikTok-Videos des Users @zaidleppelin wurde der Begriff einige Zeit später richtig berühmt. Darin stellt der User die durchaus nachvollziehbare These auf, dass der Wert der eigenen Person nicht davon abhängt, wie produktiv man ist oder wie viel man arbeitet. Vor allem die jüngere Generation scheint sich zumindest teilweise mit dem Begriff Quiet Quitting identifizieren zu können.

Unterschied zwischen Quiet Quitting und innerer Kündigung

Quiet Quitting nicht zu verwechseln mit der inneren Kündigung. Denn bei der inneren Kündigung geben die Beschäftigten komplett auf. Sie haben innerlich schon mit ihrem Job abgeschlossen und bemühen sich nicht mehr, in den Beruf zurückzufinden. Beim Quiet Quitting besteht durchaus noch ein gewisses Interesse am Job und den damit verbundenen Aufgaben. Man ist jedoch schlicht und einfach nicht mehr bereit, mehr zu leisten, als der Arbeitsvertrag vorsieht.

Nun könnte man einwenden, dass das ja wohl kein Problem sein kann. Schließlich machen die Beschäftigten doch immer noch ihre Arbeit. Das stimmt natürlich. Auf der anderen Seite brauchen Arbeitgeber in manchen Situationen aber eben mehr: Wenn ein Kunde dringend einen Auftrag bearbeitet sehen möchte, es aufgrund saisonaler Schwankungen zum Hochbetrieb in der Firma kommt oder aber wenn ein beträchtlicher Teil der Belegschaft ausfällt und die übrigen Kollegen übernehmen müssen. In all diesen Situationen sind Unternehmen im Vorteil, die sich über eine motivierte und Initiative zeigende Belegschaft freuen können.

Denn eine derartige Belegschaft ist ein klarer Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Oder anders gesagt: Unternehmen, deren Belegschaft aus Quiet Quittern besteht, dürften es schwer haben. Das wiederum ist keine gute Nachricht für die Beschäftigten, denn die müssen langfristig befürchten, dass ihre Arbeitsplätze wegfallen.

Quiet Quitting auch für Mitarbeiter ein Problem

Das klingt nun vielleicht danach, als sei der Trend hauptsächlich ein Problem für Arbeitgeber. Schließlich müssen sie darauf verzichten, dass ihre Mitarbeiter freudestrahlend Überstunden machen oder sich voller Elan dem anstrengenden Projekt widmen.

Doch auch für Arbeitnehmende kann Quiet Quitting eine Gefahr sein. Nur noch so viel zu arbeiten, wie unbedingt notwendig, klingt zunächst vielleicht verlockend. Andererseits dürfte der Chef nicht begeistert sein, wenn ihm auffällt, dass sein Mitarbeiter nur noch Dienst nach Vorschrift macht. Eine Beförderung oder eine Gehaltserhöhung können sich Mitarbeiter, die lautlos gekündigt haben, daher in der Regel abschminken.

Karrierebremse Quiet Quitting

Und auch die Aussicht auf Karriere in einem anderen Unternehmen dürfte beschränkt sein. Wer stellt schon gerne Mitarbeiter ein, die nur so viel arbeiten, dass ihnen nicht gekündigt werden kann? Zwar ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, ein wohlwollendes Arbeitszeugnis auszustellen; in der Praxis gibt es jedoch Mittel und Wege, wie sich Personaler über Bewerber austauschen können - off the Record.

Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass der Quiet Quitter gar nicht darauf aus ist, Karriere zu machen, sondern lediglich arbeitet, um sein Leben zu finanzieren. Schön und gut, aber was macht der Mitarbeiter, wenn sein Arbeitgeber Betriebsteile ins Ausland verlagert und sein Arbeitsplatz davon betroffen ist oder er aus anderen Gründen seinen Job verliert? Im schlimmsten Fall ist Quiet Quitting der erste Schritt in die Arbeitslosigkeit.

Aber auch von dieser Bedrohung einmal abgesehen, sind Mitarbeiter gut beraten, es nicht bis zur stillen Kündigung kommen zu lassen. Zu Beginn ist man vielleicht noch froh darüber, dass man pünktlich Feierabend machen und sich auf der Arbeit nicht über die Maßen stressen muss. Nach einiger Zeit kann das Däumchen drehen im Job aber recht langweilig werden. Nicht nur Burnout, also das Ausbrennen des Mitarbeiters aufgrund einer übermäßigen Belastung, sondern auch der Boreout, die deutliche Unterforderung im Job, kann zu einer Belastung werden.

Das können beide Seiten gegen Quiet Quitting tun

Es bringt wohl nicht viel, bei Problemen am Arbeitsplatz nur einer Seite die Schuld an der Misere zu geben. Wenn es wirklich zu einer spürbaren Verbesserung kommen soll, sind beide Seiten gefragt, etwas dafür zu tun.

1. Rahmenbedingungen klären: Quiet Quitting konnte nur zu einem Trend werden, weil viele Arbeitnehmer mit den Rahmenbedingungen in ihrem Job unzufrieden sind. Überstunden, fehlende Flexibilität oder eine Work-Life-Balance, die den Ausdruck nicht wert ist, können die Gründe dafür sein. Wenn Arbeitgeber merken, dass die Unzufriedenheit in der Belegschaft steigt, sollten sie daher das Gespräch mit ihren Mitarbeitern oder dem Betriebsrat suchen. Umgekehrt sollten auch Mitarbeiter die Möglichkeit nutzen und dem Vorgesetzten konstruktives Feedback geben. Das ist natürlich ungleich schwieriger, da Mitarbeiter naturgemäß in einer untergeordneten Position sind und nicht alle Vorgesetzte offen für Kritik, auch konstruktive, sind.

2. Mitarbeiterbefragungen nutzen: Arbeitgeber können auf das Mittel der Mitarbeiterbefragung zurückgreifen und auf diese Weise eine Wasserstandsmeldung aus ihrer Belegschaft einholen. Am Markt finden sich eine ganze Reihe von Anbietern, die sich auf Mitarbeiterbefragungen spezialisiert haben. Mit dem richtigen Anbieter können Unternehmen Einblicke in die Motivation innerhalb der Belegschaft und Zufriedenheit der Mitarbeiter bekommen. Umgekehrt sollten Mitarbeiter die Chance nutzen, die eine derartige Befragung bietet und daran teilnehmen.

3. Unterstützung anbieten: Vermutlich stellt sich bei der Mitarbeiterbefragung heraus, dass die Beschäftigten auf unterschiedlichen Ebenen unzufrieden sind oder Unterstützung suchen. Dann sind Arbeitgeber gefragt, individuelle Lösungen anzubieten: Während sich einige Mitarbeiter darüber freuen würden, wenn sie an Kursen zum Stressmanagement teilnehmen könnten, sehen sich andere nach einer Weiterbildung, um endlich anspruchsvollere Aufgaben übernehmen zu können. Arbeitgeber, die proaktiv Lösungen für Probleme anbieten, haben die zufriedenere Belegschaft - ein wichtiger Schritt, um Quiet Quitting zu verhindern.