Was sind die strategischen Top-Techniktrends für 2022? Dieser Frage ging Gartner nach. Doch bevor sich IT-Entscheider auf die Suche nach den Trendthemen begeben, sollten sie sich bewusst machen welche Imperative 2022 ihr Handeln bestimmen werden. Für David Groombridge, Research Vice President bei Gartner, sind das: IT-Multiplikatoren zu finden, die Wachstum und Innovation ermöglichen und skalierbare, belastbare technische Grundlagen zu schaffen, deren Skalierbarkeit Geld für digitale Investitionen freisetzt.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für Groombridge drei Themen als Grundlage der diesjährigen Technologietrends: Vertrauen schaffen, Wandel gestalten und Wachstum beschleunigen. Für das folgende Jahr sieht Gartner-Analyst Groombridge folgende Themen als strategische Technologietrends:
1. Generative Artificial Intelligence
Eine der leistungsstärksten KI-Techniken, die für Gartner auf den Markt kommt, ist die generative KI. Hier handelt es sich um maschinelle Lernmethoden, die aus den Daten Inhalte oder Objekte erlernt. Erkenntnisse, die dann dazu genutzt werden, um neue, völlig realistische Artefakte zu erzeugen.
Generative KI kann für eine Reihe von Aktivitäten eingesetzt werden - etwa für die Erstellung von Softwarecode, die Arzneimittelentwicklung oder gezieltes Marketing und vieles mehr. Genauso hat generative KI aber auch ein negatives Potenzial, etwa für Betrug, politische Desinformation, gefälschte Identitäten und vieles mehr. Gartner geht davon aus, dass bis 2025 zehn Prozent aller erzeugten Daten auf generative KI entfallen werden. Heute sind es weniger als ein Prozent.
2. Data Fabric
Die Zahl der Daten- und Anwendungssilos ist in den letzten zehn Jahren sprunghaft gestiegen, während die Zahl der qualifizierten Mitarbeiter in Daten- und Analyseteams (D&A) entweder gleich blieb oder sogar sank. Data Fabrics als eine flexible Form der Integration von Daten über Plattformen und Geschäftsbereiche hinweg können dagegen die Infrastruktur eines Unternehmens zur Datenintegration vereinfachen und beim Aufbau einer skalierbaren Architektur helfen.
Den eigentlichen Mehrwert einer Data Fabric sieht Gartner in der Möglichkeit, die Datennutzung mit ihren eingebauten Analysen dynamisch zu verbessern, sowie den Aufwand für die Datenverwaltung um bis zu 70 Prozent zu senken.
3. Distributed Enterprise
Mit der Zunahme von remoten und hybriden Arbeitsmustern entwickeln sich die klassischen bürozentrierten Organisationen hin zu verteilten Unternehmen, deren Mitarbeitern geographisch verteilt sind.
Für CIOs bedeutet dies, dass sie umfangreiche technische und Service-Änderungen durchführen müssen, um die gleichen Arbeitserfahrungen wie früher zu ermöglichen. Zudem habe diese Entwicklung noch auf anderer Seite Konsequenzen: Die Veränderung der Geschäftsmodelle. So müsse jedes Unternehmen, vom Einzelhandel bis zum Bildungswesen, sein Bereitstellungsmodell umgestalten, um verteilte Dienste liefern und nutzen zu können. Als Beispiel hierfür nennt Gartner etwa, dass vor zwei Jahren noch niemand gedacht habe, dass man Kleider in einer digitalen Umkleidekabine anprobieren würde.
Gartner geht davon aus, dass bis 2023 drei Viertel der Unternehmen, die die Vorteile verteilter Unternehmensdienste nutzen, ein um 25 Prozent schnelleres Umsatzwachstum als ihre Wettbewerber erzielen werden.
4. Cloud-native Platforms
Um wirklich überall digitale Lösungen bereitstellen zu können, müssen sich Unternehmen von den bekannten "Lift and Shift"-Migrationen abwenden und sich Cloud-native Platforms (CNP) zuwenden. CNPs nutzen die Kernfunktionen des Cloud Computing, um skalierbare und elastische IT-Funktionen "als Service" für Technologieentwickler bereitzustellen. Zudem ermöglichen CNPs eine schnellere Wertschöpfung und verursachen weniger Kosten.
Aus diesem Grund prognostiziert Gartner, dass Cloud-native Plattformen bis 2025 bei mehr als 95 Prozent der neuen digitalen Projekte die Grundlage sein werden - im Vergleich zu weniger als 40 Prozent im Jahr 2021.
5. Autonomic Systems
Wenn Unternehmen wachsen, reichen herkömmliche Programmierung oder einfache Automatisierung in der Regel nicht mehr aus. Hier sind autonome Systeme gefragt, die als selbstverwaltende physische oder als Softwaresysteme von ihrer Umgebung lernen. Im Gegensatz zu automatisierten oder autonomous Systemen können autonome Systeme ihre eigenen Algorithmen dynamisch und ohne externe Softwareaktualisierung ändern, so dass sie sich schnell an neue Gegebenheiten vor Ort anpassen können - ähnlich, wie sich Menschen an ihre Umgebung anpassen.
Laut Gartner hat sich autonomes Verhalten bereits in komplexen Sicherheitsumgebungen bewährt. Künftig dürfte es auch in physischen Systemen wie Robotern, Drohnen, Fertigungsmaschinen und intelligenten Räumen eingesetzt werden.
6. Decision Intelligence
Die Entscheidungskompetenz eines Unternehmens kann die Basis für Wettbewerbsvorteile sein. Entscheidungsintelligenz ist dabei eine praktische Disziplin, die zur Verbesserung der Entscheidungsfindung eingesetzt wird. Sie soll zu verstehen helfen, wie Entscheidungen getroffen werden. Zudem bewertet und verwaltet sie die Ergebnisse und gibt Feedback. Gartner prognostiziert, dass ein Drittel der großen Unternehmen in den nächsten zwei Jahren Decision Intelligence für die strukturierte Entscheidungsfindung einsetzen werden, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
7. Composable Applications
Ein sich ständig veränderndes Geschäftsumfeld erfordert eine hohe geschäftliche Anpassungsfähigkeit der Unternehmen. Dies ist nur mit einer Technologiearchitektur zu realisieren, die schnelle, sichere und effiziente Anwendungsänderungen unterstützt. Eine Composable-App-Architektur ermöglicht eine solche Anpassungsfähigkeit. Unternehmen die einen solchen oder zumindest einen kompatiblen Ansatz verfolgen, werden laut Gartner neue Features 80 Prozent schneller als ihre Mitbewerber implementieren können.
8. Hyperautomation
Hyperautomation ermöglicht ein schnelleres Wachstum. Zudem stärkt es die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen, indem so viele Prozesse wie möglich schnell identifiziert, überprüft und automatisiert werden.
Laut Gartner sollten dabei drei Punkte Priorität haben: die Verbesserung der Arbeitsqualität, die Beschleunigung der Geschäftsprozesse sowie die Erhöhung der Agilität bei der Entscheidungsfindung.
9. Privacy-enhancing Computation
CIOs müssen sich nicht nur mit der immer strenger werdenden internationalen Gesetzgebung zum Schutz von Privatsphäre und Daten auseinandersetzen, sondern auch verhindern, dass das Vertrauen ihrer Kunden aufgrund von Datenschutzvorfällen verloren geht. Gartner geht daher davon aus, dass 60 Prozent der großen Unternehmen bis 2025 eine oder mehrere Techniken zur Verbesserung des Datenschutzes einsetzen werden.
Privacy-enhancing Computation (PEC) - die persönliche und sensible Informationen auf Daten-, Software- oder Hardwareebene schützt - ermöglicht die sichere gemeinsame Nutzung, Zusammenführung und Analyse von Daten, ohne die Vertraulichkeit oder den Datenschutz zu gefährden. Aktuelle Anwendungsfälle gibt es laut Gartner in vielen Branchen sowie in Public-Cloud-Infrastrukturen (etwa vertrauenswürdige Ausführungsumgebungen).
10. Cybersecurity Mesh
"Daten ziehen sich wie ein roter Faden durch viele der diesjährigen Trends, aber sie sind nur dann nützlich, wenn Unternehmen ihnen vertrauen können", erklärt Gartner-Manager Groombridge. Dabei können sich die Systeme und Benutzer heute überall befinden - mit der Folge, dass es den klassischen Security-Perimeter mehr gibt. Gefordert sei, so Groombridge, "eine Cybersecurity-Mesh-Architektur (CSMA)."
CSMA hilft dabei, eine integrierte Sicherheitsstruktur zu schaffen, um alle Systeme unabhängig vom Standort zu schützen. Dazu werden die Security-Tools so integriert, dass sie als ein Ökosystem agieren. Bis 2024 werden Unternehmen, die CSMA nutzen, die finanziellen Schäden einzelner Sicherheitsvorfälle um durchschnittlich 90 Prozent reduzieren, prognostiziert Gartner.
11. AI Engineering
IT-Führungskräfte tun sich schwer, KI in Anwendungen zu integrieren. Häufig wird Zeit und Geld für KI-Projekte verschwendet, die nie in Produktion gehen. Oder es ergibt sich daraus kein Mehrwert, wenn ein KI-Projekt dann in der Praxis eingesetzt wird. Abhilfe schafft laut Gartner KI-Engineering, ein integrierter Ansatz zur Operationalisierung von KI-Modellen. Bis 2025 werden die zehn Prozent der Unternehmen, die Best Practices für das KI-Engineering einführen, mindestens einen dreimal so hohen Mehrwert aus ihren KI-Projekten generieren als die 90 Prozent der Unternehmen, die dies nicht tun, so die Auguren.
12. Total Experience
Total Experience (TX) ist eine Geschäftsstrategie, die die Disziplinen Customer Experience (CX), Employee Experience (EX), User Experience (UX) und Multi-Experience (MX) kombiniert. Das Ziel von TX ist es laut Gartner-Mann Groombridge, das Vertrauen, die Zufriedenheit, die Loyalität und die Fürsprache von Kunden und Mitarbeitern zu steigern. Und letztendlich verbessern Unternehmen Umsatz und Gewinn, indem sie anpassungsfähige und widerstandsfähige TX-Geschäftsergebnisse erzielen.