Digitale Transformation

VW richtet Technische Entwicklung neu aus

04.03.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Vom Autobauer zum Tech-Unternehmen mit digitalen Angeboten. Hierzu richtet VW seine Entwicklung neu aus nach dem Motto Software first statt Hardware first.
VW richtet seine Technische Entwicklung in Wolfsburg neu aus. Das Motto dabei: Von Hardware first zu Software first.
VW richtet seine Technische Entwicklung in Wolfsburg neu aus. Das Motto dabei: Von Hardware first zu Software first.
Foto: byAZ3 - shutterstock.com

Auf dem Weg zum Tech-Unternehmen baut VW seine Technische Entwicklung (TE) in Wolfsburg um. Die mit 11.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern größte Entwicklungseinheit des Konzerns soll dabei damit Schrittmacher der Transformation der Marke Volkswagen zum Tech-Unternehmen werde. Der Leitspruch lautet dabei: Von Hardware first zu Software first.

Im Mittelpunkt steht dabei die vollständige Neugestaltung des Entwicklungsprozesses mit einer konsequenten Ausrichtung auf Software und die elektrische Zukunftsplattform SSP (Scalable Systems Platform). Zudem soll die Entwicklung künftig system- und funktions- statt bauteilorientiert erfolgen. So soll die Entwicklungszeit um rund 25 Prozent verkürzt werden. Neue Fahrzeugprojekte sollen dann künftig laut Thomas Ulbrich, VW Vorstand für Technische Entwicklung, in 40 Monaten statt wie bisher in 54 Monaten entstehen. Ferner will man das Tempo für die Bereitstellung neuer Software erhöhen und auch die Fertigungsprozesse in der Produktion deutlich beschleunigen.

800 Millionen für Entwicklungszentrum

Um dies zu erreichen, will VW in den nächsten fünf Jahren 800 Millionen Euro in den Campus Sandkamp investieren. Mit dem neuen Entwicklungszentrum will der Konzern neue Standards in der Fahrzeugentwicklung setzen. Mit seinen mehr als 4.000 Arbeitsplätzen im Projekthaus und Integrationszentrum soll der Campus Sandkamp zugleich zum Leuchtturmprojekt für die Zukunft des Arbeitens bei Volkswagen werden. Das Projekthaus vereint unter einem Dach das Design, die Konzeptentwicklung, die User Experience, die Produktstrategie, die Baureihen, die technischen Projektleitungen, sowie Projektmitarbeiter aus Einkauf, Finanz, Produktionsplanung, Qualitätssicherung und Vertrieb.

Die wachsende Bedeutung der Software im Auto.
Die wachsende Bedeutung der Software im Auto.
Foto: Volkswagen AG

Mit neuen agilen Entwicklungsmethoden und einem modernen Arbeitsumfeld hat die TE gleichzeitig eine Vorreiterrolle für die Gesamt-Transformation von Volkswagen. Um die Mitarbeiter für das digitale Zeitalter fit zu machen, startet der Konzern zudem eine Qualifizierungsoffensive. So werden, wie es heißt, bis 2030 rund 4.000 Mitarbeiter für signifikant neue Job-Profile qualifiziert (Re-Skilling), weitere rund 6.000 bis 8.000 Mitarbeiter erhalten umfangreiche Qualifizierungen (Up-Skilling). Die Bandbreite der Qualifizierungs-Angebote reicht von kürzeren Lerneinheiten, um gezielt Kompetenzen zu erweitern, bis zu großangelegten Umschulungen. Die derzeit längsten Qualifizierungsprogramme dauern bis zu 180 Tage und eröffnen den Beschäftigten neue Tätigkeitsfelder wie zum Beispiel bei der Entwicklung vom Facharbeiter Metall zum Inbetriebnehmer Fahrzeugtechnik.

Digital-Lifecycle-Management fürs Auto

Hintergrund der Neuausrichtung der Technischen Entwicklung ist die erforderliche Änderung der Entwicklungsprozesse vor dem Hintergrund der zunehmenden Vernetzung der Fahrzeuge sowie die angestrebte nahtlose Einbindung ins digitale Ökosystem. Der neue Entwicklungsprozess wird dabei künftig auf Funktionen und Systeme ausgerichtet, statt auf Bauteile - das sogenannte Systems Engineering, das in der Industrie insbesondere bei komplexen Entwicklungsprojekten wie im Flugzeugbau angewendet wird.

In den 1990er Jahren wurden Fahrzeuge laut VW in erster Linie bauteilorientiert entwickelt. Mit dem Anstieg an Funktionen und Elektronik Anfang der 2000er Jahre spielte die Vernetzung eine immer größere Rolle. Für die Gegenwart und Zukunft müsse ein Fahrzeug als ein System im gesamten Ökosystem des Kunden betrachtet werden und nahtlos mit sämtlichen Systemen außerhalb des Fahrzeugs kommunizieren. Mit Hilfe eines Digital-Lifecycle-Management (DLCM) sollen die Fahrzeuge künftig auch nach ihrer Auslieferung aktuell gehalten werden. Kunden würden so ein Auto erhalten, das immer auf der Höhe der Zeit ist. Erreichen will VW dies mit Technologien wie Over-the-Air-Updates (OTA) und Functions on Demand (FoD).