Was kaum jemand für möglich gehalten hatte, ist eingetreten: Die Amerikaner haben den Milliardär und Populisten Donald Trump zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Hillary Clinton zeigte sich professionell. Sie gehörte zu den ersten, die Trump gratulierten. Die Frage ist nun, welche Wahlkampfaussagen des neuen Präsidenten für bare Münze genommen werden können und welche eher in die Rubrik der Schaumschlägerei fallen.
Trump hat seinen Wahlkampf bekanntlich weniger mit Argumenten und konkreten Ankündigungen als mit Attacken, Beleidigungen und emotionalen Äußerungen geführt. So blieben seine Aussagen bezüglich der künftigen Strategie und Rolle der USA im digitalen Weltmarkt eher vage. Für die amerikanische und weltweite ITK-Branche gibt es daher jetzt jede Menge Unwägbarkeiten.
Trump muss Farbe bekennen
Rechtssicherheit in den traditionell eng verflochtenen Wirtschaftsräumen der USA und der EU mahnt Matthias Wahl an. Der Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) spricht wohl für die ganze Branche, wenn er mahnt: "Nach seinem Wahlkampf muss Donald Trump Farbe bekennen. Die digitale Wirtschaft in Deutschland und der gesamten EU erwartet verlässliche Rahmenbedingungen für die bewährte transatlantische Zusammenarbeit. Bestehende Freihandelsbeziehungen dürfen von der US-Regierung unter keinen Umständen in Frage gestellt werden - dies wäre Gift für die Weltwirtschaft."
Ähnlich besorgt zeigt sich der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi), dessen Präsident Oliver Grün in einer Mittelung schreibt: "Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl scheint vor allem auszudrücken, dass eine Mehrheit der Bürger von der bestehenden Politik und den positiven Elementen der Globalisierung nicht mehr erreicht werden und einen Wechsel wollen. Gerade im Hinblick auf die Digitalisierung und die Wichtigkeit der Einigkeit in unserem Europa müssen wir gegen Populismus und Nationalisierung kämpfen und den Menschen die Chancen und Vorteile der Digitalisierung viel deutlicher klar machen, als bisher."
Quoten und Zölle könnten Handel erschweren
Tatsächlich macht Trumps Vision eines protektionistischen Amerika allen Nationen sorgen, die in die USA exportieren und mit der größten Weltwirtschaft Handel treiben. Gerechnet wird mit neuen Zöllen sowie Quoten und Kontingenten für die Einwanderung von Fachkräften. Trump hatte mehrfach zu verstehen gegeben, dass ihm die billigen Exporte aus China ein Dorn im Auge seien. Und er hatte ebenfalls gesagt, dass Arbeit nicht im großen Stil nach Indien ausgelagert werden dürfe, wenn gleichzeitig in den USA die Arbeitslosenquote steige.
In seinem Buch "Time to Get Tough" hatte Trump davon gesprochen, Unternehmen, die Jobs ins Ausland verlagern, mit einer Steuer von 15 Prozent zu belegen. Außerdem schlug er eine 20-Prozent-Steuer auf importierte Güter und Services vor. Noch höher will er Autos, die aus Mexiko ins Land kommen, besteuern. Ganz so scharf sind seine Forderungen inzwischen zwar nicht mehr, aber ein Warnsignal für die IT-Industrie sollten sie sein. Insbesondere für das Offshoring-Land Indien wäre eine Umsetzung der Trump-Ziele eine nationale Katastrophe. Größte Abnehmer indischer IT-Dienstleistungen sind US-Betriebe.
Gegner der Netzneutralität
Zu vielen anderen Themen hat sich Trump im Wahlkampf nicht so weit aus dem Fenster gelehnt. Möglich wäre aber eine veränderte Regulierung der Internet Service Provider (ISP). Beobachter vermuten, dass Trump, ein Gegner der Netzneutralität, die bereits aufgeweichten Regeln weiter entschärfen könnte. Er hält Netzneutralität - warum, bleibt sein Geheimnis - für eine Waffe der demokratischen Gegner.
Im Jahr 2014 schrieb der künftige Präsident in diesem Zusammenhang auf Twitter, Obamas "Attacke auf das Internet sei ein weiterer Top-down-Staatsstreich". Netzneutralität sei die neue "Fairness-Doktrin". Trump spielte damit auf eine umstrittene Vorschrift der Federal Communications Commission (FCC) aus dem Jahre 1949 an, die amerikanischen Radiosendern vorschrieb, zu Themen von öffentlichem Interesse nicht einseitig zu berichten, sondern immer Stimmen beider Seiten zuzulassen. Trump fürchtet, dass Netzneutralität konservative Stimmen im Netz benachteiligen könnte - obwohl das Thema gar nichts mit Internet-Inhalten zu tun hat.
Regulatorische Rahmenbedingungen
Für den Fall seines Wahlsieges hat Trump ein "temporäres Moratorium" für geplante regulatorische Eingriffe in Aussicht gestellt. Er wolle alle "illegalen und über das Ziel hinausschießenden Anordnungen" außer Kraft setzen und unnötige Regularien, die die öffentliche Sicherheit gefährdeten und die Entstehung von Arbeitsplätzen behinderten, abschaffen. "Ars Technica" erwartet nun eine weitgehende Deregulierung der TK-Industrie und Vorteile für alle ISPs, die sich gegen die neuen Regeln des demokratischen FCC-Chairman Tom Wheeler aufgelehnt hatten. Unter dem Einfluss des Weißen Hauses hatte sich Wheeler Anfang 2015 für die Netzneutralität stark gemacht und eine entsprechende Regulierung durchgesetzt.
Eher vage hat sich die Trump-Administration auch zu den Themen Cybersicherheit und Verschlüsselung geäußert. Im Wahlkampf aufkommende Mutmaßungen von US-Geheimdiensten, wonach die russische Regierung hinter Cyberattacken auf die Demokratische Partei stecken könne oder diese zumindest stillschweigend geduldet habe, hatte Trump abgebürstet. Andererseits forderte er einen Boykott gegen Apple-Produkte, als sich das Unternehmen im Februar dieses Jahres weigerte, dem FBI Zugang zu einem verschlüsselten iPhone 5 zu ermöglichen, das einem der Todesschützen des Terrorangriffs im kalifornischen San Bernardino gehört hatte.
In Sachen Cybersicherheit sagte Trump vor der Wahl, er beabsichtige "eine sofortige Prüfung" aller amerikanischen Einrichtungen für die Abwehr von Cyberangriffen sowie der kritischen Infrastruktur des Landes. Darum solle sich ein Cyber Review Team kümmern, das Experten aus Militär, Strafverfolgungsbehörden und dem privaten Sektor umfassen werde.
Für den Wissenschaftsbereich, so mutmaßt Ars Technica, sieht es in Zeiten der Trump-Präsidentschaft besonders finster aus. Analysen des geplanten Haushalts zeigten, dass Trump hier die Ausgaben limitieren wolle. Abgesehen von der NASA gebe es nicht viele Wissenschaftsbereiche, die dem neuen President am Herzen lägen. Dass er etwa den Klimawandel - wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz - für eine Erfindung der Chinesen hält, die damit angeblich Amerikas Wirtschaft einbremsen wollten, lässt erahnen, mit welchen Arbeitsbedingungen und finanziellen Zuwendungen US-Klimaforscher künftig zu rechnen haben.