Cognitive Computing

Watson, übernehmen Sie, heißt es bei IBM

14.10.2015
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
IBM gibt Gas im Analytics-Markt. Der Hoffnungsträger heißt "Watson Analytics" und soll Big Blue ins Cognitive-Computing-Zeitalter führen. Die Vision: Bessere Business-Entscheidungen an jedem Arbeitsplatz - durch einfache, aber mächtige Analysetools. Heute werden neue Produkte vorgestellt.

Man stelle sich vor, Fußball-Bundestrainer Jogi Löw könnte anhand der Auswertung vielfältigster Datenquellen die optimale Fußballmannschaft aufstellen. Oder Statistiker könnten anhand von Wettervorhersagen herausfinden, wie der Bierabsatz im nächsten Sommer wird. Oder eine Social-Web-Analyse gäbe einem Unternehmen Hinweise darauf, wie sich sein Aktienkurs entwickeln wird und ob möglicherweise ein Rückkaufprogramm sinnvoll ist.

Virginia Rometty, CEO von IBM, läutete auf dem Gartner-Symposium in Orlando das Zeitalter des Cognitive Computing ein - mit Watson Analytics im Mittelpunkt.
Virginia Rometty, CEO von IBM, läutete auf dem Gartner-Symposium in Orlando das Zeitalter des Cognitive Computing ein - mit Watson Analytics im Mittelpunkt.

In diese und ähnliche Richtungen gehen die Forschungsanstrengungen von IBMs neuem Geschäftsbereich Cognitive Business Solutions, der sich um IBMs Watson-Analytics-Technologie herum gebildet hat. Ziel ist es, einfache, aber mächtige Analysetools in die Hände von Anwendern - und nicht von Technikern - zu legen (siehe auch: IBM bohrt Watson Analytics auf).

IBM stellt dazu heute in New York neue Produkte seiner "Watson-Analytics"-Produktlinie vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die sogenannten "Expert Storybooks". Sie basieren auf Konnektoren, mit denen die Analysetools immer neu Datenquellen anzapfen und ebenso sichere Verbindungen zu Unternehmensdatenbeständen nutzen können.

IBM auf dem Cognitive-Computing-Trip

IBM scheint seine Zukunft auf Cognitive Computing im Allgemeinen und Watson Analytics im Besonderen verwetten zu wollen. CEO Virginia Rometty hatte vor wenigen Tagen in einer Podiumsdiskussion beim Gartner Symposium in Orlando, Florida, gesagt, sie hoffe, dass die erste Nutzererfahrung, die Anwender mit IBM-Produkten machten, in Zukunft die mit der "denkenden" und "lernenden" Watson-Technologie sei. Das beginne mit Spielzeug, das sich den Gewohnheiten der Kinder anpasse, reiche über Studenten, deren Lerninhalte und -tempo angepasst werden könne, und gehe bis hin zu denkenden Systemen, die die Produktionen in den Unternehmen intelligent steuerten.

Mehr als 500.000 Menschen haben sich laut IBM nach dem Launch der Cloud-basierten Watson-Analytics-Tools vor zehn Monaten für deren Nutzung registriert. Viele von ihnen sind allerdings noch keine zahlenden Kunden, sondern lediglich Interessenten, die sich mit den Freemium-Tools beschäftigen. IBM will mit dem kostenlosen Angebot demonstrieren, wie sich Analytics in einer Cloud- und Self-Service-Umgebung nutzen lässt. Business-User können ihre Projekte schnell umsetzen ohne in eine teure und komplexe Infrastruktur investieren zu müssen.

Datenbasierte Entscheidungen

"Es geht vor allem um die End User in den Fachabteilungen", sagt John Colthart, der das Produktdesign für Watson Analytics leitet. Profis aus den Marketing- und Sales-Abteilungen sollen so einfach wie möglich datenbasierte Entscheidungen fällen können, die sowohl Erfahrungswerte als auch Vorhersagen einbeziehen. Zusammen mit Partnern hat IBM eine ganze Reihe von Expert Storybooks entwickelt, bei denen es sich laut IBM im Wesentlichen um "Data-Discovery-Modelle" handelt. Nutzer der Storybooks erhalten als Recherche-Ergebnis anspruchsvolle Visualisierungen, die aufgrund der Analyse verschiedener Datenquellen Fakten, Muster und Beziehungen erkennen lassen, mit denen Entscheidungsprozesse abgesichert werden können.

Ein Storybook, das IBM beispielsweise zusammen mit The Weather Company erstellt hat, soll Anwendern helfen, Wetterdaten in ihre Geschäfts- und Umsatzplanung einfließen zu lasen. Ein Twitter-Storybook soll die Social-Data-Analyse erleichtern: Unternehmen könne vielfältige Abfragen zu Social-Trends formulieren und herausfinden, ob ihre Reputation gefährdet ist. Die Storybooks sind hinsichtlich ihrer Analyse- und Speicherkapazitäten für Nutzer des kostenlosen Einstiegsangebots limitiert. Wer von den Testergebnissen überzeugt ist, kann mit IBM und seinen Partnern über eine zahlungspflichtige Ausweitung verhandeln.

Mehr Quellen im Zugriff

Neue Datenkonnektoren sollen Watson-Analytics-Usern dabei helfen, auf eine stetig wachsende Anzahl an Quellen zugreifen zu können. Neu ist etwa die Berücksichtigung von Amazon Redshift, Apache Hive, Box und Cloudera Impala. Zudem hat IBM den sicheren Zugriff auf unternehmenseigene Datenquellen verbessert und sich dabei verschiedener Funktionen des hauseigenen Cloud-basierten Datenzugriffs- und -veredelungsdienstes "DataWorks" bedient. Die Features nutzen "Dockers"-Container, um automatisiert verschlüsselte Daten über eine sichere Verbindung zu transportieren.

Anwender von "Watson Analytics" können Daten eingeben oder Abfragen in natürlicher Sprache stellen. Das System merkt sich die Interessen des Nutzers und unterbreitet laufend Vorschläge für weitere Analysen. Da sich am Analytics-Markt eine Menge Anbieter tummeln und beispielsweise Microsoft mit "Power BI" ebenfalls den Massenmarkt anpeilt, positioniert Colthart Watson Analytics im Bereich Predictive Analytics and Forecasting. Je mehr Cognitive-Computing-Services in Watson Analytics integriert würden, desto konkurrenzfähiger sei das System.

IBM verfolge ein Modell des kontinuierlichen Ausbaus, so Colthart, monatlich oder sogar wöchentlich werde es neue Cognitive-Computing-Services in Watson Analytics geben. Dabei gehe es in zwei Richtungen: Entweder geht es um qualitative Verbesserungen, indem mehr Zusammenhänge und Muster erkannt werden oder der Zugriff auf unstrukturierte Datenbestände wird erweitert. (hv)