Immer öfter ist von "Compassionate Leadership" die Rede. Herr Bodek, wie definieren Sie diesen Führungsansatz und welche Rolle spielt er in Ihrem Unternehmen?
Mariusz Bodek: Zuerst ist es wichtig festzuhalten, dass Compassionate Leadership eine von sehr vielen Facetten von Führung ist. Es gibt meines Erachtens nicht den einen monolithischen Führungsstil, sondern es ist immer eine Melange aus externen Einflüssen und eigenen Werten.
Häufig lernen Führungskräfte auf ihrem Karriereweg, dass sie eine Entweder-oder-Wahl zwischen einem guten Menschen und einer harten, effektiven Führungskraft treffen müssen. Aber das ist falsch. Menschlich zu sein und zu tun, was getan werden muss, schließt sich nicht gegenseitig aus. Compassionate Leadership gibt den Mitarbeitenden Raum für eigene Verantwortung, nimmt Anteil an ihren Herausforderungen, beteiligt sie an Entscheidungsprozessen und versucht, ihnen die besten Rahmenbedingungen zu bieten. Gleichzeitig gehören Entscheidungsfreude und das Mitnehmen und Durchsetzen dieser Bedingungen natürlich ebenfalls dazu.
Gemeinsam aus Fehlern lernen
Können Sie Beispiele für Mitgefühl in der Führung aus Ihrem Arbeitsalltag nennen?
Bodek: Es gibt hier zwei Ebenen, nämlich das Business sowiedie persönlichen Herausforderungen des Mitarbeitenden. Im Business versuche ich, Erfolg anzuerkennen und das Erreichte wertzuschätzen, vor allem den erfolgreichen Personen auch die Bühne zu geben, ihre Erfolge zu präsentieren.
Bei Misserfolg analysiere ich zuerst mit den Mitarbeitenden und wir versuchen gemeinsam, aus den Fehlern zu lernen. Was nicht bedeutet, dass ich nicht auch unbequeme Entscheidungen treffen muss.
Und wie gehen Sie mit persönlichen Herausforderungen oder Krisen ihrer Mitarbeiter um?
Bodek: Erst einmal zuhören und da sein. Und Verständnis für eine etwaige beeinträchtigte Leistung zeigen und diesen Druck nehmen. Das kann ja "von - bis" gehen, beispielsweisewenn das Kind krank zu Hause ist und der Mitarbeiter Schwierigkeiten hat, Betreuung und Job unter einen Hut zu bringen. Das passiert mir auch mit meiner Tochter. Oder wenn schlimme Krankheiten beim Mitarbeiter selbst oder ihm nahestehenden Personen auftreten.
Es ist wichtig, dann erst einmal da zu sein. Teams sollten sich in diesen Situationen gegenseitig unterstützen, um die geschäftlichen Abläufe aufrechtzuerhalten. Dazu sind Teams da.
Versteht jeder ihrer Mitarbeiter das Konzept und kommt damit zurecht?
Bodek: Gute Frage, ich habe mir nie das Label "Compassionate Leadership" ans Revers geheftet. CEOs sind zwar die organisationale Speerspitze in Unternehmen, aber dadurch auch oftmals isoliert oder isolieren sich bewusst. Ich versuche, einfach ich selbst zu sein, bin nahbar als CEO. Zu Beginn meiner jetzigen Tätigkeit habe ich zum Beispiel alle Mitarbeiter zu Speed Dates eingeladen. Dadurch kenne ich viele und sie kennen mich, suchen fortlaufend den Kontakt. So bin ich meist gut informiert, vor allem, weil meine Führungskräfte die Durchlässigkeit an Informationen an mich ganz oben naturgemäß in eigenem Interesse regulieren (lacht).
Ich erhalte viel Feedback, viele Kolleg:innen freuen sich, dass ich engagiert bin und mich einiger Themen annehme. Ich bekomme aber auch konstruktives bis negatives Feedback, was sehr wertvoll für meine Entwicklung ist.
Wie fördern Sie Mitgefühl und emotionale Intelligenz in Ihrem Führungsteam und unter Ihren Mitarbeitern? Was sind die größten Herausforderungen dabei?
Bodek: Die größte Herausforderung bin ich selbst. Ich bin nicht perfekt in dem, was ich tue. Ich lerne selbst jeden Tag on-the-job hinzu, mache Fehler, reflektiere, bemühe mich, besser zu werden. Das versuche ich vorzuleben, das vermittle ich transparent. Die, die dem aufgeschlossen sind, nehmen es an.
"Ich möchte nicht als bedrohlich wahrgenommen werden"
Welche Vorteile sehen Sie in einem mitfühlenden Führungsstil?
Bodek: In meiner Laufbahn habe ich unterschiedlichste Stile erlebt. Ein Chef, der mich im Beraterhandwerk herausragend positiv geprägt hat, war andererseits eine katastrophale Führungsfigur. Da flogen Aktenordner bei kleinsten Fehlern durch den Konferenzraum, persönliche Belange waren ihm komplett egal. Meiner Meinung nach ist es besser, die gemeinsame Zeit anders zu gestalten. Ich möchte auch nicht als bedrohlich, sondern als nahbar wahrgenommen werden.
Wie können Führungskräfte Mitgefühl in einer geschäftlichen Umgebung ausdrücken, ohne ihre Autorität zu untergraben?
Bodek: Es gibt in jedem System auch Opposition. Manche möchten ihre traditionellen Wertekonstellationen erhalten und versuchen, eine antiautoritäre Führung auszunutzen.
Zu Compassionate Leadership gehört Anpassungsfähigkeit. Ich begegne allen zunächst aufgeschlossen und mit Respekt. Spüre ich aber eine Hidden Agenda, passe ich meinen Führungsstil an. Respekt ist keine Einbahnstraße. Dann können für das Individuum oder die identifizierte Gruppe weniger mitfühlende Führungsmethoden zielführender sein.
Was ist Compassionate Leadership? Compassionate Leadership - zu deutsch mitfühlende Führung - ist ein von Empathie und Mitgefühl geprägter Führungsstil. Im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse und das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Führungskraft versucht stets, diese wahrzunehmen, anzuerkennen und zu fördern. So soll ein positives Umfeld geschaffen werden, in dem Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten und sich bestmöglich weiterentwickeln können. Dadurch soll die Produktivität steigen, das Engagement der Mitarbeiter und letztlich auch die Mitarbeiterbindung erhöht werden. |
Sehen Sie einen Vorteil bei dieser Art von Führung, wenn schwierige Entscheidungen getroffen oder Konflikte gelöst werden müssen?
Bodek: Das kommt auf die Beziehungen zu den in der Situation beteiligten Personen an. Wenn es beispielsweiseeine respektvolle und angenehme Konstellation von Zusammenarbeit gibt, dann ist die Konfliktlösung einfacher.
CEOs neigen oft dazu, daten- und faktenbasierte Entscheidungen zu treffen. Sie sollten jedoch auch die menschliche Komponente berücksichtigen. So können sie holistische und in vielen Fällen bessere Entscheidungen treffen. Zur Wahrheit gehört aber leider auch, dass manche Entscheidungen negative Auswirkungen haben und tiefgreifende Veränderungen für ein Individuum oder ganze Teams bedeuten können.
Haben Sie Best-Practice-Beispiele für Führungskräfte, die ein Arbeitsumfeld schaffen möchten, das Mitgefühl und Wohlbefinden fördert?
Bodek: Mir persönlich ist der Austausch mit den Mitarbeitenden wichtig. Wenn ich in meinem Elfenbeinturm verharre und von der Außenwelt abgeschnitten bin, spüre ich wenige Strömungen und Stimmungen. Deshalb suche ich gezielt den Dialog. Aus dem Dialog ergibt sich so vieles, vor allem eine größere Nähe und Verständnis für die Sorgen, Zwänge und Mitarbeiterwünsche. Daraus ergibt sich dann viel Anknüpfungspotenzial für Compassionate Leadership.
Nahbare Chefs erzeugen eine höhere Arbeitsleistung
Gibt es Führungsstile und damit Führungskräfte, die besonders von "Compassionate Leadership" profitieren?
Bodek: Die Frage sollte eher lauten: Wovon profitieren die Mitarbeitenden? Wenn ich mich für eine Führungskarriere entscheide, geht es doch nicht darum, dass ich mich selbst verwirkliche. Ich muss mich vielmehr an den Bedürfnissen meiner Mitarbeitenden ausrichten und damit auch meinen eigenen Führungsstil hinterfragen. Niemand wünscht sich einen übellaunigen Chef.
Ich bin auch nicht als Führungskraft geboren, sondern war auch mal Angestellter. Meine effektive Arbeitsleistung und der Spaß an der Arbeit waren bei den nahbaren Chefs definitiv höher als bei den schwierigen Typen.
Compassionate Leadership setzt auch Lust zur Empathie und ein wenig emotionale Intelligenz voraus, sonst nähert man sich dem Thema nicht. Ohne diese Eigenschaften, ist diese Leadership-Facette vermutlich weniger attraktiv.
Wie messen Sie den Erfolg eines mitfühlenden Führungsstils?
Bodek: Das ist meines Erachtens schwerzu quantifizieren. Ich setze vor allem auf qualitatives?Feedback. Daraus kann ich einen Trend ableiten und bei aufkommenden Warnsignalen für negative Schwingungen auch tiefere Gespräche suchen. Die grundsätzliche Mitarbeiterzufriedenheit lässt sich auch über eine Mitarbeiterbefragung tracken. Jedoch ist es meiner Meinung nach nicht klar abgrenzbar, welche Auswirkungen ein mitfühlender Führungsstil im Gegensatz zu anderen Führungsstilen auf die Mitarbeiterzufriedenheit hat. (pg)
- Wie Führungskräfte ethische Werte und Leitbilder vermitteln
Autoritärer und rücksichtslos an Profit orientierter Führungsstil stößt bei Arbeitnehmern zunehmend auf Unverständnis. Arbeitgeber und ihre Führungskräfte sind deshalb unter den Gesichtspunkten Mitarbeiterbindung und -motivation gut beraten, ihre Unternehmenskultur schnellstens auf Nachhaltigkeit, Diversität, Gleichberechtigung, Identifikation und technischen Fortschritt auszurichten und ihren Beschäftigten diese Werte glaubhaft durch eine ethische Führung vorzuleben. - Grundwerte definieren
Überlegen Sie, welche Grundwerte und Moralvorstellungen Ihr Unternehmen vertritt. Definieren und entwickeln Sie Grundwerte, die für Ihr Unternehmen zählen. Wie verhalten Sie sich und wie Ihre Mitarbeiter? Entspricht das Verhalten den Grundwerten? - Mitarbeiter befragen
Mitarbeiterbefragungen vermitteln ein aussagekräftiges Meinungsbild der Angestellten. - Mit gutem Beispiel vorangehen
Zeigen Sie ihren Mitarbeitern, dass sie auch im privaten Umfeld ethisch und moralisch handeln und ihre Werte vertreten. Kommunizieren Sie offen, was das für Sie bedeutet. - Vertrauensbasis schaffen
Vertrauen Sie ihren Mitarbeitenden und kommunizieren Sie, dass Sie umgekehrt ebenso Vertrauen erwarten. Geben Sie ihren Mitarbeitern nicht das Gefühl, dass Sie sie kontrollieren, vor allem dann, wenn es in den persönlichen Bereich eingreift. - HR-Technologie optimieren
Durch Plattformen für Employee-Self-Service und Management-Self-Service werden die Aufgaben für HR-Abteilungen vereinfacht. Außerdem werden durch die Nutzung diese HR-Technologien der transparente Umgang und die Kommunikation mit den Mitarbeitern gefördert.