Sebastian Bluhm auf der aitomation conference

Vollautomatisierte Schadenabwicklung mit KI

18.04.2019
Von 
Susanne Köppler ist nach einigen Jahren als Praktikantin und freie Mitarbeiterin in den Redaktionen des IDG Medienhauses nun als Content Managerin Events für die inhaltliche Ausgestaltung der Channel- und C-Level-Events bei IDG verantwortlich.
Sebastian Bluhm ist Geschäftsführer der Managementberatung Plan D und berät Unternehmen rund um die digitale Transformation – von der Strategie bis hin zur Kommunikation. KI spielt hierbei mittlerweile immer häufiger eine Rolle.
  • Jetzt anmelden: aitomation conference am 9. und 10. Mai in Hamburg.
  • Zwei spannende Konferenztage mit Praxis und Erfahrungsaustausch für KI- und Automation-Macher.
  • Unser Speaker Sebastian Bluhm von Plan D spricht über den Einsatz von KI in der KFZ Schadenabwicklung.

Am 09. und 10. Mai 2019 findet in Hamburg erstmals die aitomation conference statt. Als Nachfolgeveranstaltung zur erfolgreichen Hands on AI im Oktober 2018 thematisiert die neue Veranstaltung neben Künstlicher Intelligenz auch Automation-Ansätze. aitomation versteht sich als die Veranstaltung für KI- und Automation-Macher und setzt den Fokus auf Networking, Erfahrungsaustausch und nutzwertige KI- und Automation-Projekte aus der Praxis.

Auch Versicherungen lassen sich mittlerweile regelmäßig von Künstlicher Intelligenz unterstützen.
Auch Versicherungen lassen sich mittlerweile regelmäßig von Künstlicher Intelligenz unterstützen.
Foto: Andrey_Popov - shutterstock.com

Im Vorfeld der Veranstaltung sprachen wir mit Sebastian Bluhm von der Managementberatung Plan D über die Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz und darüber, was er in seinem Vortrag auf der aitomation am 10. Mai in Hamburg präsentieren wird.

Herr Bluhm, so gut wie jede Branche setzt große Hoffnungen in die Themen Künstliche Intelligenz und Automation - bei der Implementierung und Umsetzung hapert es allerdings häufig noch sehr. Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, mit denen sich Anwender beim Anpacken von KI- und Automation-Aktivitäten konfrontiert sehen?

Bluhm: Ich glaube, eine große Herausforderung besteht darin, dass der Hype, der um KI entstanden ist, falsche Erwartungshaltungen an die Technologie entstehen lässt. KI wird als Lösung für alle Probleme gehandelt, aber das konkrete Potenzial für das eigene Unternehmen wird dabei oft falsch eingeschätzt und vor allem überschätzt. So kommt es dazu, dass sich Anwender übernehmen und KI-Projekte scheitern. Eine weitere Schwierigkeit besteht auch darin, dass man von den Maschinen dieselben Arbeitsergebnisse erwartet wie von den Menschen. Das ist aber eigentlich nie der Fall.

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Statistische Annäherungen reichen vielen Anwendern nicht

Bluhm: Ja. Nehmen wir ein Beispiel aus der Versicherungsbranche: Ihr Auto ist beschädigt und die Höhe des Schadens muss ermittelt werden. Der Kfz-Sachverständige läuft einmal um das Auto herum, tippt in sein Notebook und kalkuliert in wenigen Minuten eine exakte Schadenhöhe von 2.343,50 Euro. Die Maschine hingegen wertet die Telematik-Sensoren des Autos aus, analysiert die Schadenfotos aus mehreren Perspektiven, ruft mit Hilfe der Fahrzeugidentifikationsnummer die Fahrzeugausstattung von den Servern des Herstellers ab, führt tausende von Rechenoperationen durch und meldet zum Schluss einen Schadenhöhe von 2.190,00 Euro - allerdings nur mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 95%. Welchem Ergebnis trauen Sie jetzt mehr und wären Sie einverstanden, nur die 2.190,00 Euro überwiesen zu bekommen? Das Ergebnis wird zwar nah an der Wirklichkeit liegen, aber es handelt sich eben immer nur um eine statistische Annäherung an die tatsächliche Reparatursumme. Das ist für viele Anwender nur schwer zu akzeptieren.

Was ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus der Implementierung von KI- und Automation- Lösungen bei Ihren Kunden bisher mitnehmen konnten?

Bluhm: Wir verfolgen den Ansatz, unseren Kunden zunächst ein klares Verständnis für die Funktionsweisen von KI zu vermitteln und die Technologie in gewisser Weise zu "entzaubern". Wir bauen sowohl bei der Führungsebene als auch bei den Mitarbeitern Wissen auf und machen sie so fit für den digitalen Wandel. Außerdem starten wir mit frühen Tests und Proofs of Concept, um frühzeitig Aussagen über das wirtschaftliche Potenzial und die technische Machbarkeit treffen zu können. Wir beginnen also schnell mit der konkreten Umsetzung, gehen dabei aber sehr methodisch und strategisch vor. Einen großen Teil unserer Projekte verbringen wir außerdem damit, in den Fachabteilungen unserer Kunden die richtigen Datentöpfe für potentielle Trainingsdaten zur identifizieren und zu verarbeiten. Dabei machen wir aus "dreckigen" Daten "saubere", gut strukturierte, konsolidierte und maschinenlesbare Daten. Dieser Prozess ist viel Detailarbeit, man stößt dabei auf die wildesten Dinge und dreht jeden Stein um. Doch eine hohe Qualität und hohe Anzahl von Trainingsdaten sind die halbe Miete und ausschlaggebend für ein erfolgreiches Projektergebnis.

Sebastian Bluhm, Managing Partner von Plan D, spricht auf der aitomation conference zum Thema "Künstliche Intelligenz im Kfz-Schadenmanagement".
Sebastian Bluhm, Managing Partner von Plan D, spricht auf der aitomation conference zum Thema "Künstliche Intelligenz im Kfz-Schadenmanagement".
Foto: Plan D

Was erwartet die Teilnehmer bei Ihrem Vortrag auf der aitomation conference am 9. und 10. Mai 2019 in Hamburg?

Bluhm: Ich gebe einen Einblick in unsere eigenen Projekte und werde von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz im Kfz-Schadenmanagement berichten. Für Versicherungen ist die Prüfung und Abwicklung von Schadenfällen ein extrem wichtiger Bereich. Mithilfe von KI können hier hohe Kosten eingespart werden, gleichzeitig kann die Technologie dabei helfen, Prozesse zu beschleunigen und somit die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. In meinem Vortrag spreche ich über verschiedene Anwendungsmöglichkeiten, sei es die Bilderkennung im Bereich der Belegprüfung oder die vollautomatisierte Abwicklung von Schadenfällen. Zusätzlich werde ich auch ganz grundsätzlich darauf eingehen, wie man das Potenzial von KI für das eigene Unternehmen einschätzen kann.

Können Sie uns verraten, welche konkreten Tipps Sie Anwendern für ihre KI- und Automation-Projekte mitgeben? Was ist das wichtigste, was Sie bei der Umsetzung ihrer bisherigen Projekte gelernt haben?

KI ist viel mehr als ein Technologie-Thema

Bluhm: Ich kann vor allem den Tipp geben, dass die Umsetzung künstlicher Intelligenz viel mehr als nur ein Technologie-Thema ist. Im Rahmen solcher Projekte gibt es viele Fragen zu beantworten: Welcher Use Case ist der richtige und hat zudem ein signifikantes wirtschaftliches Potential? Wie weit ist der Wettbewerb in diesem Feld und über welche Ressourcen verfügt er? Lohnt sich eine Eigenentwicklung oder setze ich auf ein Produkt eines Dienstleisters? Wie nehme ich die Mitarbeiter mit auf die Reise, binde sie frühzeitig ein und kommuniziere bei Projekterfolg die resultierenden Auswirkungen auf die Belegschaft? Und ganz wichtig: Auf welchen Partner setze ich in der Beantwortung all dieser Fragen?

Die Geschäftsmodelle potenzieller Dienstleister sollte man sich dabei genau ansehen. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es Anbieter gibt, die ihre KI-Technologie teuer verkaufen, dabei aber kaum etwas über die Funktionsweise ihrer Algorithmen verraten und nebenher noch massiv Daten aus den Unternehmen abgreifen. Die Kunden bezahlen also nicht nur mit Geld, sondern auch mit Daten, und haben gleichzeitig überhaupt keine Chance, das Wissen über künstliche Intelligenz im eigenen Unternehmen auszubauen. Der Aufbau von internen Kompetenzen in Bezug auf künstliche Intelligenz ist jedoch sehr wichtig - es ist schließlich eine der Schlüsseltechnologien der digitalen Zukunft.

Auf welche Unternehmensbereiche werden KI- und Automation-Lösungen Ihrer Ansicht nach die größten Auswirkungen haben?

Bluhm: Wir bei Plan D vertreten die These "Was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert werden". Wenn also in digitalisierten Prozessen Arbeitsschritte von der KI übernommen werden können, wird das auch passieren. Dies ergibt sich automatisch durch wirtschaftliche Zwänge.

Diese Entwicklung muss nicht negativ sein. Aber wir sollten unsere Perspektive auf KI überdenken und uns von der Vorstellung lösen, dass der Roboter genau das können muss, was der Mensch kann, um ihn zu ersetzen. Wenn durch Digitalisierung Umwelten entstehen, die dem Roboter eher entgegenkommen als dem Menschen, wird der Roboter auch schneller besser werden als der Mensch. Und vielleicht schneller mehr Aufgaben übernehmen, als wir uns heute vorstellen können.

Kurzfristig wird sich das auf alle Tätigkeiten auswirken, die sich in klaren Anweisungen ausdrücken und die sich in beliebig viele eindeutige Wenn-dann-Beziehungen aufgliedern lassen. Das Abspulen von Regeln, Vorgehensweisen sowie das Berücksichtigen großer Datenmengen und statistischer Gegebenheiten - das können Maschinen besser als wir.

Laut einer Studie von PwC sollen bis 2030 35 % aller Arbeitsplätze durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz bedroht sein. Wie ist dieses Ergebnis Ihrer Ansicht nach einzuordnen?

Bluhm: Ich glaube, die Kollegen von PwC haben das schon sehr gut eingeschätzt. Jedoch gibt es viele kurzfristige und langfristige Perspektiven auf dieses Thema, die einen eigenen Artikel rechtfertigen würden. Unsere Grundaussage ist: KI wird nicht bestehende Jobs übernehmen, sondern Digitalisierung verändert die Jobs, und diese werden dann von der KI übernommen.

Wie genau meinen Sie das?

Bluhm: Schauen wir uns einen Pizzabäcker an und nennen ihn Luigi: Luigi nimmt den Anruf eines Kunden entgegen, schreibt Bestellung und Adresse auf einen Zettel, übergibt den Zettel an den Fahrer, telefoniert noch einmal mit dem Kunden ("Wo bleibt die Pizza?"), ruft den Fahrer an etc. - diese Komplexität können Computer und Roboter heute nicht ansatzweise bewältigen. Aber: Ist der Prozess erst digitalisiert, dann hat die KI leichtes Spiel. Und selbst eine schlechte KI koordiniert besser als ein guter Pizzabäcker. Aber Luigi muss deshalb nicht unbedingt seinen Job verlieren. Zumindest dann nicht, wenn er es schafft, sich auf die Kernkompetenz des Backens zu fokussieren, seine Produktivität zu erhöhen und einfach die beste Pizza zu machen. Alles andere kann er der KI überlassen.

Was können wir von diesem Beispiel lernen?

Bluhm: So lange wir unsere Umwelt im Ist-Zustand beurteilen, ist das konkrete Bedrohungspotenzial für die Arbeit gering. Wenn wir aber beginnen, in zwei Stufen zu denken - also konsequente Rekonfiguration von Wertschöpfung und Prozessen durch Digitalisierung und den Austausch von Prozesselementen und Übernahme durch KI - verändert sich die Beurteilung vieler Anlässe fundamental.

Vielen Dank Herr Bluhm und bis zum 9. und 10. Mai in Hamburg!

aitomation conference

Unter dem Motto "driven by business, inspired by technology" treffen sich KI- und Automation-Macher am 9. und 10. Mai 2019 im Hamburger SIDE Hotel, um sich auszutauschen, zu networken und aktuelle Themen rund um angewandte KI- und Automation-Lösungen zu diskutieren.

Jetzt noch schnell Tickets sichern unter: https://www.aitomation.de/anmeldung/.