Die Bundesagentur für Arbeit mit ihren etwa 113.000 Beschäftigten bezeichnet sich als eine der größten Dienstleisterinnen des Bundes mit dem Auftrag, "Menschen und Arbeit zusammenzubringen, die Transformation der Arbeitsmärkte zu begleiten und einen stabilen Beitrag zur Wahrung des sozialen Friedens zu leisten", wie es Markus Schmitz so schön formuliert. Man wolle, so der einstige CIO weiter, "eine der modernsten öffentlichen Dienstleisterinnen Europas werden".
Dabei sind für ihn fünf Felder elementar, wenn es darum geht, die Aufgaben und Ziele der Bundesagentur zu beschreiben:
Kundenorientierung UND Mitarbeiterorientierung
Digitalisierung
Automatisierung und Künstliche Intelligenz
Nachhaltigkeit und
die lernende Organisation.
Textbot musste rechtskonforme Sprache lernen
Das ehrgeizige Ziel des BA-Portals ist, dass es dem Bürger digital über einen Textbot in jeder Lebenslage weiterhilft. Zunächst war dessen Sprache sehr verständlich gestaltet, "was uns einen Rüffel aus dem Ministerium einbrachte", bedauert Schmitz. Und weiter: "Wir haben unseren Bot schnell in die Werkstatt geholt und ihm rechtskonforme Sprache beigebracht."
Zusätzlich hat die BA neue Plattformen eingerichtet wie den Job-Futuromat, der Automatisierungspotenziale von Berufsfeldern berechnet, oder das Tool "New Plan", das Jobinteressenten aufgrund der Veränderungen im Arbeitsmarkt über Alternativen informiert. Aktuell baut die Nürnberger Behörde eine nationale Online-Weiterbildungsplattform, die alle Angebote der Länder und des Bundes zur beruflichen Weiterbildung sowie Berufsinformationen, Weiterbildungs-, Förder- und Beratungsangebote sowie Self-Assessments zusammenfasst.
Trotz Kritik wurde eine ganze Menge erreicht
Bei aller öffentlichen Kritik, dass die Behörden eher schleppend in Sachen Digitalisierung agieren, weist Schmitz auf einige wichtige Projekte und Erfolge hin, von denen beide Seiten - Staat und Bürger - profitieren. So habe man im Ökosystem von BA, Rentenanstalt und Krankenkassen diverse Services entwickelt, um Bescheinigungen digital auszutauschen.
Daneben wurde der komplette Rechtsverkehr digitalisiert. Die Terminvereinbarung ist jetzt online möglich. Die Videoberatung kam schon über 600.000 mal zum Einsatz. Und 240.000 Kundenfeedbacks geben eine Weiterempfehlungs-Quote von 97 Prozent. Das heißt: von der Information über die Antragstellung, den Online-Termin und die Videoberatung bis hin zur Job- und Weiterbildungssuche ist jetzt alles digital möglich, nach dem Motto: "Die Daten sollen wandern, nicht die Bürger". Das Ganze gebe es jetzt auch als "BA to go". "Über eine Million Downloads, 220.000 Besucher pro Monat und eine 4,2-Sternebewertung freuen uns", so Schmitz.
Intensive Mitarbeiterschulungen
Wichtig sei ihm nun, die digitalen Angebote in die eigene Mitarbeiterschaft zu tragen. Mit "Online zuerst" habe man eine Fast Lane für den digitalen Kanal gebaut, um erstmals aus der IT heraus alle Mitarbeitenden zur Nutzung und Förderung der Services zu befähigen. Die BA entwickelte Klick-Dummys und Screenbooks, zudem habe man bundesweit sogenannte Digi-Botschafter etabliert, die die IT fit macht.
Anfang 2023 fand eine Digi-Week statt, in der die BA über 7.000 Teilnehmende eine Woche lang schulte. Einige Agenturen hätten sogar Public Viewings organisiert, damit möglichst viele Mitarbeitende motiviert werden konnten. Schmitz Ziel und das seiner Chefin Andrea Nahles lautet: "Jeder Kunde kennt seine Zugangsdaten und hat die Kunden-App heruntergeladen - und nutzt die E-Services". Neu sei dabei, dass seine IT diese Aufgabe mit einem eigenen digitalen Change-Management-Team übernommen habe und dies gemeinsam mit den Fachabteilungen umsetze.
Politik bremst Bundesagentur-CIO aus
Schmitz hätte kein Problem, das Digitalisierungstempo zu erhöhen, allerdings stünde zum Beispiel bei der Automatisierung das Kassenrecht des Bundes im Weg, das nur das menschliche Vier-Augen-Prinzip kennt. So ließen sich etwa 70 Prozent der Reisekostenabrechnungen automatisiert verarbeiten. Allein: Die BA muss dafür aufwändige Ausnahmegenehmigungen beim Finanzministerium stellen, die langer Entscheidungsprozesse bedürfen.
Und dann das Zukunftsthema "Künstliche Intelligenz": KI sei in der Lage, sowohl Automatisierung zu befördern als auch neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Bislang nicht automatisierbare Prozessschritte wie die Weiterbewilligung von Kindergeld oder die automatisierte Datenübernahme aus Stellenangeboten mittels Machine Learning werden durch KI möglich. Oder bislang manuell nicht mögliche Arbeitsweisen wie zum Beispiel IT-Sicherheits-Lösungen oder eine Dokumentationserleichterung mittels Spracherkennung.
KI ermöglicht in der BA auch neue Geschäftsmodelle
Bislang nicht denkbare Szenarien wie etwa neuartige Matching-Ansätze, das Scouting von Skill-Trends am Arbeitsmarkt oder individuelle Prognosen und Empfehlungen für Jobsuchende beziehungsweise Weiterbildungsinteressierte könnten durch KI Realität werden.
Viele der genannten Lösungen arbeiten bereits in den Agenturen und in den Familienkassen, nicht aber in den Jobcentern, bedauert Schmitz. Dies liege an der "überbordend komplexen Governance und Finanzierung der Jobcenter". Noch gravierender seien die Risiken, die aus der derzeit noch faktischen Unmöglichkeit resultierten, Cloud-Produkte im öffentlichen Sektor einzusetzen. Hier habe die BA mit ihrem "Partner-Netzwerk der Anpacker" eine öffentlichkeitswirksame Kampagne gestartet, weil sonst drohe, "dass die Verwaltung in Kürze nur noch IT aus dem Technikmuseum anbieten kann". (Mehr dazu:"BA macht Druck in Sachen Cloud-Nutzung".)
Nachhaltigkeit rückt in den Vordergrund
Seit 2019 wird in der IT der größten Bundesbehörde auch das Thema "Nachhaltigkeit" mit einem Dreiklang aus "Vermeiden, Reduzieren und Kompensieren" angegangen.
Die vier wichtigen Handlungsfelder dabei:
Rechenzentren: Mit "grünem Strom" ist es gelungen, seit 2009 den Energieverbrauch um jährlich 80 Prozent zu reduzieren.
Arbeitsplatzprodukte: Über stromsparende PCs und Laptops hat die BA seit 2012 bis zu 80 Prozent Einsparung erreicht. Hier liegt das größte Potenzial bei der Reduzierung der Ausstattungsquoten.
Kollaboration und Kommunikation: Durch die intensiv genutzte neue Homeoffice-Plattform wurden zirka 75.000 Tonnen CO2 eingepart.
Gleichzeitig konnten durch Nutzung der Online-Services Fahrten zur Agentur und zurück bei den Bürgerinnen und Bürgern vermieden werden. Für einen normalen Antrag muss kein Bürger mehr "aufs Amt" kommen.
Das sagt die Jury vom "CIO des Jahres 2023"
Für seine Leistung verleiht die Jury zum "CIO des Jahres 2023" Schmitz den 1. Platz in der Kategorie Public Sector. Jurorin Sandra Rauch, CIO und CDO von Omnicare, lobt: "Hut ab, trotz aller Regulierung und den Hindernissen der Bürokratie, diesen Weg weiterzugehen", das sei beeindruckend. Professorin Marion Weissenberger-Eibl, Karlsruher Institut für Technologie, sagt: "Die IT der BA treibt die Themen Digitalisierung, Automatisierung, Cloud-Readiness und Nachhaltigkeit voran."
Sie hebt besonders die cross-funktionale, agile Erarbeitung von attraktiven Angeboten für Bürgerinnen und Bürger einerseits und die attraktiven Arbeitswelten für Mitarbeitende andererseits hervor. Beeindruckt hat sie auch das "Verständnis als lernende Organisation", die "nachhaltige, vernetzt-digitale Dienstleistungsagentur" und nicht zuletzt, dass die IT hier zur "erfolgreichen Kommunikation im Ökosystem BA, Rente und Krankenkassen" beitrage.
Markus Schmitz hat diesen Preis schon 2018 bekommen, jetzt zum Abschluss seines Jobs bei der BA gewinnt er ihn nochmal. Stefan Latuski ist inzwischen der kommissarische CIO, Schmitz kehrt innerhalb der BA in die Regionaldirektion Bayern zurück. (kf)
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