Gründergeschichten

Von Kabul ins Web 2.0

29.04.2012
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Wahid Rahim kam als Flüchtlingskind aus dem afghanischen Bürgerkrieg. Vor einem Jahr hat er sich nun als IT-Experte in Essen mit einer Crowdsourcing-Plattform selbständig gemacht.
Wahid Rahim hat mit RankSider.de eine Crowdsourcing-Plattform für Social Media Marketing und SEO gegründet.
Wahid Rahim hat mit RankSider.de eine Crowdsourcing-Plattform für Social Media Marketing und SEO gegründet.
Foto: Privat

Wahid Rahim ist 16 Jahre alt, als er vor dem afghanischen Bürgerkrieg aus Kabul flieht und nach Deutschland kommt. In Hamburg lernt er binnen 18 Monaten Deutsch und absolviert 1999, fünf Jahre nach seiner Flucht, das Abitur mit einer Note von 2,0. Anschließend studiert Rahim Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaft und arbeitet schon während des Studiums als Softwareentwickler. Danach Stationen als selbständiger IT-Berater und angestellter Entwickler unter anderem für die Freenet AG. Rahims Geschichte scheint aus dem Lehrbuch für gelungene Integration entnommen zu sein, so reibungslos lief sie ab. Beim Start in die Selbständigkeit hatte der junge Afghane jedoch einige Stolpersteine zu überwinden. Seine erste Idee war ein Marktplatz für den Kauf und Verkauf von Web-Domains. Um den bürokratischen und finanziellen Aufwand möglichst gering zu halten, gründete Rahim zunächst eine britische Limited. Da sich eine von Rahim beauftragte deutsche Agentur einen gravierenden Fehler leistete, platzte das Projekt drei Tage vor dem seit Monaten geplanten Launch der Website Mabya.de. Die britischen Finanzbehörden schlossen die Limited, der gesamte Launch verzögerte sich um mehrere Monate, die Kosten des eigenfinanzierten Projekts stiegen.

Erst eine Umfirmierung beim Finanzamt in Essen in die 28h Lab UG sorgte schließlich für den ersehnten Startschuss von Mabya.de. Doch die nächsten Probleme ließen nicht lange auf sich warten: Beim Versuch, die Bekanntheit seiner Website mithilfe von Bloggern zu steigern, stieß Rahim auf wenig Resonanz, denn die Blogbetreiber verlangten zum Teil überzogene Summen für einen Eintrag. Diese nervenaufreibende und nicht zuletzt kostspielige Erfahrung brachte Rahim auf die Idee, Blogger und andere Meinungsmacher mit Werbetreibenden in einem kommerziellen Rahmen zusammenzubringen - die Idee zu seiner Plattform RankSider.de war geboren.

Die auf dem Prinzip des Crowdsourcings basierende Plattform RankSider ging im August 2011 online. Ziel ist es, Unternehmen dabei zu helfen, ihre Produkte und Marken online ins Gespräch zu bringen und gleichzeitig das Ranking hierfür in den Suchmaschinen zu verbessern. Das Prinzip des Self-Service-Marktplatzes ist einfach: Werbetreibende Unternehmen (Advertiser) registrieren sich zu diesem Zweck kostenlos auf der Plattform und starten eine entsprechende Kampagne. Die "Meinungsmacher" - in erster Linie Blog-Inhaber und Betreiber anderer thematisch spezialisierter Webseiten - werden durch RankSider über die Kampagne informiert und können hierfür ein Gebot abgeben. Advertiser wählen das passende Gebot und vergeben den Auftrag. Das Startup konnte bereits mehr als 200 Kunden von sich überzeugen, Tendenz steigend.

Wachstum - vorerst ohne Investoren und Business Angels

Noch schreibt die Crowdsourcing-Plattform keine schwarzen Zahlen, ist aber laut Rahim, der das Projekt aus eigenen Mitteln finanziert, "cash flow-positiv".

Wer sein eigener Chef werden will, sollte die finanzielle Seite gut durchdacht haben.
Wer sein eigener Chef werden will, sollte die finanzielle Seite gut durchdacht haben.
Foto: Thomas Reimer - Fotolia.com

RankSider finanziert sich derzeit durch eine Provisionsvergütung von 30 Prozent des Auftragswerts einer jeweiligen Kampagne, welche durch die Kunden vorfinanziert wird. Hierdurch verschaffe man sich laut Rahim stets einen finanziellen Puffer. Eine größere Finanzierungsrunde durch Investoren oder Business Angels steht im Augenblick nicht auf der Agenda, grundsätzlich abgeneigt ist man jedoch nicht. Für das laufende Jahr rechnet der Gründer mit einer Verzehnfachung des Umsatzes, 2013 soll RankSider schwarze Zahlen vorweisen können.