Corona hat das Miteinander in den Firmen verändert. Galt das zeitlich und räumlich unabhängige Arbeiten vor nicht allzu langer Zeit noch als undenkbar, hat ein Großteil der Unternehmen aktuell bereits feste Home-Office-Regelungen etabliert. Sie sollen verbindlich festlegen, wieviel Tage Mitarbeitende im Büro anwesend sein sollen und wieviel Tage sie ihre Arbeit vom heimischen Schreibtisch aus erledigen können. Vorgesetzte gehen ganz unterschiedlich mit diesem Wechselspiel um. Das hat Auswirkungen auf ihren Führungsstil.
Hybrid Work als Eyeopener
Dazu hat die Personalberatung Hays in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Rheingold 750 Entscheider*innen aus unterschiedlichen Branchen nach deren Praktiken zu Zeiten des hybriden Arbeitens befragt. Die Themen: Inwieweit erschwert die Remote-Arbeit die Führung der Mitarbeiter? Wo werden Schwerpunkte gesetzt, wenn der informelle Plausch in der Kaffeeküche wegfällt? Wie sieht es mit der Mitarbeiterbindung auf Distanz aus?
Für ganze 85 Prozent der befragten Führungskräfte ist der persönliche Kontakt im Home-Office-Modus immanent wichtig, 83 Prozent wollen noch mehr Augenmerk auf guten Teamspirit legen und 69 Prozent haben erkannt, dass ihre Anweisungen in der Vergangenheit nicht immer klar und eindeutig waren, weshalb sie diesen Punkt nun verstärkt beherzigen wollen. Interessanterweise stellten 76 Prozent der Befragten erst durch das hybride Arbeiten fest, wie eigenständig doch die Mitarbeiter an Zielen und Ergebnissen arbeiten - ganz ohne ständige Nachfragen und Kontrollen "von oben".
"Insgesamt realisieren die Befragten, dass das Führen von Mitarbeitern im Home-Office eine verlässliche Substanz braucht, an der sie sich orientieren können. Dazu gehört es beispielsweise, ständig Kontakt zu halten, Mitarbeiter zu motivieren oder auch neue Kandidaten zu integrieren. Letzteres stellt eine besonders große Herausforderung für alle dar," so Oliver Kowalski, Managing Director bei Hays. Aber trotz aller Bekundungen der Führungskräfte, sich künftig weniger an tradierten Prinzipien orientieren zu wollen, scheint die gelebte Praxis eher ernüchternd.
New-Work-Führungsstile
Die Studienverfasser haben untersucht, welche Überschneidungen es zwischen den Antworten auf einzelne Fragen gab. Dabei stachen drei Führungstypen besonders hervor:
Mit 52 Prozent führt der Führungstyp "Performance Management" das Feld der Befragten an. Diese Vorgesetzten fokussieren sich auf eine enge Begrenzung bei erhöhter Motivation und Kontrolle der Mitarbeitenden. Sie scheinen deren Leistungsbereitschaft noch nicht vollends zu vertrauen, verlangen aber dennoch viel Flexibilität von ihnen, beispielsweise bei der gegenseitigen Vertretung.
Die zweite, mit 30 Prozent deutlich kleinere Gruppe setzt auf "Employee Empowerment". Diesem Typus geht es offensichtlich um ein verträgliches Zusammenspiel aus Nachhaltigkeit, Effizienz und Kreativität. Sie verstehen die Digitalisierung als Chance, die Arbeitszeit der Beschäftigten mit Unterstützung von digitalen Tools so effizient wie möglich zu nutzen, um ihnen andererseits kreative Freiräume zu verschaffen.
Ein dritter Führungstyp (18 Prozent) möchte am liebsten so wenig wie möglich an seinem bisherigen Stil ändern. Er kann der Pandemie als prägendes Moment für Change nichts abgewinnen und setzt daher eher auf altgediente Arbeitsweisen. Dieser Typus lehnt Home-Office-Konzepte insgesamt ab und gewährt seinen Mitarbeitern wenig Freiräume für mehr Eigenverantwortung.
Wie erfahrene Führungskräfte die Studienergebnisse einschätzen, erfahren Sie in unserer BIldergalerie:
- Dr. Michael Müller-Wünsch, Bereichsvorstand Technology, Otto Group
"Mich stört an diesen Führungsbildern, dass sie häufig den Eindruck vermitteln: alle Mitarbeiter*innen denken gleich und haben den gleichen Anspruch. Das stimmt nicht. In der Praxis ist es viel differenzierter. Manche brauchen eben eine engere Führung, andere wünschen sich mehr Freiheitsgrade. Es gibt nicht die gute oder die schlechte Führung. Das hängt häufig mit den unterschiedlichen Grundprofilen und -haltungen zusammen. Wir haben bei Otto intern viel über individuelle Neigungen und Profilstrukturen gesprochen, und welchen Respekt man diesen Mitarbeitenden entgegenbringen sollte. Generell sollten Arbeitskulturen heute so ausgestaltet werden, dass Mitarbeitende gern für ihren Arbeitgeber tätig sind. Und das über die gesamte Employee Journey hinweg." - Maria Zesch, Chief Executive Officer, Takkt Group
"Bei der Balance zwischen Präsenz und Home-Office sollte das ergebnisfokussierte Arbeiten klar im Vordergrund stehen. Denn die große Frage ist doch, wie binde ich Mitarbeiter an das Unternehmen, ohne sie wieder in die Präsenz zwingen zu müssen? Dafür sollten Führungskräfte auf Empowerment setzen. Dabei geht es in erster Linie darum, die Verbundenheit zum Unternehmen zu stärken. Das ist vor allem Beziehungsarbeit, die Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern leisten müssen. Es geht hier natürlich auch um den Purpose, also täglich die Begründung dafür zu liefern, warum und wofür jemand seinen Job überhaupt macht. Vor allem die junge Generation fordert das ja bereits massiv ein." - Dr. Elke Frank, Personalvorständin, Software AG
"Wenn man sich nicht täglich im Büro sieht, braucht der Vorgesetzte erst recht Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter. Das heißt vor allem, er muss seine liebgewonnenen Gewohnheiten 'loslassen', zum Beispiel das letzte Wort haben zu wollen, und immer die richtige Entscheidung parat zu haben. Es geht vielmehr darum, gemeinsam über die wichtigen Themen zu diskutieren und Entscheidungen auch mal zu revidieren. Wenn Sie wüssten, wie oft ich das in den vergangenen zwei Jahren bereits gemacht habe. Dieser eher kollaborative Führungsstil fällt vielen Entscheidern allerdings noch sehr schwer, denn es bedeutet nicht zuletzt auch Verzicht auf Macht."