Zeitmanagement stößt an seine Grenzen
Die Folge: Die Betroffenen schieben einen Berg unbewältigter Aufgaben vor sich her. Und permanent plagt sie nicht nur ein schlechtes Gewissen, sondern sie können sich auch immer schlechter konzentrieren, weil sie, egal was sie tun, zugleich denken "Eigentlich müsste ich ...?"
Für den Führungskräftetrainer Joachim Simon, Braunschweig, zeigt dies: Mit dem klassischen Zeit- und Selbstmanagement ist es heute nicht mehr getan. "Dieses wird zwar auch künftig ein sehr hilfreiches und nützliches Instrument sein, um Routineaufgaben zu lösen. Was viele Mitarbeiter heute jedoch brauchen, ist eine aktive Unterstützung beim Lösen neuer Aufgaben und Herausforderungen." Und so sein Credo: "Sie müssen sozusagen die Grundzuversicht entwickeln: Irgendwie schaffe ich das schon - alleine oder mit selbst organisierter Unterstützung. Schließlich habe ich in meinem Leben schon viele, zunächst scheinbar unlösbare Herausforderungen gelöst." Sonst, so seine These, geraten sie in unserer modernen Lebens- und Arbeitswelt immer wieder in Situationen, in denen sie sich nicht nur überfordert fühlen, sondern dies auch faktisch sind.
- Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder:
"Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen." - Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten." - Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden." - Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder:
"Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie." - Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge:
"Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten." - Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder:
"Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden." - Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind:
"Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind." - Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder:
"Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."
Breit gefächertes Bündel an Maßnahmen ist nötig
Das haben inzwischen zahlreiche Unternehmen erkannt. So zum Beispiel die Bausparkasse Schwäbisch Hall. Entsprechend breit gefächert ist ihr Work-Life-Balance-Angebot. So können ihre Mitarbeiter zum Beispiel neben den klassischen Zeit- und Selbstmanagement- auch Stressmanagementseminare besuchen und in ihrer Mittagspause an Entspannungstrainings teilnehmen. Und wer will, kann sich sogar zu Massagen anmelden. Dahinter steckt laut Bernadette Imkamp, verantwortlich für das Gesundheitsmanagement bei Schwäbisch Hall, die Erkenntnis: "Als Finanzdienstleister haben wir andere gesundheitsbelastende Faktoren als ein Produktionsunternehmen. Also müssen wir unseren Mitarbeitern auch andere Präventionsangebote unterbreiten."
Ebenfalls im Weiterbildungsprogramm stehen Seminare, die darauf abzielen, die Resilienz, also Widerstandskraft der Mitarbeiter zu stärken. Und wer aus beruflichen und/oder privaten Gründen, das Gefühl hat "Alles wird mir zu viel - wenn ich nicht aufpasse, steuere ich auf einen Burn-out zu"? Der kann sich auch mit einem Coach treffen, um mit ihm Präventions- und Lösungsstrategien zu erarbeiten. Außerdem schult Schwäbisch Hall seine Führungskräfte darin, psychische Überlas-ungssituationen bei Mitarbeitern rechtzeitig zu erkennen.
Ein Burn-out wird schnell sehr teuer
Dies alles tut Schwäbisch Hall nicht aus altruistischen Motiven, sondern durchaus aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen, betont Bernadette Imkamp. "Denn mittelfristig rechnen sich diese Ausgaben fürs Unternehmen - nicht nur aufgrund der geringeren Zahl von krankheitsbedingten Fehltagen." Dass diese Annahme nicht unbegründet ist, macht Michael Treixler, Geschäftsführer des Präventionsspezialisten SKOLAmed in Königwinter, deutlich: "Wenn ein Mitarbeiter wegen eines Burn-out ausfällt, können Unternehmen davon ausgehen, dass er ein halbes Jahr fehlt. Und völlig unklar ist in dieser Zeit: Kommt er danach zurück und wenn ja, wie stark ist er anschließend belastbar."
Angenommen nun, der Mitarbeiter ist ein Bereichsleiter. Dann entstehen dem Unternehmen durch den Burn-out schnell unmittelbare Kosten in Höhe von 80.000 Euro. Und rechnet man, so Treixler, die sogenannten Chaoskosten hinzu, die dadurch entstehen, dass aufgrund der Abwesenheit des Bereichsleiters gewisse Vorhaben nicht, mit Zeitverzögerung oder mit fehlender Sorgfalt umgesetzt werden, "dann landet man schnell bei einem Betrag von mehreren 100.000 Euro". Das zeigt, wie wichtig es für Unternehmen ist, präventiv aktiv zu werden.
Hinzu kommt ein weiterer Punkt, der aufgrund des demografischen Wandels und des sich abzeichnenden Mangels an Fach- und Führungskräften an Bedeutung gewinnt. Immer mehr gerade hoch qualifizierte Mitarbeiter beurteilen potenzielle Arbeitgeber auch danach: Inwieweit ermöglicht er es mir, ein Leben in Balance zu führen? Entsprechende Förderprogramme und Unterstützungsangebote sind also auch ein Instrument im Kampf um hoch qualifizierte Arbeitskräfte. (oe)
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Der Autor Bernhard Kuntz ist Geschäftsführer der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, und u.a. Autor der Marketing- und PR-Ratgeber "Die Katze im Sack verkaufen", "Fette Beute für Trainer und Berater" und "Warum kennt den jeder?" Tel.: 06151 89659-0; E-Mail: info@die-profilberater.de; Internet: www.die-profilberater.de