Twitter-Alternative

Was taugt Mastodon?

03.11.2022
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Anders als Twitter wird Mastodon nicht von einem abgedrehten Milliardär kontrolliert, sondern läuft auf vielen einzelnen Servern. Das macht die Plattform für Twitter-müde Nutzer attraktiv, erleichtert aber nicht unbedingt den Einstieg.
Ist Mastodon das bessere Twitter?
Ist Mastodon das bessere Twitter?
Foto: T. Schneider - shutterstock.com

Nachdem Elon Musk in der vergangenen Woche die Übernahme von Twitter abgeschlossen hatte, kündigten viele - prominente und nicht-prominente - Nutzer an, die Social-Media-Plattform als Reaktion auf Musks fragwürdigen Vorstellungen von Meinungsfreiheit zu verlassen. Beliebtes neues Ziel ist nun Mastodon, eine auf Web3-Prinzipien basierende Social-Media-Plattform, die der Gründer und Chefentwickler Eugen Rochko bereits 2016 ins Leben gerufen hatte, als Gerüchte über eine anstehende Übernahme von Twitter aufkeimten.

Mastodon konnte nach eigenen Angaben schon ab Beginn der zähen Übernahmeverhandlungen zwischen Musk und dem Twitter-Management Ende April 2022 deutlich zulegen und verbuchte allein einen Tag nach Vollzug des Kaufs mehr als 70.000 Neuanmeldungen. Insgesamt zählt die auf freier quelloffener Software basierende Plattform mittlerweile mehr als 600.000 monatlich aktive Nutzer.

Verglichen mit den 450 Millionen täglich aktiven Nutzer auf Twitter (einschließlich etlicher Bots) ist das zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aufgrund seiner Struktur als dezentrales Netzwerk macht Mastodon den Einstieg allerdings auch technisch versierten Nutzern trotz einiger Ähnlichkeiten mit Twitter nicht ganz einfach.

Fediversum aus verschiedenen Mastodon-Instanzen

Mastodon ermöglicht es Nutzern, sogenannte Toots oder Tröts, 500-Zeichen-Nachrichten mit Bildern, Umfragen, Videos usw., an ein Publikum von Followern zu veröffentlichen und im Gegenzug interessanten Personen zu folgen und deren Beiträge in einem chronologischen Home-Feed zu erhalten.

Im Gegensatz zu Twitter gibt es dabei aber keine zentrale Mastodon-Website, sondern - aktuell - mehr als 3000 Server mit verschiedenen Themen oder aus verschiedenen Regionen. Diese Server sind "föderiert", d. h. sie werden von verschiedenen Einrichtungen betrieben, können aber dennoch miteinander kommunizieren, ohne dass sie über ein zentrales System laufen müssen. Resultat ist das sogenannte Fediverse.

Statt einer allgemeinen Anmeldung muss man sich bei einem der Betreiber einer Mastodon-Instanz registrieren, dieser hostet dann das Konto, ähnlich wie bei Outlook oder Gmail. Die Auswahl des Servers ist dabei nicht ganz unwichtig, da dieser - ähnlich wie bei einer E-Mail-Plattform - Teil des Benutzernamens wird. Außerdem werden im Feed primär die Toots von Server-Kollegen angezeigt und nicht vom gesamten Fediversum.

Man muss sich aber nicht zwangsläufig nur in diesem Bubble bewegen, sondern kann auch Nutzern aus anderen Instanzen folgen und mit ihnen kommunizieren. Neben den von Twitter bekannten Tools wie Liken oder Retweeten (im Mastodon-Jargon Boosting genannt) gibt es aber noch andere nützliche Funktionen, etwa Sichtbarkeitseinstellungen, die Ihnen eine gewisse Kontrolle darüber geben, wer Ihre Beiträge sehen kann. Außerdem ist es möglich, neben einzelnen Nutzern auch ganze Server stummzuschalten und zu blockieren.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet…

Neben der hohen Einstiegshürde für Neueinsteiger birgt das Modell von Mastodon aber auch einige Risiken. Zwar gewährleisten die quelloffene Software und das dezentrale Modell zwar, dass Mastodon dauerhaft unabhängig bleibt. Beschließt aber etwa der Betreiber des Servers, den lediglich durch Spenden finanzierten Dienst einzustellen, gehen ähnlich wie bei der Geschäftsaufgabe eines E-Mail-Providers sämtliche Mitteilungen, Kontakte und Einstellungen verloren.

Außerdem hat ein Mastodon-Serveradministrator auch die ultimative Kontrolle über alles, was auf seiner Instanz passiert: vom Entfernen einzelner Toots oder dem Blockieren anderer Server bis hin zum Löschen von Nutzer-Konten. Mastodon-Gründer Rochko empfiehlt neuen Nutzern daher, genau zu prüfen, wer einen Server betreibt. Die "Guten", so erklärt er, "haben Regeln gegen Hassreden und bieten grundlegende Dinge wie Backups, so dass der Server nicht verschwindet, wenn einer der Administratoren von einem Bus überfahren wird." Rochko fügte hinzu, dass Mastodon auf seiner Homepage eine Liste von geprüften Servern anbietet, die diese Kriterien erfüllen.