Die Konsolidierungswelle der letzten Jahre hat die Bankenlandschaft in Deutschland stark verändert. Dennoch gilt die hiesige Branche noch immer als "overbanked": Mit den vielen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist die Zahl der Institute vergleichsweise hoch. Gleichzeitig treten vermehrt Fintech-Startups in den Markt, die Kunden mit innovativen Angeboten und schnellem Service locken. Der Druck auf die Bankenlandschaft nimmt also von mehreren Seiten zu. Sie müssen Prozesse im Backend noch effizienter gestalten, den Service vereinfachen sowie beschleunigen und sich gleichzeitig innovativ aufstellen. Die vielfältigen Herausforderungen fordern von den Banken mehr Flexibilität und Agilität - und das in Bezug auf die gesamte Organisation. Dabei können sie sich viele Methoden von Software-Entwicklern abschauen.
Scrum und Design Thinking erobern die Organisation
Softwareentwicklung hat die Team- und Projektarbeit durch agile Methoden neu und effizienter gestaltet. Dabei teilt das Team die Projektlaufzeit in Etappen von etwa 30 Tagen ein. Während dieser Zeit fügt das Team beispielsweise dem Produkt eine neue Funktionalität hinzu oder verbessert eine vorhandene Funktion. Am Ende jeder Etappe sollte ein voll funktionsfähiges Zwischenprodukt oder eine neue Funktion stehen, die bereit für einen Test ist. Die Ergebnisse der Test bilden die Basis für die weitere Arbeit.
Mit dieser agilen und effizienten Arbeitsweise lassen sich nicht nur innovative Banking-Anwendungen entwickeln, sie dient auch als Vorbild für andere Fachbereiche in der Bank. Die Einsatzfelder sind vielfältig: So verschlanken viele Unternehmen mithilfe der eben beschriebenen Scrum-Methodik bereits ihr Projektmanagement. Auf diese Weise lassen sich aber auch der Kundenservice modernisieren oder neue Regularien umsetzen. Das jeweilige Projektziel bestimmt dabei, wie das Team zusammengesetzt ist und wie die Teilziele gestaltet sind.
- Zehn Erkenntnisse aus der Fintech-Szene
Die mannigfaltigen Spielarten der Fintech-Szene sowie deren Geschäftspotenzial und "Sprengkraft" im Markt hat die Unternehmensberatung Pass IT-Consulting aus Aschaffenburg in einer Studie untersucht. - 1. Fintechs entwickeln sowohl Lösungen, ...
... die Bankenleistungen ersetzen können, als auch solche, die den Service oder die Wertschöpfungskette der Banken anreichern. - 2. Sie visieren oft Kernbereiche der Banken an, ...
... zum Beispiel den Zahlungsverkehr oder das Kreditgeschäft, bisweilen aber auch Rand- und nicht wertschöpfende Bereiche. - 3. Die meisten Fintechs im B2B-Bereich richten ...
... sich auf Kooperationen mit Banken oder großen Internet-Konzernen aus. - 4. Das heißt im Umkehrschluss:
Als direkte Angreifer der etablierten Banken positionieren sich nur wenige. - 5. Der Markt ist sehr dynamisch:
Aus Angreifern könnten kurz- oder mittelfristig auch Zulieferer, also Kooperationspartner der Banken, werden. - 6. Die Banken selbst messen den Fintechs ...
... innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre eine steigende Bedeutung bei. - 7. Dabei sehen die Bankenvertreter sowohl Chancen ...
... als auch Risiken im Zusammenhang mit den Fintechs. - 8. Viele von ihnen fürchten ...
... allerdings ganz konkret eine Beeinträchtigung ihres Kerngeschäfts durch die Aktivitäten der Fintechs. - 9. Die "Zulieferer" unter den Fintechs ...
... haben viel Marktpotenzial. Ihre Kompetenz reicht von Customer-Service-Automatisierung über Videolegitimierung und Customer Journey bis zu Big Data Rating. - 10. Das "Eruptionspotenzial" hingegen ist nur bei wenigen Fintechs wirklich hoch.
Wie die Studie ausweist, sind vor allem zwei Bereiche herausragend: Mobile Payment - sofern es mit Mehrwerten wie neuen Kassensystemen verbunden ist - sowie der Kreditmarkt für kleinere und mittlere Unternehmen.
Eine viel grundsätzlichere Herangehensweise ist das Design Thinking. Die Methodik stellt bei allem die Frage: Gibt es dafür ein menschliches Bedürfnis? So entstehen neue Produktideen, die das Portfolio ergänzen. Doch bisher haben Unternehmen bei Innovationen meist nicht die Nutzerperspektive im Blick. Sie konzentrierten sich auf die Technologie, Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Vermarktbarkeit. Dabei vernachlässigen sie häufig, ob dafür wirklich ein konkretes Bedürfnis besteht. Design Thinking kann also dabei helfen, einen großen Schritt in Richtung Kundenzentrierung zu gehen.
Agile Methoden und Open Banking gehen Hand in Hand
Um ihre digitalen Services nutzerorientierter und innovativer zu gestalten, setzen heute viele Banken schon auf die Kollaboration mit Fintechs. Technologisch nutzen sie meist offene Programmierschnittstellen (APIs). So können Banken trotz komplexer und gewachsener IT-Strukturen neue Apps in ihre bestehende IT-Umgebung integrieren. Ziel der Zusammenarbeit mit Fintechs ist es, Produkte entlang der Kundenbedürfnisse zu entwickeln, stetig zu verbessern und damit eine nachweislich hohe Kundenzufriedenheit zu generieren.
Indem sie agil in kurzen Zyklen mit häufigen Reflexionsphasen arbeiten, können Banken und Fintechs gemeinsame Lösungen schnell zur Marktreife bringen und die Kundenzentrierung erhöhen. Dieses sogenannte Open Banking können Finanzinstitute laut einer Studie von Deloitte als Anlass nehmen, um auch ihre Unternehmensstruktur und Prozesse hin zu einem integrierten digitalen Liefermodell zu entwickeln und schrittweise an agile Arbeitsmethoden anzupassen.
Neue Rollen für Softwareentwickler
Doch nicht nur die agilen Methoden der Softwareentwickler halten Einzug in die gesamte Organisation. Auch die Entwickler selbst rücken weiter ins Zentrum. Denn in einer Zeit, in der digitale Anwendungen ein maßgeblicher Faktor für den Erfolg eines Finanzdienstleisters sind, sollten Softwareentwickler strategischere Rollen in dieser Branche einnehmen. Ihr Aufgabenbereich verändert sich von der Programmierung hin zu Applikationsarchitektur und -design. Sie steuern und optimieren den gesamten Lebenszyklus einer App.
Zur veränderten Rolle trägt zudem bei, dass Entwickler besonders effektiv neue Einsatzfelder und Geschäftsideen für Technologien finden können. Sie kennen etwa die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und Blockchain und können für verschiedene Unternehmensbereiche im Backend und Frontend der Bank Use Cases entwickeln.
Gleichzeitig wissen sie aber auch, welche Voraussetzungen die Technologien erfordern und haben etwaige technologische Herausforderungen im Blick. Darum richten immer mehr Unternehmen dedizierte Innovationsteams und -räume ein. In sogenannten Innovation Labs stehen die Anwendungsexperten im Zentrum der Ideenfindung für neue Lösungen und Produkte. Hierbei ist jedoch wichtig, dass diese Teams eng mit der Muttergesellschaft vernetzt sind, um einen Wissenstransfer zu ermöglichen. Die Mitglieder der Innovation Labs müssen zudem verstehen, mit welchen Herausforderungen die operativen Einheiten konfrontiert sind. Nur so können Sie Prozesse verbessern, aber auch Kritiker ins Boot holen. Um einen echten Mehrwert zu bieten, sollten sie nicht nur interessante Ideen aufzeigen, sondern konkrete strategische Ziele verfolgen, die das Unternehmen voranbringen.
Agile als Element der kundenzentrierten Bank
Agile Methoden und Open Banking können nur ein Baustein hin zu einer kundenzentrierten Bank sein. Ebenso wichtig ist es, die Ziele einer agilen Arbeitsweise zu verinnerlichen und in der Unternehmenskultur zu verankern. Dann werden Scrum und Design Thinking nicht zum Selbstzweck. Nur, wenn auch die Haltung der Mitarbeiter vom Manager bis hin zum Filialangestellten auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet sind, können sich Banken zukunftssicher aufstellen. Für diese Einstellung können Softwareentwickler ein Vorbild sein. (bw)