Digitalisierung, Industrie 4.0, IoT, App Stores, digitale Sendungsverfolgung etc. - in der digitalen Welt von heute haben sich Kommunikations- und Kundenverhalten komplett verändert. Und das ist in fast allen Branchen so - lediglich am Schienengüterverkehr scheint die digitale Revolution vorbeizugehen. Dies will einer der Finalisten des diesjährigen DIGITAL LEADER AWARD jetzt ändern: Die VTG AG mit Hauptsitz in Hamburg. Dabei beabsichtigt die Unternehmensgruppe nicht nur, die internen Prozesse noch stärker zu digitalisieren, sondern auch ihr Leistungsportfolio digital verfügbar zu machen. Aufdiese Weise sollen Kundinnen und Kunden neue Angebote und Services angeboten werden.
Die VTG AG, die auf die 1951 gegründete Vereinigte Tanklager und Transportmittel GmbH zurückgeht, ist heute ein international agierendes Waggonvermiet- und Schienenlogistikunternehmen mit über 2.100 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von rund 1,2 Milliarden Euro. Mit mehr als 94.000 Eisenbahngüterwagen betreibt die Gruppe eine der größten privaten Waggonflotten in Europa. Neben der Vermietung von Güterwagen und Tankcontainern bietet VTG multimodale Logistikdienstleistungen und integrierte Digitallösungen an.
Die Schiene wird digital
Zwar begann das Unternehmen bereits 2016 damit, den Schienengüterverkehr mit dem Telematiksystem VTG Connect zu digitalisieren, doch die eigentliche Transformation erfolgt erst jetzt mit dem Projekt "traigo". Als Plattform konzipiert, will VTG auf traigo sein digitales Angebot bündeln. Für die Kundinnen und Kunden soll die Plattform als zentrale Schnittstelle für ein digitales Flottenmanagement dienen. Doch die Plattform soll nicht nur für ein neues Produkt oder einen neuen Service stehen, sondern auch für einen neuen Kollaborationsansatz - mit Kunden, aber auch innerhalb der gesamten Branche.
Einstieg in die Plattformökonomie
Dementsprechend lässt sich der Plattformname traigo unterschiedlich interpretieren. Naheliegend ist beispielsweise die Assoziationmit 'train' und 'go'. Allerdings ist traigo auch ein spanisches Wort und hat dort die Bedeutung 'Ich bringe mit'. "Und genau diesen Gedanken wollen wir leben",erklärt Niko Davids, Chief Digital Officer der VTG AG. "Unsere Plattform und die Erfahrungen, die wir gemacht haben, stehen allen offen, die ihren Beitrag zu einem digitalen, zukunftsfähigen Schienengüterverkehr leisten wollen - die also auch etwas mitbringen. In dieser Vernetzung der Akteure liegt allerdings nicht nur das größte Potenzial, sondern auch die größte, nicht umgehend realisierbare Herausforderung: andere Akteure entlang der Schiene vom Aufbruch in die digitale Zeit zu überzeugen."
Die interne Transformation
Die Idee für traigo entstand 2018. Mit der konkreten Umsetzung begann VTG dann 2019, sodass 2020 der offizielle Launch der Plattform erfolgen konnte. Dabei unterstützte der Vorstand die Idee von Beginn an und ließ dem Team viele Freiheiten bei der Entwicklung und Ausgestaltung der Plattform - in finanzieller und organisatorischer Hinsicht. Eine Unterstützung, die das Team gut brauchen konnte, denn intern gab es viele Diskussionen. Schließlich sollte sich das Unternehmen mit der Einführung der digitalen Plattform vom traditionellen Waggonvermieter zum kundenzentrierten Logistikanbieter wandeln. Damit war klar, dass bestehende funktionierende Prozesse verändert werden müssen und eine andere Art des Vertriebs erforderlich ist, da digitale Produkte und Services als Minimum Viable Product (MVP) anders zu vermarkten sind.
Beim Aufbau der Plattform entschied sich VTG für eine zweigleisige Herangehensweise. Einerseits sollte traigo mit eigenen Mitarbeitern aufgebaut werden, um ihnen die Chance zu geben, ihre Kompetenzen zu erweitern. Anderseits sollte zusätzliches, neues Know-how ins Unternehmen geholt werden. Hierzu wurde ein Experten-Pool aus Entwicklern, Datenanalysten und UX/UI-Designern aufgebaut. "Auf diese Weise entstand ein interdisziplinäres Team, das sich gegenseitig ergänzt und voneinander lernt", so CDO Davids.
Von analogen zu digitalen Angeboten
Letztlich bildet die Plattform traigo ein digitales Gegenstück zum bisherigen analogen Leistungsangebot, dessen Services sukzessive ausgebaut werden. Stand Juni 2021 können die Kunden über die Plattform bereits auf folgende Services zugreifen: Waggonvermietung, Standzeiten, Zustandsüberwachung, Laufleistungsprognose, Vertragsmanagement, Flottenmanagement, Wagenkarte, Ankunftszeitprognose.
Mit Digitalisierung zur besseren Auslastung
Unter dem Strich scheinen sich die Mühen für VTG auszuzahlen: Die Nutzerzahlen auf traigo steigen stetig. Und eine Kundenbefragung zeigte, dass die nun engere Zusammenarbeit mit VTG geschätzt wird. Schließlich kann die Kundschaft erstmals selbst flexibel Buchungen vornehmen, Daten zu Laufleistung und Zustand der Waggons einsehen und darauf basierend effiziente und vorausschauende Entscheidungen für das eigene Geschäft treffen. VTG selbst profitiert dabei von einer besseren Auslastung der Wagen. Dank der neuen Plattform kann zudem der Vertrieb zielgerichteter eingesetzt werden, um verstärkt mit den Kundinnen und Kunden zusammenzuarbeiten und sich mit ihren Bedürfnissen auseinanderzusetzen. So entstand eine neue Art des Customer Relationship Managements bei VTG.