Hoffnungsträger KI

Weniger Geld für deutsche Startups

17.01.2024
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Goldgräberstimmung ist vorbei. Investoren agieren realistischer und vorsichtiger. Das bekamen 2023 viele deutsche Startups zu spüren. Ausnahme – der KI-Bereich.
Das Geld sprudelt für deutsche Startups nicht mehr so reichlich wie noch in den vergangenen Jahren. Investoren sind mit ihren Finanzspritzen zögerlicher und vorsichtiger geworden.
Das Geld sprudelt für deutsche Startups nicht mehr so reichlich wie noch in den vergangenen Jahren. Investoren sind mit ihren Finanzspritzen zögerlicher und vorsichtiger geworden.
Foto: Gts - shutterstock.com

Die deutsche Startup-Szene hat 2023 einen deutlichen Dämpfer erlebt. Mit einer Investitionssumme von rund sechs Milliarden Euro verzeichnete die Branche einen Rückgang von 39 Prozent im Vergleich zu 2022 (9,9 Milliarden Euro) und sogar ein Minus von 65 Prozent im Vergleich zum Rekordjahr 2021, als Kapitalgeber noch 17,4 Milliarden Euro für hiesige Startups locker machten. Auch bei der Zahl der Finanzierungsrunden zeigt der Trend nach unten: 2023 gab es 861 Deals, 15 Prozent weniger als im Vorjahr (1.008) und 26 Prozent weniger als 2021.

Dies geht aus dem aktuellen Startup-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) hervor. Als Startups werden dabei grundsätzlich Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre sind.

Ein Grund für die Rückgänge sind aus Sicht der Analysten die rückläufigen Mega-Investments. Während 2022 in Deutschland noch 19 Groß-Finanzierungen über 100 Millionen Euro verzeichnet wurden, waren es 2023 nur noch acht. Im Jahr 2021 hatte EY sogar 33 solcher großvolumiger Investments hierzulande gezählt.

Gute Ideen allein reichen nicht mehr

"Investoren agieren nach wie vor sehr zurückhaltend und legen ihr Geld selektiv an", sagt EY-Partner Thomas Prüver. Inflation, hohe Zinsen, die schwierige geopolitische Weltlage und eine schwache Konjunkturentwicklung prägten das Umfeld. Um auch in diesen schwierigen Zeiten an frisches Kapital zu kommen, reichten gute Ideen allein nicht mehr aus. Jungunternehmen müssten den Investoren solide und gut durchdachte Geschäftsmodelle in Verbindung mit realistischen Umsatzprognosen und der Aussicht auf Profitabilität vorweisen können. Der derzeitigen Finanzierungsflaute kann Prüver indes auch etwas Gutes abgewinnen: "Die Startups, die heute entstehen, wachsen und frisches Geld erhalten, haben die erste Bewährungsprobe schon bestanden und sich als widerstandsfähig erwiesen."

Berlin bleibt zwar deutscher Startup-Primus, allerdings floss vergangenes Jahr deutlich weniger Geld in die Hauptstadt - mit fast 2,4 Milliarden Euro war es weniger als halb so viel wie noch 2022. Berlins Marktanteil fällt von 50 auf nur noch 39 Prozent. Bayerische Startups erhielten etwas mehr als 1,7 Milliarden Euro, das sind zwar gut 600 Millionen Euro weniger als im Vorjahr, dennoch steigt ihr Marktanteil von 24 Prozent im Jahr 2022 auf aktuell 29 Prozent. Als einziges der Top-3-Bundesländer erhielten Startups in Baden-Württemberg 2023 mehr Risikokapital als im Jahr zuvor: Mit 736 Millionen Euro ergibt sich für 2023 damit ein Marktanteil von zwölf Prozent.

Mega-Investment in Aleph Alpha

Das gute Abschneiden Baden-Württembergs liegt vor allem an der KI-Schmiede Aleph Alpha aus Heidelberg, die allein 463 Millionen Euro an Risikokapital einsammeln konnte. Es war die größte Finanzspritze für ein deutsches Startup im vergangenen Jahr. Insgesamt hat sich das Investitionsvolumen in hiesige KI-Startups 2023 auf mehr als das Vierfache erhöht, von 220 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 943 Millionen Euro.

Wie KI die Investoren-Fantasien beflügelt:

Grundsätzlich schnitten die Branchen im zurückliegenden Jahr sehr unterschiedlich ab. EY zufolge bleiben Energie-Startups (998 Millionen Euro) und der Bereich E-Commerce (633 Millionen Euro) nur knapp unter dem Niveau des Vorjahres. Deutlich weniger Geld wurde in den Bereichen Mobility (538 Millionen Euro, minus 60 Prozent), FinTech (499 Millionen Euro, minus 62 Prozent) und Health (445 Millionen Euro, minus 50 Prozent) investiert. Auch der Softwaresektor brach mit etwas mehr als zwei Milliarden Euro um 38 Prozent deutlich ein.

Deutsches Startup-Ökosystem sortiert sich neu

"Bei großen Neuinvestitionen zeigten sich die Geldgeberinnen und Geldgeber im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückhaltender", zog Prüver Bilanz. Angesichts der anhaltenden Ungewissheit mit Blick auf die Zinspolitik und die Konjunkturentwicklung dürfte sich daran auf absehbare Zeit wenig ändern. "Investoren sowie Gründerinnen und Gründer sind vorsichtiger und realistischer geworden."

Dennoch blickt der EY-Partner optimistisch in die deutsche Startup-Zukunft. Das Ökosystem hierzulande sei dabei, sich neu zu sortieren und könne gestärkt aus der aktuellen Krise hervorgehen. "Neben Berlin gewinnen andere Startup-Regionen an Bedeutung und werden auch international immer sichtbarer", so Prüver. Zudem entwickle sich der Technologie-Sektor zum wichtigen Wachstumsmotor - hier sei Deutschland gut aufgestellt. "Einiges spricht dafür, dass die Talsohle bei der Startup-Finanzierung inzwischen erreicht ist und es in absehbarer Zeit wieder aufwärts geht."