Manfred Broy ist überrascht. Der Münchner Informatikprofessor hatte angenommen, dass das Bild vom Programmierer, der einsam vor seinem PC sitzt, schon lange aus den Köpfen verschwunden ist. Schließlich hat es mit der heutigen vielfältigen Berufswirklichkeit von Informatikern nichts mehr gemein. Doch Vorurteile halten sich hartnäckig, wie eine aktuelle Befragung von über 600 Studenten und Abiturienten durch die Institute für Informatik und für Psychologie zeigte. "Informatik wird immer noch als reines Programmierhandwerk gesehen. Alle meinen, dass man schon programmieren können muss, bevor man das Studium beginnt", fasst Broy die überraschendsten Ergebnisse der Studie zusammen. Zwei Fehleinschätzungen, die dafür verantwortlich sind, dass sich immer noch viel zu wenige Abiturienten für das Fach entscheiden. Trotz guter Berufsperspektiven ist die Zahl der Informatikstudenten in Deutschland seit dem Jahr 2000 von 38.000 auf heute ungefähr 30.000 zurückgegangen.
Was macht eigentlich ein Informatiker? Die Befragten haben hier eher diffuse Vorstellungen. "Wir müssen die unterschiedlichen Berufsbilder vom Datenschutzbeauftragten bis zum CIO klarer aufzeigen", fordert Hochschullehrer Broy. Erste Initiativen sind auf dem Weg: In Berliner Schulen stellen erfolgreiche Informatiker ihre Tätigkeiten vor. Ein Projekt, das wie die Studie von der Ernst-Denert-Stiftung für Software-Engineering angestoßen wurde.
Aber auch die Inhalte des Studiums selbst bedürfen einer Image-Politur. So ergab die Studie, dass hochbegabte oder sehr leistungsfähige Abiturienten sich gegen ein Informatikstudium entscheiden, da es ihnen intellektuell nicht herausfordernd erscheint. Auch wenn die Befragten das Informatikstudium als "schweres Studium mit hohem Mathematikanteil" wahrnehmen, wählen diejenigen, die gut in Mathe sind, nicht Informatik, sondern eher Physik oder Mathe. Broy selbst studierte einst zwar Mathematik, weil Informatik als Hauptfach noch nicht angeboten wurde, hat seinen späteren Wechsel zur Informatik aber nie bereut: "Die Informatik hat die Welt in den vergangenen 30 Jahren wie kein zweites Fach verändert. Für Wissensdurstige ist das Fach ein gefundenes Fressen. Hier gibt es viel mehr offene Fragen als in der Mathematik. Man muss sich nur zweimal umdrehen und stößt auf ein neues spannendes Problem, das es zu lösen gilt."
Mädchen brauchen mehr Mut
Noch mehr Überzeugungsarbeit gilt es bei jungen Frauen zu leisten. Sie wählen das Fach nicht, weil sie weniger Anreize darin sehen und sich ein Studium weniger zutrauen. Auch fehlen oft Rollenvorbilder. Die Studie kommt zum Schluss, dass die Fähigkeit der Schülerinnen, sich selbst einzuschätzen, gestärkt und ihre Fähigkeiten gefördert werden müssen - am besten im Informatikunterricht an der Schule. Denn Abiturienten, so ein weiteres Ergebnis der Befragung, entscheiden sich eher für ein Informatikstudium, wenn sie das Fach in der Schule belegt hatten.