Die Begriffe Internet of Things (IoT), Industrie 4.0 und Big Data sind hinlänglich bekannt. Jetzt taucht mit Industrial Analytics ein weiteres Schlagwort auf. Worum geht's?
Pörschmann: Industrial Analytics wird zuweilen als Synonym zu IoT-Analytics genutzt. Gemeint ist die Auswertung der in der Industrie anfallenden Daten - unabhängig davon, ob sie von Maschinen generiert werden oder aus der Interaktion zwischen Mensch und Maschine stammen. Was im Web längst Alltag ist, hält nun Einzug in die Welt der Sensoren, sei es in der Fabrik, im Auto oder der Kaffeemaschine.
Nahezu jeder von uns wirft im Netz einen digitalen Schatten, der von Algorithmen - mal mehr mal weniger intelligent - analysiert und verfolgt wird. Ähnliche Entwicklungen erleben wir nun auch im industriellen Umfeld. Maschinen, mit immer mehr Sensoren bestückt und vernetzt, kommunizieren und interagieren mit Menschen und anderen Maschinen. Schon heute nutzen Sensoren das Twitter-Protokoll, Social-Media-Lösungen werden zur Verteilung von Maschinendaten genutzt und die ersten Facebook-für-Maschinen-Plattformen sind aktiv. Aller Voraussicht nach werden Maschinen mehr Daten generieren als heute die Menschen. Diese zu analysieren und intelligent zu befragen, wird eine - vielleicht sogar entscheidende - Disziplin im Zuge von Industrie 4.0.
Muss die rasante Entwicklung im Bereich Industrial Analytics den CEOs von Industriekonzernen schlaflose Nächte bereiten?
Pörschmann: Der CEO sollte zumindest aufpassen, dass er den Trend nicht verschläft. Die Fähigkeit, Daten der eigenen Produkte und Dienstleistungen weltweit zu sammeln, zu prüfen, zu analysieren und daraus Entscheidungen abzuleiten, ist ein unternehmerischer Reifeprozess. Unsere aktuelle Studie von der Digital Analytics Association zeigt: Gerade einmal einem Drittel der Unternehmen gelingt es heute, relevante Erkenntnisse aus ihren aktuellen Daten zu gewinnen. Fünf Jahre zur Entwicklung einer grundsätzlich neuen, zusätzlichen Kernkompetenz sind schnell vorüber.
Big Data ist ein Organisationsthema
Überall kommt die Forderung auf, der CEO selbst müsse sich um die digitale Transformation kümmern. Gilt das auch für das vermeintliche Fachthema Analytics?
Pörschmann: Laut unserer Studie ist der CEO bereits in 34 Prozent der Unternehmen die treibende Kraft. Datenkompetenz wird zu einem kritischen Erfolgsfaktor der digitalen Transformation. Der CEO muss dafür Sorge tragen, dass die erforderlichen Kompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen für die Datenanalyse im Unternehmen aufgebaut und systematisch verankert werden. Klaus Straub, Group CIO von BMW, sagte einmal: "Big Data ist vor allem eine Frage der Organisationsentwicklung". Dem stimme ich uneingeschränkt zu.
Lassen Sie uns konkret werden. Welche Wettbewerbsvorteile erwarten Unternehmen von Industrial Analytics?
Pörschmann: Da war ich selbst etwas überrascht. Ich hatte erwartet, dass derzeit Kosteneinsparungen im Vordergrund ständen. Viele Industrieunternehmen beabsichtigen aber, durch weitere Optimierungen und Automatisierung Ressourcen für Innovationen freizusetzen. Nicht einmal vier Prozent gaben in der Studie Kosteneinsparungen als größten Mehrwert der Industrial Analytics an. Spitzenreiter sind Umsatzsteigerung und höhere Kundenzufriedenheit. Den dritten Platz belegt der Wunsch nach einer besseren Produktqualität. Allein diese drei Punkte kommen zusammen auf 66 Prozent. Neue Geschäftsmodelle, schnellere Service-Prozesse, vorbeugende Wartung anhand gesammelter Daten - die Industrie hat hohe und aus meiner Sicht auch sinnvolle Erwartungen an Industrial Analytics.
"Unternehmen kommen nur schwer an ihre Daten"
Wo liegen nach Ihrer Erfahrung und aufgrund der Studienergebnisse die Hürden?
Pörschmann: Hier stehen drei Aspekte im Vordergrund. Zum einen sind es die Daten selbst. Zweitens die Kompetenz, diese in Entscheidungen zu überführen, und drittens der eklatante und zunehmende Engpass an Experten.
Was meinen Sie mit "die Daten selbst sind bereits die Hürde"?
Pörschmann: Aktuell kommen die meisten Unternehmen nur schwer an ihre eigenen Daten. Die Herausforderung liegt immer noch darin, die diversen Datenformen aus verschiedenen Quellen und Netzen mit unterschiedlichen Qualitäten zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu einer Basis zusammenzuführen. Der Wunsch ist oft, Maschinen- und Umwelt-Sensordaten, Kunden-Interaktionsdaten und dergleichen so zusammenzuführen, dass idealerweise alle erdenklichen Analysen darauf vorgenommen werden können. Das aber ist weder realisierbar noch wirtschaftlich sinnvoll. Unternehmen müssen sich schon vorher darüber im Klaren sein, wie ihre 'Data Strategy' aussehen soll.