Management Karriere

Warum der CEO-Job immer härter wird

06.03.2020
Von 
Melanie Kuppelwieser ist Geschäftsführerin der PR Agentur PR Check.
CEOs sind immer kürzer im Amt, die Zahl der Rücktritte steigt. Welchen Belastungen, Ängsten und Zwängen ein CEO im Job ausgesetzt ist, lesen Sie hier.

Um CEOs muss man sich eigentlich keine Sorgen machen. In der Regel werden sie sehr gut bezahlt, erhalten viele Vergünstigungen und verfügen über enorme Macht. Kehrseite der Medaille ist, dass ihre Jobs oft mit riesigen und bisweilen völlig unrealistischen Erwartungen verknüpft sind. So gehört zu den Standardaufgaben eines CEO, dass er die Quartalszahlen erreicht, innovativ und mit Blick auf langfristiges Wachstum denkt, gründlich reflektiert, schnell entscheidet, gute Personalentscheidungen trifft, zügig entlässt, hart aber gleichzeitig auch verletzlich und authentisch ist, rund um die Uhr zur Verfügung steht, gesund bleibt und immer einen kühlen Kopf behält. Und darüber hinaus muss er als Aushängeschild für das Unternehmen fungieren, eine positive Unternehmenskultur pflegen und in der Lage sein, mit einem Umfeld umzugehen, das unter politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten häufig unvorhersehbar ist.

Viele CEOs fürchten, in sozialen Netzwerken zur Zielscheibe von Shitstorms zu werden.
Viele CEOs fürchten, in sozialen Netzwerken zur Zielscheibe von Shitstorms zu werden.
Foto: alphaspirit - shutterstock.com

Die Erwartung an den CEO

Kann man all dies von einer einzigen Person erwarten? Nein, kann man nicht! "Die Vorstände wälzen die Verantwortung auf den CEO ab. Schließlich ist er derjenige, der dem Unternehmen vorsteht. Die quasi nicht zu bewältigenden Anforderungen werden dann in die enormen Gehälter eingepreist, die den CEOs gezahlt werden", erklärt Richard Hytner, der bei der Werbeagentur Saatchi & Saatchi als CEO für Europa, den Nahen Osten und Afrika tätig war, in einem Gespräch mit CNN Business.

Nach einigen Jahren dieser Tätigkeit wurde Hytner klar, nicht weiter als CEO arbeiten zu wollen. Es sei eine gnadenlose Plackerei gewesen, den Aktionären gefallen zu müssen, weil Wachstum um jeden Preis erwartet worden sei. Seine Strategie, so der Ex-CEO, habe er anpassen müssen, weil er Verpflichtungen eingegangen sei. Ebenso seien Personalentscheidungen sehr schwierig gewesen.

Hytner gab deshalb seinen Posten auf und wurde anschließend stellvertretender Vorsitzender bei Saatchi & Saatchi. Später schrieb er das Buch "Consiglieri: Leading from the Shadows", in dem er fordert, dass Vorstände den Personen, die stellvertretende Führungspositionen bekleiden und den CEO beraten und unterstützen, viel mehr Bedeutung beimessen sollten.

CEOs mit eingeschränkter Handlungsfreiheit

Es gibt viele unterschiedliche Gründe, warum CEOs zurücktreten. Manche machen diesen Schritt freiwillig, andere werden "gegangen". Die durchschnittliche Amtszeit der CEOs in großen Unternehmen ist gesunken. 2019 wurde eine Rekordzahl an Rücktritten verzeichnet. Für diese Entwicklung ist zumindest teilweise der enorme Druck verantwortlich, dem ein CEO ausgesetzt ist. Obwohl die Aufgabe eines CEO darin besteht, das betreffende Unternehmen zu leiten, unterliegt seine Macht häufig zahlreichen Beschränkungen.

"Man glaubt, mehr Freiheit zu bekommen, wenn man die Karriereleiter hinaufklettert. Stattdessen nimmt das Gefühl zu, weniger frei als zuvor zu sein, weil gegenüber vielen verschiedenen Interessengruppen Rechenschaft abzulegen ist. Als CEO muss man die Firmenpolitik und geopolitische Bedenken berücksichtigen - die Medien nicht zu vergessen. All diese Aspekte beherrschen die Agenda eines CEO und nähren das Gefühl, das alles unter Kontrolle haben zu müssen", beschreibt Executive Coach Karsten Drath, geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsgesellschaft Leadership Choices, die Zwickmühle, in der sich viele CEOs wiederfinden.

Der CEO als Marionette

Mit diesen Anforderungen geht, wie Drath aus Erfahrung weiß, ein enormer zeitlicher Druck einher. Dieser führe oft dazu, dass sich CEOs wie Marionetten fühlen - ohne die nötige Zeit, um in Ruhe nachdenken oder sich erden zu können. Laut dem Psychotherapeuten und Executive Coach Steve Berglas haben viele CEOs zudem Angst, "von den sozialen Medien massakriert zu werden". Ganz oft höre er von CEOs Aussagen wie diese: "Selbst wenn ich gute Zahlen vorlege, kann mich das in Teufels Küche bringen, wenn auf Twitter ein Shitstorm losgetreten wird."

Das ist der persönliche Preis, den ein CEO zahlt. Dabei liegt es im ureigensten Interesse eines jeden Unternehmens, dass sein CEO glücklich und gesund ist. Es ist jedoch schwierig, sich um sich selbst zu kümmern und Zeit mit seiner Familie zu verbringen, wenn man ständig Geschäfte verhandeln und abschließen, eine Unternehmenskrise managen, mehrtägige Geschäftsreisen unternehmen oder Vorstandssitzungen vorbereiten muss.

Karriere als CEO: "Der Preis ist hoch"

Einer der Gründe, weshalb Jim Hagenmann Snabe 2013 beschloss, seinen Posten als Co-CEO des deutschen Softwareunternehmens SAP aufzugeben, war, dass er einfach viel zu wenig Zeit daheim verbringen konnte. "In diesem Job bin ich immer in Bewegung. Meine Familie lebt in Kopenhagen. In den letzten drei Jahren habe ich sie kaum gesehen", gestand Hagemann Snabe damals CNBC.

"Viele CEOs treffen ihre Karriereentscheidungen zunächst unter rationalen Aspekten", weiß Executive Coach Drath. "Erst, wenn sie ihren Posten aufgegeben haben, sprechen sie darüber, was ihnen gefehlt hat. Deshalb sollte man in der Lage sein, die Macht und die Gestaltungsmöglichkeiten, über die man verfügt, zu genießen. Denn der Preis, den man dafür zahlt, ist hoch." (pg)