Mixed Workforce

Warum IT-Chefs Freiberufler brauchen

23.02.2022
Von 
Silvia Hänig ist Kommunikationsberaterin und Geschäftsführerin der iKOM in München.
IT-Freiberufler sind weit mehr als nur personelle Lückenbüßer. Heute ist das Know-how Externer unverzichtbar, um IT-Organisationen zukunftsfähig zu machen.
Unternehmen realisieren zunehmend, dass eine Mixed Workforce das Mittel der Wahl ist, um Vakanzen sowie den Know-how-Aufbau sinnvoll aufeinander abzustimmen und den Unternehmenserfolg sicherzustellen.
Unternehmen realisieren zunehmend, dass eine Mixed Workforce das Mittel der Wahl ist, um Vakanzen sowie den Know-how-Aufbau sinnvoll aufeinander abzustimmen und den Unternehmenserfolg sicherzustellen.
Foto: Chaay_Tee - shutterstock.com

Topqualifizierte IT-Freiberufler haben Hochkonjunktur. Der Grund: Immer weniger IT-Abteilungen gelingt es, in vertretbarer Zeit qualifiziertes IT-Personal für ihre anstehenden Projekte zu rekrutieren. Dabei treibt sie nicht allein die Sorge um, den reinen Bedarf an Manpower nicht mehr decken zu können. Vielmehr fehlt es ihnen an wichtigem Know-how, um ihre Wachstumsziele erfüllen zu können. Damit wächst die Relevanz externen IT-Spezialisten in zweierlei Hinsicht:

  • Zum einen als Lieferanten in Unternehmen nicht vorhandener IT-Kompetenzen und

  • zum anderen als zusätzliche Verstärkung einer ohnehin überlasteten, internen Workforce.

Diese Entwicklung sahen auch die befragten IT-Entscheider der IDG "IT-Freiberuflerstudie" schon im Frühjahr 2021 kommen. Konkret gaben sie an, dass sich ihre IT-Projekte aktuell und künftig nur noch im Workforce-Mix stemmen lassen, also einem gesunden Verhältnis zwischen externen und internen Topkräften. Laut ihrer Schätzung setzen sich die verteilten Teams im Durchschnitt aus rund 53 Prozent externer Freiberufler und 47 Prozent interner Mitarbeitender zusammen.

Dazu Alexander Raschke, Vorstand des auf IT-Freelancer spezialisierten Personaldienstleister Etengo: "Die starke Beauftragung von externen Spezialisten für die Arbeit in Mixed Teams ist neben der kurzfristigen Verfügbarkeit immer mehr auch auf deren fachliche Expertise zurückzuführen. Unternehmen realisieren zunehmend, dass der Einsatz IT-Selbstständiger das Mittel der Wahl ist, um Vakanzen sowie den Know-how-Aufbau sinnvoll aufeinander abzustimmen."

Freiberufler stopfen Wissenslücken schnell

Dass sich der Anteil der Solo-Selbständigen in den IT-Organisation derart ausweitet, liegt auf der Hand. Neue Marktveränderungen wirken in ihrer Vielschichtigkeit auf die Unternehmen ein: Ein nahezu leergefegter IT-Kandidatenmarkt steht einer völlig überhitzten Nachfrage gegenüber. Zusätzlich offenbart diese Schere immer größere Qualifikationslücken und zwar genau in den IT-Abteilungen, mit deren Hilfe Unternehmen schnell Wettbewerbsvorteile erzielen und ihre Transformation voranbringen wollen.

Insbesondere Datenarchitekten und Entwickler stehen dabei hoch im Kurs. Sie kümmern sich darum, dass Datenmodelle zum Standard werden und Automatisierung sowie Skalierung stattfinden können. "In unserer IT-Organisation setzen wir externe Datenarchitekten ein, die uns beispielsweise über neue Analyse-Plattformen informieren oder uns zeigen, wie ein Good-Practise-Datenmodell aussieht," weiß Marco Geuer, Head of Data & Analytics bei Fiege Logistik. "Wenn wir fachlich solche modernen Themen intern nicht adressieren können, sind wir auf externe Topspezialisten angewiesen, die uns ihr Wissen für Strategien zur Datenarchitektur oder künstlicher Intelligenz möglichst schnell zur Verfügung stellen. Je nach Art des Projektes kann dabei die Gewichtung zwischen internen und externen ganz unterschiedlich ausfallen."

Spezialisierte Externe für Legacy-Systeme

Der Mixed-Teams-Ansatz ist für Geuer mittlerweile allerdings der einzig praktikable Weg, um überhaupt noch auf die prekäre Gemengelage zwischen Abgängen, zu langen Rekrutierungszyklen und klaffenden Qualifikationslücken reagieren zu können. Auch Erik Schönemann, Einkäufer bei IT4ipm, einem IT-Dienstleister der Gema, kennt das Problem, wenn plötzlich spezielles IT-Know-how fehlt und Legacy-Systeme weiterlaufen müssen. Zur Modernisierung gehöre bei IT4ipm auch, sich mit Altsystemen auszukennen, wie zum Beispiel Cobol.

Intern, so Schönemann, seien diejenigen, die diese Programmiersprache beherrschen, aber längst in Rente. Deshalb greife das Unternehmen zu diesem Zweck auf spezialisierte Externe zurück. "Im Zuge der Digitalisierung führen wir mehrere neue Technologien parallel ein. Aus diesem Grund müssen wir für viele unterschiedliche Projekte gleichzeitig extern besetzen. Vom Test-Manager bis zum Projektleiter ist da alles dabei." Entsprechend groß fällt seine Mixed-Workforce aus. In den laufenden Projekten sind mittlerweile 140 eigene, aber auch annähernd so viele IT-Freiberufler im Einsatz.

Interne Besetzungszyklen dauern zu lang

Auch Hendrik Stefenhag, Head of Data Management bei ISTA, einem Unternehmen für datenbasiertes Gebäudemanagement, setzt auf Mixed Workforce, um die Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig auszugleichen. "Wir kommen gar nicht so schnell an Festangestellte, wie wir neue Projekte starten und durchführen müssen. Der Innovationszyklus im digitalen Energiemanagement hat enorm Fahrt aufgenommen. Da ist es unmöglich, ein halbes Jahr auf die Besetzung interner Entwicklerstellen zu warten. Die Suche nach den richtigen Fachkräften darf nicht unseren Fortschritt bremsen."

Dank seiner zwölfjährigen Erfahrung weiß er, wie neue Technologiestandards das Verhältnis zwischen Internen und Externen beeinflussen: "Generell arbeiten wir mit einer Quote von 60:40. Bei Spezialthemen wie Internet of Things ist die Quote schon einmal umgekehrt. Das liegt daran, dass es so schwer ist, für diesen Bereich geeignete Fachexperten in Festanstellung zu finden."

Insgesamt gehen die IT-Chefs davon aus, dass sich Mixed Workforce aufgrund der drastischen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sowie unternehmensseitig in den kommenden Jahren weiter etablieren wird. Daran dürfte auch der aufgrund der Pandemie gestiegene Anteil remote tätiger Arbeitskräfte nur wenig ändern. "Remote war auch schon vor Corona bei uns normal", erklärt Marco Geuer. Ähnlich sieht das Hendrik Stefenhag: "Wir haben gemerkt, dass die Remote-Arbeit unseren Teams viele Vorteile bringt, zum Beispiel schnell standortunabhängig Absprachen zu treffen. Das wollen wir unbedingt beibehalten." (pg)