Das Erbe der traditionellen IT sind fragmentierte Strukturen und Anwendungen, die nicht miteinander kommunizieren können. Die reibungslose Funktion der einzelnen Systeme hatte lange Zeit eine weitaus höhere Priorität als eine stimmige Architektur für die gesamte IT-Infrastruktur sowie der Datenaustausch zwischen den Fachbereichen.
Doch die Zeiten ändern sich. Gut funktionierende, aber voneinander isolierte Anwendungsinseln stehen der digitalen Transformation im Weg, denn deren Maxime lautet Vernetzung, Datenkommunikation und intensive Zusammenarbeit.
Dieser Übergang fällt keinem Unternehmen in keiner Branche besonders leicht, der Finanzindustrie fällt allerdings besonders schwer. Verantwortlich dafür ist zum einen die schiere Größe und Schwerfälligkeit der Systeme - häufig ältere Mainframes, bei denen Anpassungen in der Regel mit größerem Aufwand und Kosten verbunden sind. Zum anderen schränken die besonderen regulatorischen Anforderungen im Bankensektor die Spielräume für IT-Leiter stark ein.
Doch es hilft nichts, auch dem Bank- und Finanzwesen wird die digitale Transformation nicht erspart bleiben. Wie diese gelingen könnte, darüber sprach der Bank Blog neulich mit Lars Cornils, Enterprise Account Executive bei ServiceNow.
Was Bank-IT mit Städteplanung gemeinsam hat
Der Bank Blog: Für Außenstehende ist die Banken-IT ein Buch mit sieben Siegeln. Gibt es einen einfachen Zugang dazu?
Lars Cornils: Ich vergleiche die IT-Anwendungen einer Bank gerne mit einzelnen Gebäuden und die gesamte Banken-IT mit der Architektur einer Stadt. Innerhalb dieser Stadt gibt es Stadtteile mit unterschiedlichen Gebäudemustern - das sind die Produktplattformen wie Finanzierung, Konto, Zahlungsverkehr und Kapitalmarkt, die Vertriebsplattform, das Risikomanagement oder das Treasury. Diese Stadtteile sind durch Verkehrsadern (Schnittstellen) verbunden, von denen einige deutlich sichtbar sind (wie Straßen) und andere versteckt (wie eine U-Bahn). Die wichtigsten Anwendungen wie das Kernbankensystem oder das Meldewesen stelle ich mir als Wolkenkratzer vor, die ihren jeweiligen Stadtteil dominieren.
Der Bank Blog: Welche Relevanz hat diese Analogie zwischen IT-Architektur und echter Städtearchitektur denn in der Praxis?
Lars Cornils: Sie hilft, die Abhängigkeiten zwischen einzelnen Anwendungen, aber auch zwischen verschiedenen Produktplattformen zu visualisieren. Eine ganzheitliche Unternehmens-IT-Architektur, die all diese Abhängigkeiten aufzeigt, ist heute wohl für alle Banken eine Priorität.
Einen ganzheitlicher Ansatz ist gefragt
Der Bank Blog: Das war nicht immer so?
Lars Cornils: Keineswegs. Banken haben lange Zeit vor allem Gebäudearchitektur betrieben, sprich: nur die Lösungsarchitektur einzelner Anwendungen betrachtet. Die jeweiligen Produkteigentümer waren bestrebt, die Arbeit in ihrer Domäne, d.h. in ihrem Stadtteil, zu verbessern. Dies führte zu ,Bausünden', die die weitere Stadtentwicklung erschwerten. Abweichungen vom Standard, die stark steigende Anzahl der benötigten Schnittstellen sowie die daraus entstehenden mittel- und langfristigen Kosten wurden von den bankinternen Akteuren vor der Finanzkrise kaum betrachtet.
Der Bank Blog: Demgegenüber steht das Modell einer ganzheitlichen Steuerung der IT-Anwendungslandschaft …
Lars Cornils:… bildlich gesprochen, ein ganzheitlicher städtebaulicher Ansatz, bei dem jedes Bauprojekt nicht nur im Hinblick auf die Unterstützung der im Stadtteil erforderlichen Aktivitäten betrachtet wird, sondern auch im Hinblick auf die Komplexität des vorgeschlagenen Bauprojekts, seine wirtschaftliche Tragfähigkeit, seine Nachhaltigkeit und seine Übereinstimmung mit der gewünschten Referenzarchitektur.
All diese Faktoren lassen sich übrigens auch städtebaulich abbilden: Die Kostenrelevanz einer Anwendung zeigt sich z.B. in der Höhe des Gebäudes, die Komplexität in der Anzahl der Anbauten Technologiekomponenten und die Zukunftsfähigkeit in den verwendeten Materialien.
Die Rolle des IT-Führungsgremiums
Der Bank Blog: Wie findet denn so eine ,Stadtplanung' im Rahmen der Banken-IT heute statt?
Lars Cornils: Die IT arbeitet mit einem Blueprint, der das Territorium mit seinen einzelnen Stadtteilen beschreibt: Finanzierung, Konto, Zahlungsverkehr, Kapitalmarkt, Risiko usw. Für jeden Stadtteil gibt es einen Bebauungsplan, der alle existierenden und benötigten Systeme aufführt (im Ist- und im Soll-Zustand), sowie die Kriterien, die für diese gelten.
Das IT-Führungsgremium - so etwas wie das Katasteramt - muss jede bauliche Veränderung genehmigen. Sie ist jedoch keineswegs befugt, Architekturentscheide kurzerhand durchzuwinken. Vielmehr stehen hinter dem Führungsgremium eine komplexe Gremienstruktur und eine komplexe Entscheidungsfindung anhand einer Vielzahl von Kriterien. Zu den Gremien gehören unter anderem ein strategisches und ein operatives Architektur-Board, ein Change Advisory Board, ein IT-Sourcing und ein IT-Partnermanagement-Board, um nur einige zu nennen.
Regulatorische Hürden
Der Bank Blog: Was ist an dieser IT-Transformation eigentlich branchenspezifisch?
Lars Cornils: Sehr vieles. Banken müssen höhere Standards erfüllen als andere Dienstleistungsanbieter: Zum Beispiel müssen alle Daten eindeutig sein; sie dürfen nur an einer Stelle gespeichert, bearbeitet oder gelöscht werden. Der Standard BCBS 239 des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht legt dafür sehr strenge Kriterien fest. Schnittstellen müssen so definiert sein, dass Daten zwar transportiert, aber nicht verändert werden können. Im Hinblick auf das Risikomanagement in Banken besteht in der Regel eine sehr hohe Disziplin bei der Datenqualität und dem Prozessmanagement.
Und doch ist die Situation bei jeder Bank anders: Es lohnt sich zu fragen, in welchen Bereichen die jeweilige Bank das größte Potenzial sieht, um Komplexität zu reduzieren, um Kosten zu sparen. Welche Schlüsselanwendungen nähern sich dem Ende ihres Lebenszyklus? Folglich wird die Bank ihre Transformation von diesen Bereichen aus vorantreiben.
Abhilfe in Sicht
Der Bank Blog: Was bedeutet all das für einen Technologieanbieter wie ServiceNow?
Lars Cornils: Zunächst einmal sind wir in der IT sehr relevant, weil wir es dem IT-Managementteam mit Hilfe einer Configuration Management Database (CMDB) ermöglichen, einen Überblick über die gesamte IT-Architektur der Bank zu erhalten und alle Anwendungen über den gesamten digitalen Lebenszyklus hinweg zu verknüpfen. Auf diese Weise kann eine Bank echte ,Stadtplanung' betreiben. Wir können die Sicherheitsanforderungen der Banken hervorragend erfüllen und sie in die Lage versetzen, Risiken datengesteuert zu verwalten. Generell eignet sich die Now Platform als Orchestrator von Punktsystemen, der Systeme miteinander verbindet und schaut, welche Systeme in welcher Qualität Daten liefern oder nicht.
Der Bank Blog: Und wenn wir die Bank als Ganzes betrachten, also mit all ihren Stadtteilen?
Lars Cornils: Unsere Relevanz nimmt in dem Maße zu, in dem wir im Bereich der Produktplattformen tätig sind, d.h. Teil der Entwicklungspläne der einzelnen Stadtteile werden. Zum Beispiel in kundenorientierten Prozessen, indem wir der Bank helfen, ihre Kunden schneller zu bedienen; im Kapitalmarkt, indem wir sie dabei unterstützen, die prozessuale Abwicklung von Schuldscheinen zu beschleunigen oder die Abläufe bei der Kreditvergabe zu optimieren; oder im Risikomanagement, indem wir hier die Automatisierung vorantreiben und damit die Kosten senken.
In all diesen Bereichen haben die Banken noch einen weiten Weg vor sich - und wir können sie dabei begleiten, indem wir ihre wichtigsten Prozesse orchestrieren.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.
Moderne IT-Architekturen und Effizienzsteigerungen sind auch im Finanzwesen möglich. Wie sich beispielsweise Risikoanalysen im Compliance-Bereich automatisieren lassen, erfahren Sie hier.