Bewerber im Persönlichkeitscheck

Was bringen Eignungstests?

05.06.2014
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Manche CIOs und Personaler messen Denkvermögen, Wissen und persönliche Eigenschaften von Bewerbern und Mitarbeitern mit ausgefeilten Fragebögen online oder auf Papier. Andere halten nichts davon.
Immer wieder spannende Fragen: wie gut passen ein Bewerber und ein Unternehmen zusammen? Und wie findet man das am besten raus?
Immer wieder spannende Fragen: wie gut passen ein Bewerber und ein Unternehmen zusammen? Und wie findet man das am besten raus?
Foto: Sergej Khackimullin

"Intern bewerben sich oft immer die gleichen Interessenten, auch wenn sie auf die freien Stellen weniger passen, und andere, die passen würden, bewerben sich nicht", schildert Heinrich Wottawa ein Problem, mit dem Personalleiter und Fachvorgesetzte zu kämpfen haben. Er empfiehlt, Mitarbeitern, die sich für eine Position interessieren könnten, einen diskreten Eignungstest zu ermöglichen. Fällt das Ergebnis gut aus, fühlen sie sich ermutigt; wenn nicht, weiß niemand, dass sie den Test gemacht haben, so dass sie sich ohne Gesichtsverlust zurückziehen können.

Wottawa ist Psychologieprofessor und leitet den Lehrstuhl für Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation an der Ruhr-Universität Bochum. Sein Unternehmen Eligo hat unter anderem die gleichnamige psychologische Personalsoftware und die Internet-Plattform "Perls" entwickelt. Benutzer, meist aus Personalabteilungen, können eingeben, welche Eigenschaften sie sich von den Bewerbern für eine freie Stelle in welchem Ausmaß wünschen. Perls und Eligo werten die Tests, die die externen oder internen Kandidaten online ausfüllen, entsprechend aus. Dabei spielen Rankings und Prozentzahlen eine Rolle - die Befürworter solcher Tests argumentieren mit Genauigkeit, Objektivität und Prognosequalität.

Verbreitet sind Persönlichkeits-, Intelligenz-, Konzentrationstests sowie Eignungstests für bestimmte Positionen und Berufe. Die Testfragen in Perls und Eligo spielen in alle diese Bereiche hinein. Auf der Liste der Projektkunden stehen vor allem große Firmen wie DHL, RWE und die Deutsche Bank. 300 bis 500 Bewerbungen auf 30 bis 50 Stellen sollte ein Unternehmen laut Wottawa pro Jahr mindestens bekommen, damit sich die Eligo-Produkte lohnen.

Test kommt mit der Post

Otto-Personalerin Ireen Baumgart schickt Bewerbern vorab einen Test zu, um deren potentielle Eignung zu prüfen.
Otto-Personalerin Ireen Baumgart schickt Bewerbern vorab einen Test zu, um deren potentielle Eignung zu prüfen.
Foto: Privat

Die Otto Group schickt Bewerbern sämtlicher Fachrichtungen mit der Post einen Predictive-Index-Test nach Hause. Er soll vorhersagen, wie sich der Prüfling in beruflichen Situationen verhalten wird und ob er menschlich zum Unternehmen passt. PI-Tests gibt es in vielen Versionen, bei einer gängigen soll der Kandidat von 86 Adjektiven alle ankreuzen, von denen er sich beschrieben fühlt. "In einer Organisation wie Otto, in der E-Commerce eine so zentrale Rolle spielt, soll jeder Mitarbeiter, gleich welcher Profession, an der Kultur des Gesamtunternehmens partizipieren und sie aktiv mitgestalten", argumentiert Recruitment-Abteilungsleiterin Ireen Baumgart. Auch Techniker müssten sich durch "Kommunikationsstärke, Teamgeist und Selbstreflexion" auszeichnen. Der Predictive-Index-Test ist bei Otto ein "ergänzendes Instrument" neben dem persönlichen Gespräch.

Lieber Word und Excel

Almatis-CIO Henning Stams verlässt sich in Personalgesprächen lieber auf sein Bauchgefühl als auf Eignungstests.
Almatis-CIO Henning Stams verlässt sich in Personalgesprächen lieber auf sein Bauchgefühl als auf Eignungstests.
Foto: Privat

"Der Aufwand war hoch, der zusätzliche Nutzwert gering", erinnert sich CIO Henning Stams an die extern gestützte Potenzialanalyse, mit der der Aluminiumoxid-Hersteller Almatis früher seine Mitarbeiter beurteilte. Davon sei man wieder abgekommen und verlasse sich jetzt auf intensive jährliche Überlegungen, was aus den Mitarbeitern werden und wie man sie fördern könne: "Für dieses Performance-Management benötigen wir keine Software von Externen. Unsere Standards lassen sich in Word und Excel abbilden." Auch Bewerber von außen unterzieht Almatis keinen Eignungstests, sondern beschränkt sich auf strukturierte Interviews. "Ich habe gelernt, in Personalfragen vor allem auf meinen Bauch zu hören", bilanziert Stams. "Wann immer ich anders gehandelt habe, war es im Nachhinein verkehrt."

Unternehmen, die mit Bewerbungen überschüttet werden, können mit automatisch ausgewerteten Online-Tests versuchen, vielen Kandidaten eine Chance zu geben und doch nur wenige einladen zu müssen. Das Risiko, einer Superfrau oder einem Supermann unbesehen abzusagen, sinkt durch die Tests. Herbert Wittemer, Personalleiter beim Ismaninger Systemhaus msg Systems, sieht sein Unternehmen und die Szene jedoch nicht so unter Druck: "Wir in der ITK-Branche leiden eher an Fachkräftemangel, daher sind die Bewerberzahlen etwas niedriger. Fachlich nicht geeignete Bewerbungen können wir auch ohne Eignungstests aussortieren." Um Fachkenntnisse, Berufserfahrung und Branchenwissen zu prüfen, genügten persönliche Gespräche.